Jan, 20 Jahre ist dein legendärer Übersteiger jetzt her, der nicht nur den Klassenerhalt 1999 brachte, sondern auch deiner Kolumne im Klubmagazin ihren Namen verliehen hat. Trotz der langen Zeit ist das Tor noch sehr präsent im Bewusstsein der Fans.
Viele wissen nicht, dass dieses Tor damals eigentlich kein Zufall war, denn diesen Trick habe ich bereits als Kind immer und immer wieder geübt. Lustigerweise habe ich die zwei vielleicht wichtigsten Tore meiner Karriere auf genau diese Weise erzielt. Zum einen natürlich das besagte 5:1 zum Klassenerhalt, aber auch bereits 1993 habe ich mit einem ganz ähnlichen Tor für Jubel in meiner Heimat gesorgt. In Polen habe ich damals ebenfalls per Übersteiger getroffen und dank dieses Treffers zum 2:0 wussten wir sicher, dass sich Norwegen für die WM 1994 in den USA qualifiziert. Seitdem heißt der Übersteiger bei uns „Fjörtoft-Trick“, was mich natürlich wahnsinnig stolz macht.
Hat das Tor in Norwegen einen ähnlichen Kultstatus wie dein viel zitierter Treffer für die Eintracht?
In Deutschland wird dieses Tor gerne herausgeholt, wenn es einen engen, dramatischen Abstiegskampf gibt. Ich bin sehr stolz, dass sich dieser Treffer gewissermaßen in das Unterbewusstsein der Bundesliga eingebrannt hat. Zum 50. Jubiläum vor ein paar Jahren wurde der Übersteiger außerdem unter die 50 Höhepunkte aus einem halben Jahrhundert Bundesliga gekürt. Aber auch die Norweger erinnern sich gerne zurück, denn wir sind nicht sonderlich verwöhnt, was die Teilnahme an großen Turnieren betrifft (lacht). Als wir es 1994 endlich wieder geschafft hatten, war das unsere erste WM seit 1938.
Gab es noch andere Tore in deiner Laufbahn, die vergleichbar wichtig waren?
Manche Tore waren auch einfach „nur“ für meine persönliche Karriere sehr wichtig und bedeutend. Das erste Länderspieltor etwa, das mir gegen Brasilien gelang und ein absoluter Höhepunkt für mich war. Gegen Österreich habe ich ebenfalls getroffen und konnte auch deshalb wenig später zu Rapid Wien wechseln, was ein wichtiger Karriereschritt war, denn es war mein erster Klub im Ausland. Konzentriert man sich nur auf die Konsequenzen, die das jeweilige Tor für meine entsprechenden Mannschaften hatte, dann sind die beiden Übersteiger sicherlich unerreicht.
Eine Sternstunde für dich und die Eintracht beziehungsweise die norwegische Nationalelf gleichermaßen.
Ich durfte für vier Vereine in England, einen in Österreich und einen in Deutschland spielen und die Eintracht ist sicherlich der größte Klub, für den ich als Spieler die Schuhe geschnürt habe. Für mich war es ein Traum und ein Privileg, so spät in meiner Karriere noch einmal in Deutschland spielen zu dürfen und dann auch noch für einen Klub mit einer so reichhaltigen Historie. Dass ich diese Geschichte mitschreiben durfte und in den Geschichtsbüchern neben dem Kopfball von Alex Schur gegen Reutlingen oder den Pokalhelden aus der vergangenen Saison stehen darf, ist ein tolles Gefühl. Solche Geschichten definieren einen Verein, bilden seine DNA. Das Drama in all diesen Spielen passt zudem perfekt in die Geschichte der Eintracht. Auch von diesem unglaublichen Jahr in Europa aktuell wird man sich noch lange erzählen.
Als Fußballer kennt man natürlich auch die andere Seite solcher Sensationen. 1999 hatten die Nürnberger vor dem 34. Spieltag die beste Ausgangslage aller Teams, für die Party zum Klassenerhalt war bereits alles vorbereitet. Denkt man als siegreicher Spieler in solchen Momenten auch an die „Opfer“ der eigenen Sensation?
Auf jeden Fall denkt man da auch an die Enttäuschung bei den anderen Teams. Ein einziges Tor kann manchmal so einen großen Unterschied machen. Aber so ist das im Sport: Wenn es Gewinner geben muss, muss es auch Verlierer geben. Ich war selbst oft genug auch auf der Verliererseite. Aber das war unser Tag! Eigentlich war es ja bestenfalls theoretisch noch möglich, dass der Club runter muss. Für die Fans und die Medien schien diese Variante gar nicht zu existieren. Damals wurde der 1. FC Nürnberg von Friedel Rausch trainiert, der unter der Woche noch prognostiziert hatte, dass sein Kollege Jörg Berger am Ende absteigen würde. Dem hat natürlich überhaupt nicht gefallen, dass er da namentlich genannt wurde. Für Berger war dieser Klassenerhalt eine wirklich große Sache, eine Herzensangelegenheit. Diese Anekdote ist eine nette Randnotiz zum „Wunder vom Main“.
Die Tragweite mancher Tore ist schon unglaublich. Dein Übersteiger hat die SGE in der Liga gehalten, aber den Club runtergeschickt in die Zweite Liga und Kaiserslautern gleichzeitig die Champions League gekostet.
Erst vor ein paar Wochen habe ich Frank Baumann bei „Wontorra“ getroffen, der 1999 für den 1. FC Nürnberg spielte und dort im Abstiegskampf die Mutter aller Großchancen hat liegen lassen (lacht). Ich habe das Thema jedenfalls im Studio bei Sky bewusst ausgespart, aber er kam dann von sich aus darauf und dann haben wir ein bisschen darüber geflachst. Für ihn war es auch wegweisend damals, denn wäre der Club drin geblieben, wäre er nicht nach Bremen gewechselt und hätte Werder nicht als Kapitän zu einer Meisterschaft und zwei Pokalsiegen geführt. So verrückt ist der Fußball manchmal.
Es gibt Bilder von dir, wie du unmittelbar nach dem Abpfiff gegen Lautern von Fans umringt bist, die vor Freude auf das Spielfeld gelaufen sind. Dein Blick lässt vermuten, dass du noch nicht so recht weißt, was da gerade passiert ist.
Nach dem Abpfiff habe ich zur Bank gesehen und da nur Ralf Weber und Olaf Janßen erkannt, die jubelnd auf das Feld gelaufen kamen. Nur warum, wusste ich nicht, weil vorher von außen nur ständig reingerufen wurde, wir bräuchten noch ein Tor und noch ein Tor. Es war brütend heiß an dem Tag und ich nach dem Spiel total fertig. Also bin ich erst mal auf die Knie gesunken in dem Wissen, dass wir es geschafft haben. Nur warum wusste ich nicht oder weshalb dieses fünfte Tor so wichtig war. Wie eng es wirklich war, erfuhr ich erst später zu Hause, als ich mich für die Feier am Abend umzog und zufällig die Spiele noch einmal im TV sah. Als der Fehlschuss von Baumann kam, wurde mir richtig schlecht, weil mir schlagartig klar wurde, dass selbst dieses 5:1 zu wenig gewesen wäre, hätte er für Nürnberg getroffen. Dann wären unsere vier Siege im Saisonendspurt und der Übersteiger heute nur eine Fußnote der Geschichte.