01.02.2019
Interview

„Nicht zufriedengeben“ – Fredi Bobic im ausführlichen Interview

Sportvorstand Fredi Bobic spricht über die eigene Erwartungshaltung und erklärt die Zweigleisigkeit in Form perspektivischer Ideen und kurzfristiger Notwendigkeiten.

Fredi, einmal mehr liegt eine stressige Phase hinter dir. Welches Fazit ziehst du nach der abgelaufenen Transferperiode?
Eigentlich verlief der Januar für uns vergleichsweise entspannt, weil wir viele Dinge bereits im Dezember abgewickelt und uns etwa mit Sebastian Rode verstärkt sowie einige Spieler abgegeben haben. Dann kam der Abgang von Carlos Salcedo, der nicht unbedingt geplant war, aber letztendlich sowohl für ihn persönlich, als auch aus ökonomischer Sicht für den Verein Sinn ergeben hat. Danach haben wir ein, zwei Spiele abgewartet und diese gemeinsam mit dem Trainer bewertet. An Tuta waren wir schon vor dem Trainingslager interessiert. Auch Almamy Touré war schon länger in Planung. Zunächst für den Sommer, nun hat es schon früher mit einem Wechsel geklappt. Die Möglichkeit mit Martin Hinteregger hat sich kurzfristig ergeben. Wir hatten nur ein kleines Zeitfenster und haben aus voller Überzeugung zugeschlagen.

Ihr habt am Deadline Day mehr Spieler verpflichtet als viele andere Bundesligisten. War das vorher in dieser Form zu erwarten?
Ehrlich gesagt nicht. Aber gerade die Transfers von Tuta und Touré sind auch als Vorgriff auf den Sommer zu betrachten. Sie besitzen eine große Perspektive, entsprechend ist es von Vorteil, wenn sie ein halbes Jahr länger zur Eingewöhnung haben. Normalerweise bin ich kein Freund davon, im Winter vier oder fünf Spieler zu verpflichten, weil sonst die Balance verloren gehen kann. Obwohl der Kern unserer Mannschaft steht, haben wir jetzt so gehandelt. Auch weil wie aktuell unser Kapitän David Abraham immer mal kurzzeitig jemand ausfallen kann. In diesem Fall war Martin Hinteregger eine Chance, die wir nutzen mussten, weil wir auch kurzfristige Notwendigkeiten nicht aus dem Blick verlieren dürfen. Ähnlich verhielt es sich im Fall Lucas Torró, worauf wir mit der Verpflichtung Sebastian Rodes reagiert haben. Wir haben hohe Ziele, möchten uns oben festbeißen und müssen uns dementsprechend aufstellen – sowohl perspektivisch, als auch kurzfristig.

Bei vielen Abgängen handelt es sich um Leihgeschäfte. Wie siehst du deren Perspektive, danach bei der Eintracht Fuß zu fassen?
Wenn wir nicht an sie glauben würden, hätten wir sie verkauft. Ohnehin ist jede Personalie unterschiedlich zu bewerten. Nicolai Müller wollte öfter spielen, was wir ihm aktuell nicht garantieren können. Er ist ein wichtiger Mannschaftsspieler, der Qualität hat. Mit der Leihe nach Hannover hat sich für alle Seiten eine Win-win-Situation ergeben. Ich sehe ihn im Sommer wieder bei uns. Bei den jungen Spielern wie Deji Beyreuther und Noel Knothe ist es einfach wichtig, dass sie Spielpraxis sammeln, was ohne U23 zuletzt schwierig war. Sie haben sich bei uns gut präsentiert, aber es hat noch nicht gereicht, um sich gegen die Arrivierten durchzusetzen. Es ist wichtig, dass sie die Dinge, die sie bei uns gelernt haben, im Wettkampf anwenden und wieder in einen Rhythmus kommen.

Mit Patrick Finger hat am Freitag ein Eigengewächs vom Riederwald seinen ersten Profivertrag unterschrieben. Wie ist deine Meinung zu ihm?
Patrick sehe ich mir unheimlich gerne an, das habe ich ihm auch gesagt. Ich habe seine Spiele seit zweieinhalb Jahren verfolgt. Er hat eine unfassbar gute Technik und spielt nicht grundlos in der Juniorennationalmannschaft. Vor allem gefällt mir, wie er sich in den Dienst der Mannschaft stellt, auch nicht jammert, wenn er beispielsweise als gelernter offensiver Mittelfeldspieler als rechter Verteidiger aufläuft. Er hat ein unheimlich großes Herz und zweifelsohne das Potential, irgendwann in der Commerzbank-Arena aufzulaufen, auch wenn der Weg noch weit ist.

Ist die U23 ein Thema, das für die Eintracht irgendwann wieder aktuell werden könnte?
Das ergibt für uns keinen Sinn, weil wir dann wieder in unteren Ligen anfangen müssten. Deshalb beschäftige ich mich damit auch nicht weiter. Wir haben mit Hessen Dreieich eine Kooperation geschlossen, die wir bis zum Sommer weiter vertiefen möchten. Für den Jugend- und Übergangsbereich haben wir mit Marco Pezzaiuoli einen absoluten Fachmann dazubekommen, der auf diesem Gebiet sehr fleißig ist. Aber das sind Themen, die nicht wie bei den Lizenzspielern innerhalb eines halben Jahres bearbeitet werden können, sondern länger Zeit benötigen.

Inwiefern ist das Anspruchsdenken in den vergangenen Jahren gewachsen?
Ich glaube nicht, dass wir uns mit dem Erreichten zufriedengeben sollten, auch wenn das für viele Menschen vielleicht normal ist. Ich habe das anders kennengelernt, habe anders Fußball gespielt und bin anders angetrieben, Höchstleistungen zu bringen und sich auch immer selbst zu übertreffen. Dieses Denken findet auch in unserem Funktionsteam statt, wo sehr viele zielgerichtete Treiber unterwegs sind. Das freut mich sehr. Es gibt natürlich gewisse Kenngrößen, vor allem wirtschaftlicher Natur. Wohin es uns führt, werden wir sehen. Fakt ist, dass wir das dritte Jahr hintereinander ohne Abstiegskampf bestreiten, das ist immer die Basis. Deswegen sage ich immer: Wenn wir die Basics geschafft haben, können wir immer noch davon reden angreifen zu wollen. Besser in dieser Reihenfolge, als wenn wir dauernd nach hinten schauen müssen. Ich halte nichts davon, sich vor der Saison zu hohe Ziele zu setzen. Wir haben nicht den Anspruch, Europa öffentlich als Ziel auszurufen. Wenn uns das gelingt, sind alle glücklich. Dass uns das antreibt, ist auch logisch. Trotzdem würden wir damit unsere eigentlichen Möglichkeiten übertreffen.