15.03.2024
Historie

Manni der Marathonmann

Mit 301 Pflichtspielen in Folge hält Manfred Binz einen ewigen Eintracht-Rekord. Rückblick auf einen 30 Jahre währenden Bestwert und Binz‘ Einblicke, warum es nicht noch mehr wurden.

Fürs Toreschießen war Manfred Binz Zeit seines Profidaseins selten zuständig. Vor wenigen Tagen schnürte der 58-Jährige binnen einiger Stunden dennoch den Hattrick – medialer Natur. Während des Heimspiels am Sonntagabend gegen die TSG Hoffenheim zunächst Experte bei EintrachtFM, danach Analyst bei EintrachtTV und am Morgen darauf zu Gast im Podcast „Aufstehen mit der Eintracht“.

Gänsehaut: Die Choreografie in der Nordwestkurve anlässlich 125 Jahren Eintracht Frankfurt.

Manni der Libero las das 3:1 gegen die Kraichgauer wie seinerzeit die Spielzüge des Gegners. Es dauerte nicht allzu lange, bis der Tradi-Akteur aber vom Rationalen ins Emotionale schwenkte und die Überzeugung vertrat: „Es hört sich vielleicht doof an, aber das Sondertrikot [anlässlich 125 Jahren Eintracht Frankfurt; Anm. d. Red.] hat es vielleicht auch ausgemacht. Ein überragendes Trikot! Und die Choreo war wieder Weltklasse. Da kommst du als Spieler raus und denkst – was eine Choreo! Auch als ehemaliger Spieler kriegt man da Gänsehaut.“

Keine Frage, es war ein Fußballfeiertag, an dem der sportliche Aufschwung und vergangene Errungenschaften Eins wurden. Zu letzteren hat auch Manni Binz keinen unerheblichen Teil beigetragen.

Auf dem Briefkopf steht der DFB-Pokaltriumph 1988, der rückblickend der letzte für drei Jahrzehnte bleiben sollte.

30 Jahre her ist auf den Tag genau nun ein persönlicher Allzeitrekord, den unterm Adlerdach niemand und in der Bundesligageschichte kaum jemand zu brechen vermochte.

Maier, Simmet, Binz

301 Pflichtspiele hintereinander trug Binz bis zum 15. März 1994 den Adler auf der Brust: 246 in der Liga, 28 im DFB-Pokal, 24 im Europapokal und eines im DFB-Supercup.

Mehr Partien am Stück für einen einzigen Verein vollbrachten einzig Sepp Maier, von 1966 bis 1979 in 442 Bundesligabegegnungen für den FC Bayern zwischen den Pfosten, und unter allen Feldspielern Heinz Simmet, der zwischen 1970 und 1977 259-mal hintereinander für den 1. FC Köln im deutschen Fußballoberhaus auflief.

Ich wollte unbedingt zurück auf meine Stammposition.

Manfred Binz

Als die Eintracht-Redaktion Binz im Deutsche Bank Park anlässlich seiner einzigartigen knapp sieben Jahre andauernden Einsatzserie zur Seite nimmt, meint der Trainer der Fußballschule salopp: „Den Rekord hatte ich nie im Blick. Mein Ziel war es, immer zu spielen.“

Das Immer hatte vor 30 Jahren ein Ende, nachdem die Hessen im Viertelfinale des UEFA-Pokals im Waldstadion gegen den SV Casino Salzburg im Elfmeterschießen unterlagen und Meinungsverschiedenheiten auftraten, die Binz folgendermaßen schildert:

Manfred Binz und Klaus Toppmöller zu gemeinsamen Zeiten bei Eintracht Frankfurt.

„Klaus [Toppmöller; Anm. d. Red.] war ein toller Trainer, der die Mannschaft immer gepusht hat. Irgendwann stellte er mich aber auf die Sechserposition, worüber ich absolut nicht glücklich war. Ich wollte unbedingt zurück auf meine Stammposition und war der Meinung, dass die Aufstellung von den Vereinsbossen beschlossen wurde. Interne Gespräche führten zu nichts, weshalb ich gehen wollte. Stattdessen wurde aber kurzfristig eine Pressekonferenz angesetzt und ich für das darauffolgende Spiel gegen Dynamo Dresden suspendiert.“

Mit zeitlichem Abstand ist der Groll aber verflogen: „Dennoch war die Zeit unter Klaus grandios, wir haben herrlichen Fußball gespielt und waren zwischenzeitlich Tabellenführer.“

Mittlerweile weiß ich, dass die Gedankengänge bei Trainern andere sind als bei Spielern.

Manfred Binz

Erfahrungen und Denkweisen, die Binz zwei Jahre zuvor in der Nationalmannschaft geprägt haben. Bis 1992 zum Stammnationalspieler aufgeschwungen, fand er bei der EM in Schweden nach der Vorrunde keine Berücksichtigung mehr. Dem damaligen Bundestrainer Berti Vogts habe „ich schon verziehen. Es gab sicher Ansatzpunkte, die nicht perfekt liefen. Trotzdem ist jeder für sich verantwortlich, ich mache Berti keinen Vorwurf. Mittlerweile weiß ich, dass die Gedankengänge bei Trainern andere sind als bei Spielern. Ich bin damals richtig zerpflückt worden in der Kabine. Aber das macht einen härter. Trotzdem schade, dass ich danach nie mehr eingeladen wurde, obwohl ich bei der Eintracht meine Leistung gebracht habe.“

1979 war der gebürtige Frankfurter aus Bockenheim an den Riederwald gekommen und nach seinem Durchbruch bei den Profis bis 1996 insgesamt 411 Mal für die erste Mannschaft am Ball. Nach einem Intermezzo bei Brescia Calcio erfolgte 1997 die Rückkehr in die Bundesliga: zu Borussia Dortmund, dem Gegner von Binz‘ Nachfolgern am 26. Spieltag. Binz sieht gegen den Vizemeister „eine große Chance“, denn „die Doppelbelastung der Dortmunder kann ein Vorteil für uns sein“.

Dabei ist Manni der Marathonmann selbst das perfekte Gegenbeispiel.