Am Ende überrumpelte die Eintracht sogar die eigene Stadionregie. Als Hugo Ekitiké in der 69. Minute mit seinem vierten Saisontor in der Bundesliga – alle zu Hause – den 7:2-Endstand herstellte, folgte die siebte „Leichte Kavallerie“ mit ein paar Sekunden Verzögerung. Kurz den falschen Knopf gedrückt, passiert schon mal im Eifer des Gefechts. Perfektion als Utopie, außer für Nathaniel Brown, der bei „Drüber gebabbelt – die Spieltagsanalyse aus dem Deutsche Bank Park“ gefragt nach einer Bewertung der Woche von eins bis zehn wie aus der Pistole geschossen antwortete: „Ne 100!“
Uwe Bein meinte mit der Erfahrung aus 43 Lebensjahren und 298 Bundesligaspielen mehr als Brown vor der EintrachtTV-Kamera lapidar: „Bochum hat uns jahrelang immer geärgert. Jetzt haben wir sie mal richtig geärgert.“ Amen. Das 7:2 in sieben Punkten.
1. So gefährlich wie letztmals unter Toppmöller senior
Was Bein wie den meisten in diesem Moment wahrscheinlich nicht bewusst war: Mit den Bundesligatoren 17 bis 23 ballerten sich die Frankfurter Fußballer in historische Sphären, die Bein an der Seite von Jan Furtok, Maurizio Gaudino und Anthony Yeboah vor 31 Jahren selbst mitgeprägt hat. Das letzte Mal 23 Tore nach neun Spieltagen erzielten die Hessen nämlich in der Saison 1993/94 unter Trainer Klaus Toppmöller.
2. Marmoush vor Yeboah und hinter Kane
Apropos Yeboah: Der Ghanaer ist statistisch seit Samstag in einer Weise gewissermaßen entthront. Der Grund heißt – wer hat’s kommen sehen – Omar Marmoush. Der Ägypter setzt sich nach seinem 100. Bundesligaspiel als nächster Topstürmer aus Afrika nach dem Freistoßtreffer zum 2:0 sozusagen die nächste Krone auf; nie zuvor hat ein Adlerträger in der Bundesliga nach neun Runden zehn Tore erzielt. Bei Yeboah waren es neun.
Alle Tore im EintrachtFM-Kommentar
Marmoush zum Zweiten, was den zwei zusätzlichen Assists geschuldet ist. 16 direkte Torbeteiligungen zu diesem Zeitpunkt toppte in der Ligageschichte seit der Erfassung von Vorlagen einzig Harry Kane 2023/24. In der laufenden Spielzeit liegen beide Angreifer nach Scorerpunkten gleichauf.
3. Die Auswahl wächst
Wohl dem, der solche Knipser in seinen Reihen weiß – aber auch gleichzeitig über eine Vielfalt an Scharfschützen verfügt. Nachdem Brown, Mo Dahoud und Can Uzun jeweils ihre erste Bude mit dem Adler auf der Brust verbuchten, steht die SGE nun bei zehn verschiedenen Torschützen im Oberhaus. Ligatopwert gemeinsam mit Bayern München und Bayer 04 Leverkusen.
In der Bundesligageschichte kreisen die Adler mit mittlerweile 288 unterschiedlichen Torschützen an der Spitze vor dem VfB Stuttgart (285).
4. Jeder darf mal
Überhaupt macht’s derzeit die Mischung am Main. Nach der Einwechslung von Timothy Chandler hat Dino Toppmöller 24 Akteuren das Vertrauen geschenkt, einer mehr kam bisher nur bei der TSG Hoffenheim zum Einsatz.
„Wir sehen, dass wir punktuell wichtige Spieler ersetzen können“, nahm der Cheftrainer auf der Pressekonferenz beispielhaft Bezug auf die Newcomer Nnamdi Collins und Nene Brown, die die Ausfälle der bisher etatmäßigen Außenverteidiger Rasmus Kristensen und Arthur Theate kompensierten. „Das ist für den Konkurrenzkampf total belebend. Wie erfrischend Nene Brown Fußball gespielt hat, wie er nach vorne marschiert ist und ballsicher war. Mit welcher Wucht Nnamdi Collins über die rechte Seite durchbricht. Das freut mich total für die Jungs. Sie erhöhen den Konkurrenzkampf massiv!“
5. Beispielhaft: Bahoya von der Tribüne in der Startelf
Ähnlich wie eine Ebene weiter vorne, wo es links Jean-Mattéo Bahoya von der Tribüne direkt in die Startelf geschafft hatte und Ansgar Knauff nach dem energischen 3:0 im dritten Heimspiel hintereinander an einem Tor direkt beteiligt war; nach zuvor zwei Assists.
Knauff lobt deshalb das Handling seines Coachs explizit: „Jeder in unserem Kader hat in den letzten Wochen nicht wenig gespielt. Jeder hat es gut gemacht, haut sich rein. Keiner ist beleidigt, wenn er mal nicht spielt. Das macht uns im Moment sehr stark und das müssen wir uns erhalten.“ Schulterklopfer verteilte der selbst nicht so alte 22-Jährige an die noch jüngeren Youngster:
„Uzun, Brown, Collins sind alle sehr gute Beispiele dafür, geduldig geblieben zu sein, obwohl sie sich vielleicht am Anfang mehr Einsatzzeit erhofft haben. Sie haben die Chance bekommen und auf jeden Fall genutzt. Wir freuen uns für alle und gerade für Can und Nene nach ihren ersten Bundesligatoren. Das haben sie sich verdient!“
6. Fast wie Essen 1974
Brown besorgte derweil mit dem 4:0 in der 32. Minute die zweitfrüheste Vier-Tore-Führung der Frankfurter Bundesligageschichte. Im Oktober 1974, also vor fast genau 50 Jahren, war’s gegen Essen nach 31 Minuten gegessen (Endstand: 9:1). Der Tordebütant bekundete: „Wir sind gut reingekommen, es hat richtig Spaß gemacht. Das Tor hat mir nochmal einen Schub gegeben, jeden Zweikampf zu gewinnen, um der Mannschaft so zu helfen wie sie mir, seit ich hier bin.“
7. Sinnbild Chandler
Einen hob Brown dabei besonders hervor: Timmy Chandler, Frankfurter Eigengewächs und wie Brown in Nürnberg zum Profi gereift, sei „der Vater der Mannschaft. Immer, wenn wir was haben, können wir zu ihm kommen. Die ersten Male, als ich nicht im Kader war, hat er mit mir geredet und mir gesagt, es ist nicht schlimm, ich soll weiter machen.“
Ausblick: Drittes Heimspiel hintereinander
Weiter geht’s nach zwei freien Tagen am Dienstag. Am Donnerstag, 18.45 Uhr, gastiert Slavia Praha im Deutsche Bank Park. Das vierte Match in der UEFA Europa League ist für Frankfurt zugleich die dritte Heimpartie in Serie. Gerne auch wieder garniert mit der einen oder anderen „Leichten Kavallerie“.