13.03.2023
Historie

Interview: „Nicht Hop oder Top“

Erwin Hoffer traut der Eintracht gegen Napoli die Überraschung zu, zeigt mehrere Szenarien auf, erwartet ein offenes Duell, erinnert sich gerne an die Zeit in Frankfurt und Neapel und wagt eine Prognose.

Erwin, was hättest Du entgegnet, wenn Dir zu Deiner Zeit in Frankfurt jemand gesagt hätte, die Eintracht hätte rund ein Jahrzehnt später die Chance, zu den besten acht Klubs in Europa zu gehören?
Schwierig zu sagen. Hätte uns und den Fans damals jemand erzählt, ihr gewinnt den Europapokal und spielt daraufhin im Champions-League-Achtelfinale in Neapel, hätte das jeder unterschrieben. Genau so ist es mit der SSC Napoli. Hätte ihnen zu meiner Zeit jemand erzählt, sie würden 2023 die Serie A mit 18 Punkten Vorsprung anführen, hätte das auch keiner geglaubt. Jetzt ist natürlich der Zeitpunkt, an dem jeder weiterkommen möchte, die Wahrnehmung ist eine andere. Deshalb müssen beide Seiten aber unabhängig vom Ausgang am Mittwoch sehen, dass sie schon jetzt sehr viel erreicht haben.

Welche Erinnerungen hast Du an Deine Zeit in Frankfurt?
Als ich 2011 zur Eintracht kam, war das erklärte Ziel des Klubs, des Teams und auch der Fans der direkte Wiederaufstieg. Das haben wir unter Armin Veh erreicht und bleibt für immer haften. Im Großen und Ganzen ist die Eintracht seitdem kontinuierlich besser geworden, spätestens nach der Relegation 2016 – ein schlechtes Jahr kann im Fußball immer vorkommen – gab es in jeder Saison mindestens ein sportliches Highlight.

Gibt es Kontakte von früher?
Nicht mehr regelmäßig, hin und wieder tausche ich mich noch aus; und zu Geburtstagen gratulieren wir uns natürlich. Grundsätzlich bin ich dem Verein eng verbunden geblieben, weil ich sehr positive Erinnerungen habe, die ich nicht vergesse. Viele Grüße übrigens an dieser Stelle an meine alten Kollegen Seppl und Trappo!

Wie kam damals die Leihe aus Neapel zustande?
An sich war die Sache relativ einfach: Neapels Manager kam auf mich zu, ob ich mir Frankfurt vorstellen könnte. Wie eine Leihe habe ich das auch nicht wahrgenommen, ich glaube, das war damals ein üblicher Kompromiss, wenn sich zwei Vereine nicht in allen Punkten einig waren. So oder so musste ich nicht lange überlegen und es war zu 100 Prozent der richtige Schritt.

Zur Person

Erwin „Jimmy“ Hoffer zählt zur bis heute letzten Aufstiegsmannschaft von Eintracht Frankfurt. In der Saison 2011/12 trug der schnelle Stürmer in 30 Spielen mit neun Toren und fünf Vorlagen zur direkten Rückkehr ins deutsche Fußballoberhaus bei. Nach sechs Einsätzen in der Bundesliga kehrte Hoffer im Januar 2013 zur SSC Napoli zurück, wohin Hoffer 2009 von Rapid Wien gewechselt war.

Es folgten weitere Stationen in Deutschland beim 1. FC Kaiserslautern, Fortuna Düsseldorf und Karlsruher SC sowie in Belgien beim Beerschot V.A. und in seiner österreichischen Heimat bei Admira Wacker Mödling. Seit Sommer 2021 ist der 35-Jährige vereinslos.

Was verbindest Du mit Deiner Zeit in Neapel?
Zuallererst war es meine erste Profistation außerhalb von Österreich – und für mich eine komplett neue Welt. Das wird auch immer so bleiben. Ich weiß noch, als wir ein Heimspiel gegen Milan hatten. Ich glaube, das Fassungsvermögen wäre um die 77.000 gewesen. Trotzdem war von den Treppenaufgängen nichts mehr zu sehen, es müssen also wesentlich mehr Menschen drin gewesen sein als erlaubt. Ich habe nur gedacht: So etwas gibt es nicht! Es entsteht ein unglaublicher Druck, wenn die Leute laut werden. Für solche Momente spielst du Fußball.

Dieses Erlebnis bleibt unseren Fans leider versagt.
Ja, ich habe davon mitbekommen und finde es wirklich schade, weil sie wahrscheinlich das Stadion alleine hätten füllen können. Aber ich sage, je nach Spielverlauf muss es kein Nachteil sein. Geht die Eintracht in Führung, kann schnell Unruhe aufkommen und sich auf die Heimmannschaft übertragen. Jeder kennt es: Der Favorit kommt ins Schwimmen, die langen Bälle fliegen rein und die Eintracht ist dran. Als Spieler kannst du die Umstände ohnehin nicht beeinflussen. Es gilt einzig und allein, zu 100 Prozent bei der Sache zu sein. Jeder möchte sich doch auf dieser Bühne beweisen, jetzt kann er es. Die Jungs sollen sich keinen Druck machen und einfach das spielen, was sie draufhaben. Eine große Rolle spielt der Trainer, Oliver Glasner hält die Mannschaft zusammen. Ich habe die Eintracht als Verein kennengelernt, in dem jeder für den anderen einsteht. Die Denkweise muss sein: Die Fans sind zwar nicht vor Ort, aber in Gedanken bei uns, und wir tun alles dafür, dass wir für sie in die nächste Runde einziehen.

Wie hast Du damals die Verehrung von Diego Armando Maradona wahrgenommen?
Vor meinem Wechsel hatte ich schon davon gehört, dass Diego dort heilig ist. Ich habe erst gesagt: ja, okay. Aber wenn man erstmal angekommen ist in Neapel, im Stadion und in den Stadtvierteln die Plakate und Fahnen sieht und die Lieder über ihn hört... überall Maradona! Wer gegen ihn etwas sagt, hat ein Problem (lacht). Jetzt haben sie ja die Situation, erstmals, seit er Spieler war, die Meisterschaft gewinnen zu können. Jeder fragt sich: Warum wird Argentinien ausgerechnet nach seinem Tod Weltmeister und im Jahr darauf wahrscheinlich die SSC Meister? Manche glauben an Zufall, aber vielleicht soll es einfach so sein. Ähnlich wie mit Jürgen Grabowski 2022.

In Österreich hast Du elf Mal gegen den damaligen Innenverteidiger Oliver Glasner gespielt. Welche Erinnerungen hast Du an die direkten Duelle?
So richtig kann ich das nicht mehr wiedergeben, ohne alte Szenen gesehen zu haben. Daran merkt man, wie lange diese Phase in Österreich zurückliegt.

Es geht zunächst darum, dagegen zu halten, zu marschieren. Genau das zeichnet die Eintracht aus.

Erwin Hoffer

Wie ist Deine Wahrnehmung von ihm als Trainer?
Allein von dem, was man hört und liest und anhand dem, was er auf seinen Stationen erreicht hat, nicht zuletzt mit dem Gewinn der Europa League, sprechen die Resultate für sich. Oliver Glasner hat mit der Eintracht schon in kurzer Zeit Dinge erreicht, von denen man als Trainer nur träumen kann. Es freut mich, dass er das mit einem geilen Klub und mit diesen Fans erleben darf.

Welche Erwartungen hast Du an das Spiel?
Das Schöne an der Ausgangslage ist: Frankfurt darf sich nicht verstecken, weil sie mindestens zwei Tore schießen müssen. Und Neapel kann allein vom Selbstverständnis her und erst recht nicht zu Hause defensiv auftreten. Trotzdem heißt es nach dem 0:2 im Hinspiel nicht Hop oder Top. In Neapel von Beginn an mit offenem Visier anzutreten, wäre wenig ratsam, aber so schätze ich Glasner auch nicht ein. Es geht zunächst darum, dagegen zu halten, zu marschieren. Genau das zeichnet die Eintracht aus. Ein 1:0 zur Pause wäre perfekt, aber selbst in der 70. Minute ist nichts sicher. Niemand wird Neapel unterschätzen, aber auch Frankfurt ist alles andere als ein Freilos.

Bis 2021 warst Du nach vielen Jahren unter anderem in Wien, Italien und Deutschland bei Admira Wacker am Ball. Wie ging es seitdem weiter?
Nach vielen Jahren im Ausland genieße ich die Zeit mit Familie und Freunden im Raum Graz, kann bei vielen Geburtstagen dabei sein und habe mehr Zeit für private Hobbys wie Karpfenangeln. Aber ich habe meine Karriere nicht beendet und bin für alles offen, wenn sich etwas ergibt.

Wie geht’s am Mittwoch aus?
Wenn ich mich festlegen muss, schafft Frankfurt ein 2:0, die Null muss einfach so lange wie möglich stehen. Dann hängt es vom Zustandekommen ab. Fällt das Tor in den Schlussminuten, ist Neapel gebrochen. Hat das Ergebnis länger Bestand, und die Eintracht muss es erstmal über die Zeit retten, spricht mehr für ein Elfmeterschießen...