13.04.2022
Historie

Mythos Camp Nou

Wo Karl-Heinz Körbel gegen Johan Cruyff eine „Lehrstunde“ erhielt, die Fans den Stadionnamen bestimmten und der Platz gar nicht so groß ist, wie viele behaupten. Dichtung und Wahrheit im Detail.

Es ist das erste Mal, dass Eintracht Frankfurt zu einem Pflichtspiel beim FC Barcelona antritt. Und doch ist es keine Premiere, dass die Adlerträger im Camp Nou ran dürfen. 1973 zugunsten der Erdbebenopfer in Nicaragua und drei Jahre später auf Einladung zu einem Turnier war die Eintracht zu Gast in dem größten Stadion Europas und größten reinen Fußballstadion der Welt, zu insgesamt drei Partien. Dabei war das dritte Spiel gegen den Gastgeber vor 90.000 Zuschauern ausverkauft. Karl-Heinz Körbel trug damals das Trikot der Eintracht und erlebte etwas ganz Besonderes. „Ich habe an mir gezweifelt, das kam nicht oft in meiner Karriere vor“, lacht er heute. Grund dafür war kein Geringerer als Johan Cruyff. „Nach der WM 1974 spielten zahlreiche Niederländer beim FC Barcelona, unter anderem Johan Cruyff und Johan Neeskens. Ich musste gegen Cruyff im Mittelfeld spielen. Ich habe nie im Leben mehr so eine Lehrstunde erhalten“, erzählt der Rekordbundesligaspieler, der damals 21 Jahre alt war. „Er war ein Genie. Ich hatte noch nie einen Spieler mit einem solchen Antritt erlebt“, sagt Körbel, der immerhin bei seinem Bundesligadebüt vier Jahre zuvor schon gegen Gerd Müller verteidigt hatte.

Die Eintracht war seinerzeit zu Gast bei der Copa Joan Gamper, einem Turnier zu Ehren des Vereinsgründers. Im Halbfinale hatte die Eintracht ZSKA Moskau 5:3 besiegt, Körbel sorgte für das zwischenzeitliche 5:1. So kam es am 25. August zum Duell mit den Katalanen. „Wir waren zu dieser Zeit öfter in anderen Ländern zu Spielen oder Turnieren eingeladen. Das hatten wir dem Jahrhundertspiel 1960 gegen Real Madrid zu verdanken“, erklärt Körbel, der sich laut Medienberichten „ein hartes Duell im Schlamm“ mit Cruyff geliefert und einen blauen Zeh davongetragen habe. Trotz der 0:2-Niederlage habe die Eintracht „in Barcelona viel für ihr internationales Renommee getan“, hieß es weiter. Durch die beiden Partien im Camp Nou und das Bundesligaduell beim 1. FC Köln wenige Tage später spielte die Eintracht binnen einer Woche vor 220.000 Zuschauern.

Du hast Ehrfurcht in diesem Stadion, das werden unsere Spieler spüren. Diese Orte sind eine andere Kategorie

Karl-Heinz Körbel

Körbel weiß also, wie sich die Spieler am Donnerstag im Camp Nou fühlen werden. „Du hast Ehrfurcht in diesem Stadion, das werden unsere Spieler spüren. Das ist wie in Anfield oder dem Berliner Olympiastadion beim DFB-Pokalfinale. Diese Orte sind eine andere Kategorie“, meint der 66-Jährige und hofft, dass seine Nachfolger diese Ehrfurcht in positive Energie umwandeln: „Das werden sie, dafür sind wir international bekannt.“

Wie man ein wichtiges K.-o.-Spiel auf spanischem Boden gewinnt, weiß unterdessen auch Slobodan Komljenovic. 1993 siegte die Eintracht mit „Slobo“ beim damaligen spanischen Tabellenführer 1:0 und stieß nach demselben Ergebnis ins Viertelfinale des UEFA-Cups vor. „Es war eine Abwehrschlacht. Wir hatten einen Konter, den haben wir vollendet“, sagt Komljenovic, diese Woche wieder für die Fußballschule der Eintracht als Trainer im Einsatz. Über die Chancen der SGE am Donnerstagabend sagt er: „Alle Räume zulaufen wird schwierig, der Platz ist sehr groß. Es wird extrem schwer, aber das Weiterkommen ist nicht unmöglich.“

Apropos Spielfeldgröße: Ein verbreiteter Mythos des Camp Nous sind die Maße des Spielfelds. Viele Spieler und Fernsehzuschauer haben das Gefühl, dass der Platz deutlich länger und breiter als in anderen Stadien ist. Dies hängt aber mit den Ausmaßen und der Architektur des Camp Nous zusammen. Denn das Spielfeld ist mit 105 mal 68 Metern ähnlich groß wie das im Deutsche Bank Park.

Der europäische Fußballtempel mit einem Fassungsvermögen von 99.354 Plätzen wurde im Jahre 1957 eingeweiht und anlässlich der Weltmeisterschaft 1982 auf 120.000 Plätze erweitert. Aufgrund von Sicherheitsbestimmungen der UEFA wurden die Bauarbeiten nach der WM rückgängig gemacht. Seitdem befindet sich die oberste Zuschauerreihe 51 Meter über dem Spielfeld.

Der Name des Stadions stammt von den Fans. Als der FC Barcelona 1957 in seine neue Spielstätte einzog, tauften die Fans diese „neues Feld“. Katalanisch: Camp Nou. Nachdem das Stadion 1973 in Estadi del Futbol Club Barcelona umbenannt wurde, machten sich die Mitglieder im Jahre 2001 für eine Rückkehr des früheren Namens stark. Zur kommenden Spielzeit wird das Stadion Spotify Camp Nou heißen, was auf die abgeschlossene Partnerschaft Barcelonas mit dem Streamingdienst zurückzuführen ist. Neben dem Camp Nou befindet sich auf der einen Seite der Friedhof Tanatori de Les Corts, auf der anderen Seite der Barcelona Knowledge Campus, eine Universität die für nachhaltige und innovative Entwicklung steht. Nachhaltig möchte die Eintracht ihren Auftritt im Camp Nou gestalten – und diesen mit dem Einzug ins Halbfinale veredeln.