Die Pressekonferenz in der Leipziger Arena war keine Minute alt, als Dino Toppmöller einer Sache gleich mal den Wind aus den Segeln nahm. „Bevor nachher irgendwelche Fragen kommen, ob es irgendwie eine Müdigkeit gibt oder der Saft ausgeht, hat man gesehen, dass das nicht der Fall war“, griff der Eintracht-Cheftrainer in seinem Eingangsstatement möglichen Gegenfragen vorweg. Dass Frankfurt in Leipzig erwartungsgemäß viel fußballerischem Gegenwind entgegensah, hatte für alle SGE-Beteiligten andere Gründe. Gründe, die auch Anlass geben, dass der Rückenwind der Vorwochen trotz vier siegloser Pflichtspiele am Stück nicht gänzlich verflogen sein muss.
So differenzierte Markus Krösche: „Wir haben zwei Mal in Leipzig und in Lyon gespielt, auch gegen Augsburg ein gutes Spiel gemacht.“ Drei Wettbewerbe, drei Auswärtsspiele, die erste Bundesliganiederlage seit dem 19. Oktober in Leverkusen auf der einen Ebene.
„Aber es darf uns nicht passieren, durch einen Standard in Rückstand zu geraten, wo Openda am zweiten Pfosten total freisteht und keine Mühe hat, das Tor zu machen. Wenn du auf so einem Niveau im Spitzenspiel drei Punkte mitnehmen willst, darfst du die Fehler nicht machen“, konstatierte der Sportvorstand, der zugleich darauf hinwies, „aus dem Pokalspiel gelernt“ zu haben und dem Gastgeber diesmal „auf Augenhöhe“ begegnet zu sein. Ähnlich sah es Sportdirektor Timmo Hardung: „Insbesondere in der zweiten Hälfte waren die Möglichkeiten da, wir hatten Leipzig weitgehend im Griff. Doch beim 1:2 war kurz die Ordnung nicht da, das ist super ärgerlich, weil du dem Rückstand dann bis zum Ende hinterherläufst.“ Und das gegen einen Kontrahenten, der gleichermaßen konsequent verteidigt und rasend schnell gekontert hat.
Dass die Luft auf Platz zwei und jetzt drei dünner werde, hatte Cheftrainer Toppmöller vorher in seinem Bergexpeditionsvergleich verdeutlicht. Um seine Mannen für die nächste atemraubende Etappe zu wappnen, hatte der Fußballlehrer nicht an Equipment gespart, der Startelf nicht nur mit fünf neuen Gesichtern einen personell frischen Anstrich versehen, sondern auch taktisch erstmals seit dem zweiten und dritten Spieltag gegen Hoffenheim und Wolfsburg zu einer eindeutigen Dreier- respektive Fünferkette in der Abwehr zurückgegriffen. Dass die Anordnung ihre Wirkung über weite Strecken nicht verfehlte, lässt sich buchstäblich von rechts nach links ablesen.
Rechts: Höchstgeschwindigkeit
Dass der rechte Schienenspieler Ansgar Knauff vor der Kopfballverlängerung vor dem Endstand zum Gegenstoß ansetzte, war vielleicht nicht im Sinne des Erfinders, aber mit Sicherheit kein taktisches Malheur. 28 Sprints und ein Topspeed von 34,33 Stundenkilometer waren beides teaminterne Topwerte am Sonntag und im Kern mit offensiven Akzenten verbunden.
Zentral: Kompromisslosigkeit
Eintracht-Bestwerte auch bei den drei Innenverteidigern: Rasmus Kristensen spielte 85 Pässe, derer 23 im letzten Drittel, und fing drei gegnerische Bälle ab. Arthur Theate verzeichnete neben sieben klärenden Aktionen 106 Ballkontakte und drei Torschüsse. Robin Koch brachte 76 seiner Zuspiele an den Mann, 96,2 Prozent ist ebenfalls die stärkste Quote unter allen Adlern in der Startformation.
Links: Kaltschnäuzigkeit
Mit seinem dritten Saisontreffer ist Nathaniel Brown nun der torgefährlichste nominelle Verteidiger hinter Leipzigs Willi Orbán und Freiburgs Lukas Kübler, die je vier Buden markierten. Wohlgemerkt: Der 21-Jährige benötigte dafür sieben Partien. Browns Wumms zum zwischenzeitlichen Ausgleich brachte in der Spitze 113,3 Kilometer pro Stunde auf den Tacho – es war das Tor mit dem höchsten Tempo am 14. Spieltag.
Die Entstehung des 1:1 kann als Blaupause dienen, was geduldiges Aufbauspiel (vgl. Grafik) und individuelle Finesse wie bei der Vorlage von Can Uzun mit einem Kontakt bewirken. Nach dem ersten Bundesliga-Assist beim Startelfdebüt von Uzun, der im Sommer wie Brown vom 1. FC Nürnberg an den Main gewechselt war, war Brown hin- und hergerissen: „Natürlich war das während der Szene schön. Wir haben uns gemeinsam gefreut, weil es ein bisschen an die damalige Zeit erinnert hat. Auf der anderen Seite bringt uns das am Ende nichts, wenn wir verlieren.“
Thema Gegentore. „Wir haben in manchen Situationen nicht die nötige Aufmerksamkeit und müssen einfach daraus lernen, dass in diesen engen Spielen jeder Fehler bestraft wird. Wir haben in den vergangenen Spielen oft zu einfache Fehler gemacht. In diesem Prozess stecken wir gerade. Es ist eine Entwicklung, die wir gehen müssen“, beschloss Krösche seine Bestandsaufnahme.
Das beste Beispiel findet sich vielleicht ausgerechnet auf der Gegenseite. Auch Leipzig hat in der Liga zuletzt vier Spiele nicht gewonnen, von zwölf möglichen Zählern einen einzigen geholt. Zwei Dreier später liegen die Roten punktgleich mit der Eintracht auf Rang vier.
Ausblick: Kehraus
Soweit tabellarisch also mehr als alles im Lot. Erst recht, sollte am Samstag der Kehraus 2024 gegen den 1. FSV Mainz 05 gelingen. „Wir bereiten uns ganz normal auf das Spiel vor. Selbstverständlich möchten wir mit einem positiven Ergebnis in die Winterpause gehen und unseren Fans ein vorweihnachtliches Geschenk machen“, freut sich Toppmöller, „dass wir endlich wieder zu Hause spielen können“. Denn: „Das gibt uns nochmal Kraft und ...“ – da ist er wieder – „... Rückenwind.“