22.01.2021
Historie

„Mein Herz schlägt rot-schwarz-weiß“

Roland Weidle gewann mit der Eintracht zwei DFB-Pokale, spielte unter Weise, Rehhagel und Ribbeck und wechselte 1978 nach Bielefeld. Ein Gespräch über eine verrückte Fußballreise und das Duell seiner Ex-Klubs.

Roland, vielen Dank, dass du dir die Zeit nimmst. Wo treffen wir dich gerade an?
Ich bin zu Hause in Aarberg in der Schweiz. Hier wohne ich seit über 40 Jahren mit meiner Frau und bin Sportchef beim ortsansässigen FC Aarberg, der in der Zweiten Liga Regional spielt. Wir fühlen uns hier sehr wohl und sind im wunderschönen Tessin heimisch geworden, nachdem ich 1980 aus Bielefeld nach Bellinzona und damit in diese Gegend gewechselt bin.

Davor hast du beim FCA unter anderem als Spielertrainer gewirkt. Wie kam der Wechsel ins Management zustande?
Ich war vorher zwölf Jahre lang Spieler beim FC Aarberg, zu dem ich nach meiner Zeit in Biel und Bellinzona gewechselt bin. Nachdem sich abgezeichnet hatte, dass ich meine Karriere beenden möchte, hat mich der damalige Sportdirektor gefragt, ob ich mir nicht vorstellen könne, nach meiner aktiven Zeit weiter im Verein tätig zu bleiben. So bin ich dann direkt ins Management des Vereins gewechselt. Mir bereitet diese Aufgabe nach wie vor großen Spaß.

Du bist also schon sehr lange Wahl-Schweizer. Wie steht es um die Verbindung in die alte Heimat nach Deutschland?
Ich habe nach wie vor Kontakt nach Stuttgart, wo meine Schwester lebt, und natürlich nach Frankfurt. Hier hatte ich die schönste Zeit meiner Profikarriere. Ich erinnere mich gerne an die tollen Spiele zurück, die ich mit dieser starken Mannschaft bestreiten durfte. Zur Eröffnung des heutigen Deutsche Bank Park war ich mit meiner Frau im Stadion und habe einige meiner Mitspieler von früher getroffen. Das war schön. Und natürlich verfolge ich nach wie vor sehr interessiert die Spiele und die Entwicklung der Eintracht und schaue mir Partien im Fernsehen an.

Du bist 1971 von Stuttgart zur Eintracht gewechselt, die zum damaligen Zeitpunkt bereits eine starke Truppe zusammen hatte und warst trotzdem schnell Stammspieler. Was war ausschlaggebend dafür, dass du dich durchgesetzt hast?
Die Mannschaft damals war gespickt mit Nationalspielern, etwa Jürgen Grabowski oder Bernd Nickel, und hatte enorme Qualität. Ich habe einfach versucht, mich so schnell wie möglich an das neue Spielsystem anzupassen und meine Stärken ins Mannschaftsspiel einzubringen. Ich habe neben Grabi  gespielt und die läuferisch-kämpferische Aufgabe im Team auf der Sechs und der Zehn übernommen. Meistens wurde ich als Manndecker auf die Zehner des Gegners angesetzt. Früher wurde das oft als „Wasserträger“ verschrien. Aber ich wusste, was ich konnte, und habe mich in dieser Mannschaft mit meinen Spielanteilen und der tollen Moral im Team unheimlich wohl gefühlt.

Wir waren ein verschworener Haufen.

Roland Weidle

Was verbindest du mit deiner Zeit bei der Eintracht?
Es war die beste, die ich in meiner fußballerischen Laufbahn hatte. Mein Herz schlägt nach wie vor rot-schwarz-weiß. Ich bin damals auch wegen des Trainers Erich Ribbeck nach Frankfurt gekommen, denn er wollte mich unbedingt haben. Aber auch die Mannschaft hatte einen unglaublichen Teamgeist und war, wie man so schön sagt, wirklich ein verschworener Haufen auf und neben dem Platz. Jeder war bereit, für den anderen zu kämpfen und alles zu geben, damit das Team als Ganzes erfolgreich ist. Durch diese Mentalität, gepaart mit unserer spielerischen Klasse, haben wir vieles erreicht, an das ich heute nach wie vor gerne zurückdenke. Darauf bin ich sehr stolz.

Kannst du uns Beispiele nennen?
Ich habe etwa mein erstes Spiel im Europapokal gegen den Liverpool FC gespielt, der damals wie heute eine der besten Mannschaften der Welt hatte. Ich bekomme heute noch Gänsehaut, wenn ich daran denke, denn das sind unvergessliche Erlebnisse, die für immer bleiben. Damals bin ich auf den Platz gegangen und habe mir gedacht: „Heute kannst du gar nicht schlecht spielen!“ Sich mit Gegnern wie Kevin Keegan oder Ian Callaghan zu messen, in dem Wissen, dass wir als Eintracht genauso gut sind, war ein tolles Gefühl. Es waren tolle und umkämpfte Spiele. Außerdem habe ich unter Dietrich Weise, der leider kürzlich verstorben ist, zwei Mal nacheinander den DFB-Pokal geholt. Das sind Ereignisse, die du dein Leben lang nicht vergisst.

Wie würde die aktuelle Frankfurter Mannschaft gegen die des Liverpool FC abschneiden?
Sie wären sicherlich nicht chancenlos und würden sich meiner Meinung nach sehr gut schlagen (lacht). Mit Luka Jovic hat die Eintracht zuletzt einen bulligen Stürmer zurückgeholt, der genau weiß, wo das Tor steht. Ihm zuzusehen, macht viel Spaß, denn er hat ein unglaubliches Talent. Aber auch, wie sich die Mannschaft allgemein präsentiert, gefällt mir gut, denn dadurch spielen sie einen guten Fußball.

1978 bist du dann aus einer erfolgreichen Frankfurter Mannschaft zum damaligen Aufsteiger Arminia Bielefeld gewechselt. Wie kam es dazu?
Wie das im Fußball eben manchmal so ist, war das eine vertragliche Geschichte. Mein Vertrag in Frankfurt lief aus, ich wollte um zwei Jahre verlängern. Die Eintracht hingegen wollte mich erstmal nur ein Jahr behalten. Also bin ich nach Bielefeld gegangen, wo damals mit Otto Rehhagel ein Trainer am Ruder war, den ich noch kannte und der mich ebenfalls bei sich haben wollte. Also bin ich zur Arminia gewechselt und habe dort zwei Jahre gespielt, bevor ich in der Schweiz beim AC Bellinzona angeheuert habe.

Natürlich gewinnt die Eintracht.

Roland Weidle

Mit Rehhagel und Weise hast du unter zwei Trainergranden der damaligen Zeit gespielt. Was hast du von ihnen mitgenommen?
Dietrich Weise werde ich immer als einen guten Charakter in Erinnerung behalten, wir sind zweimal nacheinander DFB-Pokalsieger geworden. Mit Otto Rehhagel verbinde ich eine etwas traurig-lustige Geschichte: Wir haben einmal mit Bielefeld auswärts beim FC Bayern München gespielt und haben die großen Bayern als Aufsteiger mit 4:0 aus ihrem eigenen Stadion gefegt [mit Uli Stein im Tor; Anm. d. Red]. Das war eine große Genugtuung, weil uns das niemals jemand zugetraut hätte. Leider haben wir danach kaum noch ein Spiel gewonnen und wären fast abgestiegen, mit dem Saisonende war für Otto Schluss in Bielefeld. Trotzdem war es eine schöne Zeit auf der Alm. Ich denke auch an das Spiel gegen den HSV zurück, bei dem ich auf Kevin Keegan aufpassen sollte. Mit Ottos Anweisung wäre ich ihm sogar bis auf die Toilette gefolgt, so war das in der damaligen Zeit (lacht).

Zu guter Letzt: Wie geht´s am Samstag aus?
Ich hoffe natürlich, dass die Eintracht gewinnt und bin guter Dinge, dass sie Bielefeld schlagen werden. Sie sind spielerisch eine andere Nummer, auch wenn die Arminia zuletzt mit dem 3:0-Sieg gegen den VfB Stuttgart ein Ausrufezeichen setzen konnte. Ich werde das Spiel auf jeden Fall verfolgen und der Eintracht die Daumen drücken.