27.10.2017
Eintracht

"Nichts dagegen, wenn die Serie endlich reißt…“ – Interview mit dem letzten Siegtorschützen in Mainz

Reinhold Jessl hat 1986 für den letzten Sieg der Eintracht in Mainz gesorgt. Im Interview spricht der 55-Jährige über seinen Treffer und seine Einschätzung für die Begegnung am Freitagabend.

Herr Jessl, Sie haben in der Saison 1986/87 für die Eintracht gespielt und zum 1. FSV Mainz 05, dem heutigen Gegner der Adler, eine besondere Beziehung…

Reinhold Jessl: "Das stimmt, darauf werde ich tatsächlich häufiger angesprochen. Vor 31 Jahren hat die Eintracht im DFB-Pokal mit 1:0 gegen den 1. FSV Mainz 05 gewonnen. Ich habe in der Verlängerung für den entscheidenden Treffer gesorgt. Das war kurioser Weise bis heute der letzte Pflichtspielsieg, den die SGE in Mainz feiern konnte."

Welche Erinnerungen haben Sie an diese Partie?

Reinhold Jessl: "Ich erinnere mich noch sehr gut an das Spiel. 16.000 Zuschauer waren im alten Stadion am Bruchweg, es war ein ziemlich regnerischer Tag. Die Mainzer haben es uns damals nicht leicht gemacht, die Partie war ein hartes Stück Arbeit. Unser Trainer Dietrich Weise hat mich in der 80. Minute mit den Worten eingewechselt: ‚Geh rein und mach ein Tor.‘ Und das habe ich dann auch getan. In der 98. Minute ist eine Ecke in den Mainzer Strafraum gesegelt, ein Abwehrspieler der 05er hat deren Keeper Moppes Petz, heute Torwarttrainer der Eintracht, irritiert und so ist die Kugel zu mir gekommen. Ich hab den Ball mit dem Oberschenkel angenommen und im Tor versenkt."

Hätten Sie sich damals ausmalen können, dass das bis heute der letzte Sieg der Eintracht in Mainz bleibt?

Reinhold Jessl: "Auf gar keinen Fall. Damals haben die Vereine ja zwei Klassen voneinander getrennt. Umso kurioser ist es, dass mein Treffer bis heute so besonders ist. Aber das macht mich natürlich auch ein Stück weit stolz. Ich werde häufig auf dieses Tor angesprochen und erinnere mich sehr gerne daran. Andererseits muss ich aber auch sagen: Ich habe nichts dagegen, wenn die Serie endlich reißt…"

Verfolgen Sie die Eintracht noch regelmäßig?

Reinhold Jessl: "Auf jeden Fall. Einerseits habe ich noch ab und an Kontakt zu Spielern von damals, andererseits bin ich eingefleischter Fan. Ich bin häufig bei Heimspielen im Stadion, zuletzt auch gegen Borussia Dortmund. Ich finde es unglaublich positiv, wie sich die Eintracht entwickelt. Wir  haben eine gute Mannschaft zusammen."

Könnte die 31 Jahre anhaltende Serie heute also reißen?

Reinhold Jessl: "Die Chancen stehen gut, irgendwann reißt jede Serie. Unser Team ist gut drauf, und wir spielen guten Fußball. Und die Mainzer haben ein hartes Spiel im DFB-Pokal hinter sich und zudem ein paar Verletzungsprobleme. Andererseits waren wir auch in der vergangenen Saison schon nah dran an einem Sieg und konnten am Ende doch nicht die drei Punkte mitnehmen. Von daher wird das heute keine leichte Angelegenheit. Mainz ist enorm heimstark, da braucht es die richtige Einstellung."

Sie haben letztlich nur ein Jahr für die Eintracht gespielt und sechs Pflichtspiele bestritten. Wieso ist daraus nicht mehr geworden?

Reinhold Jessl: "Zum einen bin ich erst spät, im Alter von 24 Jahren, ins Profigeschäft eingestiegen. Ich bin mit einer Empfehlung von 36 Treffern in der Landesliga, damals die vierthöchste Klasse, zur Eintracht gewechselt. In der Vorbereitung habe ich dann auch gleich die meisten Tore unseres Teams erzielt. Dietrich Weise hat mir zunächst die Kulisse bei einem Bundesligaspiel nicht ganz zugetraut, nach und nach habe ich aber meine Einsätze bekommen. Spätestens als Weise dann irgendwann gehen musste, wurde es für mich schwieriger. Ich habe keine richtige Perspektive mehr für mich gesehen und mich dann für mein normales Berufsleben entschieden."

Wie ging es danach für Sie weiter?

Reinhold Jessl: "Ich habe noch ein paar Jahre in der Oberliga gespielt und bin dort auch gleich auf Anhieb Torschützenkönig geworden. Ich hatte gute Angebote aus der 2. Liga, bin letztlich aber bei meinem Beruf bei der Telekom geblieben. Auch meiner Familie zuliebe. Das Risiko, nach der Karriere nicht mehr richtig den Schritt zurück zu schaffen, war mir damals zu groß. Bis heute arbeite ich bei der Telekom, zudem bin ich seit 1991 auch als Trainer aktiv. Ich habe die A-Lizenz und einige höher spielende Mannschaften trainiert. Heute fehlt dafür etwas die Zeit, weshalb ich den VfB Oberndorf in der Gruppenliga übernommen habe. Aber auch diese Arbeit an der Basis macht mir unheimlich Spaß."