01.02.2021
Historie

„Mit Luft anhalten hat’s geklappt“

Armin Veh wird 60 Jahre alt. Anlass genug, mit ihm auf seine Top-Sechs-Eintracht-Momente zu schauen. Von Hübners Hemd bis Meiers Multipack.

„Ich melde mich morgen, gerne. Liebe Grüße, Armin“. Als sich die Redaktion vor einigen Tagen beim heutigen Jubilar meldet, ist die Terminabsprache für ein Telefonat freilich kein Problem. Armin Veh meldet sich tags darauf, ist gut gelaunt, wirkt gelöst. Über ein Jahr ist das Ende seines – Stand jetzt – letzten Engagements in der Bundesliga her, als Geschäftsführer Sport wirkte er beim 1. FC Köln. Seither lebt Veh wieder dort, wo er seinen Erstwohnsitz schon seit jeher hat: in Augsburg. „Es geht mir gut. Nach 30 Jahren mit Funktionen muss ich im Normalfall nichts mehr machen im Fußballgeschäft“, sagt er, weiß aber auch: „Man soll niemals nie sagen.“

Drei Jahre zwischen den Extremen

Zweimal war Armin Veh Trainer der Frankfurter Eintracht – ebenso wie bei seinem Heimatverein FC Augsburg (bei seiner ersten Station ab 1990) und beim VfB Stuttgart. Mit den Schwaben feierte er seinen größten Erfolg, als er 2007 Deutscher Meister wurde. In Wolfsburg und beim Hamburger SV blieb er danach weniger als ein Jahr, ehe er 2011 an den Main kam; die Eintracht war gerade zum vierten Mal in die Zweite Liga abgestiegen. In drei Jahren durchlebte Veh mit den Adlerträgern das komplette Wellental: Aufstieg, eine furiose erste Saison nach der Bundesligarückkehr mit Platz sechs, UEFA Europa League mit nur einer Niederlage aus zehn Spielen, Platz 15 nach der Hinrunde. Veh zog selbst den Schlussstrich – und war nach einem kurzen Intermezzo in Stuttgart (unter anderem interimsweise Sportlicher Leiter nach dem Weggang des damaligen VfB-Sportvorstands Fredi Bobic) zwölf Monate später wieder zurück im Stadtwald. Nach 27 Partien – und damit exakt genauso vielen wie in Wolfsburg und Hamburg – trennte sich die Eintracht im Abstiegskampf 2016 von Veh.

Zum 60. Geburtstag von Armin Veh hat die Eintracht gemeinsam mit ihrem Aufstiegstrainer von 2011 seine sechs schönsten und mitunter kuriosen Eintracht-Momente herausgesucht.

Hübners Hemd 

„Ich war eigentlich nach Frankfurt gefahren, um mitzuteilen, dass ich nicht zur Verfügung stehe“, erinnert sich Veh an die Geschehnisse im Sommer 2011. Die Eintracht war gerade in die Zweite Liga abgestiegen, Vorstandsboss Heribert Bruchhagen hatte Bruno Hübner als Sportdirektor aus Duisburg geholt. Die erste Amtshandlung für Hübner, der vor wenigen Tagen 60 Jahre alt geworden ist: Einen neuen Trainer finden. Veh weiter: „Bruno und Herri waren so hartnäckig, dass ich schließlich unterschrieben habe.“ Das soll auch flugs verkündet werden, eine Pressekonferenz wird angesetzt, aber der Neu-Coach hat nur ein T-Shirt dabei. „Bei der PK muss es schon ein Hemd sein“, sagt Veh. Des Rätsels Lösung: Hübner stellt eines zur Verfügung. „Bruno war ein bisschen dünner als ich damals. Mit Luft anhalten hat’s geklappt, nur das Sprechen war etwas schwer“, schmunzelt Veh heute über die Hemden-Nummer.

Aufstieg in Aachen

Die Mission für Veh in Frankfurt ist klar: Schnellstmögliche Rückkehr in die Bundesliga. Am 23. April 2012, einem Montagabend, ist es soweit. Am 32. Spieltag machen die Adlerträger in Aachen den Aufstieg klar. Die Eintracht gibt die Tabellenführung bis Saisonende noch an Vehs Ex-Klub Greuther Fürth ab – sei’s drum. Wie war das, als nach dem 3:0-Erfolg auf dem Aachener Tivoli abgepfiffen wird? „Die Erleichterung war natürlich riesig, denn es gab nur dieses eine Saisonziel“, erzählt Veh, der von seinen Spielern auf Händen getragen wird. Später ließ er seine Akteure ohne ihn weiterfeiern. „Als wir in Frankfurt zurück waren, sind die Jungs natürlich noch ausgeflogen. Ich bin da nicht mehr mit.“ Bei einem Glas Wein hat er den Abend ausklingen lassen.

Sensationeller Saisonstart

Frischgebackener Aufsteiger, viele Wechsel im Kader, mit dem jungen Kevin Trapp eine neue Nummer eins, der bei der Pokalpleite in Aue sogleich die Rote Karte sieht – und dann als ersten Gegner den Vorjahresfünften Bayer 04 Leverkusen. Die Voraussetzungen hätten besser sein können. Und was macht die Eintracht? Gewinnt 2:1! Drei weitere Siege folgen, der Grundstein für eine außergewöhnliche Saison. „Das war ein perfekter Einstieg. Mithilfe dieser Siege haben wir es geschafft, dass die Mannschaft schnell zusammengewachsen ist. Das war der Grundstein, denn wir hatten nicht die überragenden Einzelspieler“, fasst Veh zusammen. Die Saison endete mit dem…

...Einzug in die UEFA Europa League

18. Mai 2013, gegen 17.20 Uhr, Blick auf die Livetabelle. Die Eintracht ist Sechster, kann aber noch auf Rang sieben hinter den HSV zurückfallen. Plötzlich: Tor in Hamburg in Minute 90 – für Leverkusen. Über 50.000 Zuschauer in Frankfurt jubeln noch, als Schwegler flankt und Wolfsburgs Verteidiger Rodríguez ein Eigentor zum 2:2 misslingt. Der Geräuschpegel steigert sich noch, die Eintracht spielt definitiv wieder europäisch. „Wir haben natürlich schon in den Wochen vor dem Spiel gespürt, wie heiß die Fans auf internationalen Fußball sind. Dass wir es in so einem Herzschlagfinale geschafft haben, war natürlich ganz groß“, erinnert sich Veh gerne zurück. Und weniger gerne vielleicht an seinen bierdurchtränkten Körper bei der Feier auf dem Spielfeld…

Fahnenschwenker in Frankreich

Nein, Armin Veh kennt man nicht als großes Feierbiest. Er freut sich eher nach innen, wie damals nach dem Aufstieg in Aachen. In Bordeaux ist dies Ende November 2013 etwas anders, auch wenn nachgeholfen werden muss. „Peter Fischer hat mich überredet, nochmal auf den Platz zu kommen“, erzählt Armin Veh. Eine halbe Stunde nach Spielschluss in Bordeaux fordern 12.000 orange gekleidete Fans den Trainer – und bekommen ihn. „Ich war sichtlich gerührt. Das war eine unfassbare Unterstützung, die ich vorher noch nie erlebt hatte.“ Veh schwenkt die große blaue Europapokalfahne, trägt kurz eine orangene Mütze und hat Tränen in den Augen. 1:0 in Bordeaux, die Eintracht überwintert erstmals in diesem Jahrtausend im Europacup – und eine nie dagewesene Fankulisse feiert diesen internationalen Triumph. „Schon vor dem Spiel hatte ich Gänsehaut. Ein sehr bewegender Abend!“

Meier-Dreier beim Comeback

Alex Meier hatte im Eintracht-Trikot sicherlich einige Sternstunden, gilt nicht umsonst bei den Fans als „Fußballgott“. An jenem 12. September 2015 kommt eine hinzu. Erstes Spiel nach Verletzung – und gleich ein Dreierpack beim 6:2 gegen Köln. Kein Wunder, dass Veh seinen Kapitän und Stürmer in höchsten Tönen lobt. „Alex war 2011 ganz wichtig für die Integration der Neuzugänge und ist charakterlich ein ganz feiner Kerl. Vor allem seine Schusstechnik war außergewöhnlich. Dieser Dreierpack war natürlich ein besonderer Moment, weil er nach einem Bänderriss gerade wieder wettkampffähig war.“ Apropos besondere Momente: „Da gab es in meiner zweiten Amtszeit nicht viele“, sagt Veh und lacht ins Telefon. Schwamm drüber. Niko Kovac löst ihn im März 2016 ab, der Rest ist Geschichte.

In diesem Sinne: Alles Gude, lieber Armin!