08.04.2022
Europapokal

Namen machen

Nicht nur die sportlichen Zahlen gegen Barca verblüffen, auch die TV-Quoten. Zudem stellt Frankfurt einen Rekord gegen spanische Teams auf. Das honoriert auch die internationale Presse.

Geschichte des Spiels: Ein Hauch von Bestia Negra

Der Begriff „La Bestia Negra“ ist in Spanien ein geflügeltes Wort, nicht nur, aber immer wieder auf den Fußball bezogen. Gerade wenn in der Vergangenheit Real Madrid gegen den FC Bayern ran musste, lebte diese Begrifflichkeit, vermehrt in der deutschen Medienlandschaft, regelmäßig auf. Auch der FC Barcelona hatte in den 1990er Jahren mit der AC Milan einen vergleichbar gefürchteten Widersacher.

Nun, von diesem Status ist Eintracht Frankfurt schon allein aufgrund fehlender vorangegangener Aufeinandertreffen und für gewöhnlich verschiedener Fußballwelten ein gutes Stück entfernt. Der Respekt, der den Hessen nach den 90 Minuten im Hinspiel gegen die Blaugrana von allen Seiten entgegenschlug, ging dennoch weit über die üblichen Höflichkeitsfloskeln hinaus.

Schon vor dem Anpfiff sorgen die Eintracht-Fans für große Gänsehautmomente.

Wenig überraschend sprach Oliver Glasner seinen Schützlingen „ein Riesenkompliment“ aus. „Sie haben alles umgesetzt, was wir uns vorgenommen hatten, waren taktisch sehr diszipliniert, haben wenige Räume zugelassen und mutig und schnell nach vorne gespielt. Ein toller Auftritt!“ Und das achte Spiel hintereinander gegen einen Vertreter aus Spanien, das Frankfurt nicht verloren hat. Das ist länger als jeder andere deutsche Klub in UEFA-Wettbewerben. Möglicherweise doch mehr als ein Hauch von Bestia Negra.

Größte Lobeshymnen gab es ebenso vom Trainerkollegen Xavi, der im Nachgang gefühlt mindestens so viel über Frankfurt wie über seine eigene Mannschaft referierte, um zu begründen, weshalb die Katalanen „wenige Ballaktionen gehabt“ hätten. Wohlgemerkt bei einem Ballbesitzverhältnis von 34 zu 66 Prozent.

Einordnung: Mehr als Kampf und Leidenschaft

Dass die Adlerträger und ihre Anhängerschaft im restlos ausverkauften Deutsche Bank Park ein Maximum an Kampfeslust und Leidenschaft an den Tag legen würden, war zu erwarten. Davon zeugten allein die Erfahrungswerte aus der Vergangenheit gegen Europas Elite. Bevor Spaniens Tabellenzweiter erstmals im Deutsche Bank Park aufschlug, hatten aus Europas Topligen schon der FC Internazionale Milano und Chelsea FC im Herzen von Europa Federn gelassen. Und genau diese Partien dienen als Beleg, dass es zu kurz greifen würde, den Fight im selbsterklärten Jahrhundertspiel allein auf die körperliche und emotionale Ebene zu reduzieren.

 „Wir haben Barcelona sehr genau analysiert. Sie haben fantastische Fußballer. Aber auch wir können Chancen kreieren, das zeigen wir die gesamte Saison“, war es Glasner mehr denn je wichtig, über Eigeninitiative zum Erfolg zu kommen. Stichwort Umschaltaktionen. Gemessen an den Spielanteilen von ein zu zwei Drittel nämlich zeugen die 36 von der UEFA gezählten Frankfurter Angriffe gegenüber den 47 der Gäste anteilsmäßig von einer weit effektiveren Spielweise. 45 zu 37 Ballgewinne, fünf zu eins Abseitspositionen und 16:7 Abschlüsse tun ihr Übriges.

Und damit zur sozusagen nächsten Stufe gegenüber den vorherigen Heimduellen mit Europas Elite. Gegen Barca verhinderte das Eingreifen des VAR einen Elfmeter, was Markus Krösche sportsmännisch als „vertretbare Entscheidung“ anerkannte. Gegen Inter verschossen die Nerazzurri im März 2019 einen Strafstoß und kamen beim 0:0 immerhin auf vier Schüsse mehr als die Iberer. Selbst Real Betis Balompié bewegte sich im Achtelfinalrückspiel chancentechnisch mehr auf Augenhöhe als Barcelona. Und mit dem 1:1 gegen Chelsea vor drei Jahren konnte Frankfurt seinerzeit angesichts 6:16 Versuchen weit besser leben, unabhängig der moralischen Überlegenheit.

Oder um es mit der Einschätzung von Kevin Trapp Donnerstagnacht auf den Punkt zu bringen, der es als etwas „verrückt“ empfand, dass „wir mit einem 1:1 gegen den FC Barcelona vom Platz gehen und das Gefühl haben, dass wir hätten gewinnen können. Ich weiß nicht, wie viele Externe an uns geglaubt haben – wir haben es.“

Zahl des Spiels: 5.310.000

Es ist schwer davon auszugehen, dass die Schar der Gläubiger seit dem 7. April 2022 gewachsen ist. Denn neben den 48.000 Besuchern im Stadtwald und den über 50.000 Hörern auf EintrachtFM vermeldete RTL die höchste Einschaltquote bei einem Europa-League-Spiel seit... richtig, den Europapokalschlachten gegen Chelsea vor drei Jahren. Im Schnitt schalteten 4,28 Millionen Zuschauer ein, in der Spitze bis zu 5,31 Millionen, was unterm Strich einem Marktanteil von 21 Prozent entsprach. Nach dem Seitenwechsel lag dieser sogar bei 23,8 Prozent – fast ein Viertel der deutschen TV-Bevölkerung!

Das schreiben die Medien: Eintracht elektrisiert Espana

Dieser Festtagsstimmung konnte und wollte sich auch die schreibende Zunft nicht entziehen. Die Bild sah eine „Eintracht-Fußball-Party gegen Barca“, die Frankfurter Rundschau einen „Große[n] Kampf ohne Happy End“, DIE WELT eine „Starke Eintracht“. Schlussendlich gilt bei aller Euphorie auch die Sachlage, wie sie die Frankfurter Allgemeine Zeitung darlegte: „Eintracht feiert Barca-Remis wie einen Sieg“ und schloss daraus: „Alles noch drin für die Eintracht“.

Lorbeeren gab es auch aus dem Land des Gegners. „Barca kommt unverletzt aus der Falle heraus“, meinte die Marca. Die Redakteure der AS freuen sich schon jetzt auf das Wiedersehen nächste Woche: „Barca wurde zunächst überfahren, überlebte aber. Riesentor von Knauff, ter Stegen hatte keine Chance. Das Rückspiel verspricht jetzt schon eine Menge“. Und Sport urteilte: „Wahnsinn, wie die Eintracht-Fans ihr Team nach vorne gepeitscht haben. Knauff schießt das Tor seines Lebens. Im Camp Nou wird nun das endgültige Urteil gefällt.“

Ausblick: Sandwich-Spiel im Mittelpunkt

Dafür bedarf es, ohne Wenn und Aber, nicht weniger als eines Sieges in Barcas Fußballtempel am kommenden Donnerstag. „Wir fahren nach Barcelona, um nochmal so aufzutreten“, hält Trapp nach seinem 50. Europapokaleinsatz die Latte hoch. Auch Coach Glasner sieht sich in seiner Marschroute bestätigt und sieht in der Gästerolle nicht mal einen Nachteil: „Wir sind in dieser Saison auswärts einen Tick stärker. Das werden wir aber auch benötigen.“

Gleichzeitig gerät bei keinem in Vergessenheit, dass am Sonntag erstmal das Brot-und-Butter-Spiel gegen den SC Freiburg ansteht, wie Sportvorstand Krösche aufzeigte: Schon am Freitag „geht’s in die Vorbereitung. Freiburg wird ein ganz anderes Spiel.“ Zugleich sei der Abend gegen Barca dahingehend „extrem wichtig“ gewesen, weil er „zeigt, wie wichtig es ist, alles in der Bundesliga zu tun, um nächstes Jahr wieder in der Europa League dabei zu sein“.

Oder um die neue Kreation von Eintracht-Karikaturist Michael Apitz sinngemäß vorweg zu nehmen: Ein Sandwich ist nur so gut wie sein Belag in der Mitte. Allein die erste Scheibe diente als Verkaufsschlager. Am Namen arbeiten die Adler mit Nachdruck.