Situation
Hinter dem VfL Wolfsburg liegen turbulente Zeiten. Deutscher Meister 2009, DFB-Pokalsieger sowie Vizemeister 2015 – die Wölfe waren im Jagdfieber. Doch seitdem ereilte die Niedersachsen ein schleichender Niedergang. Galt Platz acht 2016 noch als reparabler Betriebsunfall, sprangen die Autostädter dem Erstliga-Tod 2017 und 2018 jeweils erst in der Relegation von der Schippe.
Nachdem seit Februar 2018 mit Bruno Labbadia schon ein prominenter Cheftrainer erfolgreich den Feuerwehrmann spielte, genießt der Ex-Stürmer seit dieser Saison das Vertrauen, Mannschaft und Umfeld wieder auf Linie zu bringen. Unterstützung erhält der frühere Stürmer dabei seit Sommer von Geschäftsführer Jörg Schmadtke und Sportdirektor Marcel Schäfer. Beides Namen, die nicht gerade mit Misserfolg in Verbindung gebracht werden. Der frühere Torhüter Schmadtke führte als Funktionär jeden seiner Vereine ins internationale Geschäft, Schäfer war Leistungsträger der Meistermannschaft 2009.
Die damit verbundenen Ambitionen lassen sich nur erahnen, oberste Priorität genießt kurzfristig eine stabile und sorgenfreie Saison. Dafür verpflichtete der VfL mit Daniel Ginczek und Wout Weghorst unter anderem zwei kantige Mittelstürmer sowie mit Innenverteidiger Marcel Tisserand vom FC Ingolstadt, der nach einem Leihgeschäft fest unter Vertrag genommen wurde, und Rechtsaußen Felix Klaus von Hannover 96 zwei bundesligaerprobte Akteure. Außerdem entpuppte sich der vom HSC Montpellier losgeeiste Jerome Roussillon als Bereicherung für die linke Verteidigung, er erzielte unlängst sogar den Siegtreffer zum 1:0 über Leipzig.
Formkurve
Die viel beschworene Stabilität spiegelt sich weitgehend in der Tabelle wider. Nach einem starken Start mit sieben Punkten aus den ersten drei Spielen ist Platz zehn zwar jenseits von Gut, aber eben auch weit entfernt von Böse. Vor allem konnte Labbadia aus dem Wolfsrudel wieder ein kompaktes Gebilde formen, das in den vergangenen vier Bundesligapartien nur drei Gegentore zugelassen hat.
Trainer
Nicht immer müssen frühere Spielerprofile automatisch eine Aussagekraft über die spätere Philosophie als Trainer haben. Bei Bruno Labbadia aber ist dies der Fall. Der einstige Torschützenkönig der zweiten Liga hat auf all seinen Stationen (Darmstadt 98, Greuther Fürth, Bayer 04 Leverkusen, Hamburger SV, VfB Stuttgart) immer den offensiven Weg gesucht. Auch mangels Spielermaterial oder Geduld seiner Vorgesetzten jedoch nicht immer mit Erfolg. Seit Februar 2018 sucht der gleichzeitig emotionale wie smarte Fußballlehrer in Wolfsburg sein Glück und hat die erste Hürde der Aufbauarbeit erfolgreich bewältigt, indem er dem Team wieder eine unabdingbare Kampf- und Laufbereitschaft vermittelte. Auf dieselbe Weise hatte der gebürtige Darmstädter bereits den Hamburger SV 2015 durch die Relegation geführt.
Taktiktafel
Seit der 52-Jährige in Wolfsburg arbeitete, setzte er lange auf ein 4-3-3-Muster, das sich durch ein laufstarkes Mittelfeld, dribbelstarke Flügelstürmer und vorstoßende Außenverteidiger kennzeichnet. Allerdings steht und fällt die Balance dieses Systems mit dem zentralen Sechser Ignacio Camacho als Taktgeber. Fällt der Spanier aus wie zuletzt, findet meist eine alternative Taktik Anwendung. Mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Doch unlängst gegen Leipzig hatten sich die Akteure im 4-4-2 mit Mittelfeldraute sichtlich wohlgefühlt, als Offensivgeist Maxi Arnold in die Rolle des Abräumers schlüpfte.
Spieler im Fokus: Wout Weghorst
Ob eine oder zwei Spitzen – Wout Weghorst spielt immer. Die Neuerwerbung vom AZ Alkmaar kam in jeder der zwölf Bundesligabegegnungen zum Einsatz, stand elfmal in der Startelf und am wichtigsten: Er rechtfertigt seine Einsatzzeiten, steht bei fünf Saisontoren, steuerte obendrein drei Assists bei und ist damit an der Hälfte aller Wolfsburger Treffer direkt beteiligt. Der niederländische Nationalspieler stellt den Klassiker eines Mittelstürmers dar: 197 Zentimeter sind weit mehr als Gardemaß und münden nicht zuletzt in Schuss- wie Zweikampfstärke. Kein Teamkollege gab mehr als die 20 Torschüsse Weghorsts ab, 50 Prozent gewonnener Zweikämpfe sind für einen Angreifer auch nicht selbstverständlich. Nicht zuletzt bewies die personifizierte Lebensversicherung auch Nehmerqualitäten. Selbst der Verdacht auf eine Gehirnerschütterung hält den Hünen nicht davon ab, aktuell wieder im Mannschaftstraining mitzumischen.