03.02.2021
Bundesliga

Rollenwechsel ohne Identitätsverlust

Das Feld der Frankfurt Verfolger ist gewachsen. Dabei möchten die Adler vor allem eines: sich treu bleiben. Als nächstes bei der TSG Hoffenheim.

Als Fredi Bobic am Montagmittag Sky Sport News HD in der Mixed Zone des Deutsche Bank Park zum Interview empfangen hatte, galt der Anlass eigentlich dem wenige Minuten zuvor verkündeten Sommertransfer von Ali Akman. Zwangsläufig kamen auch grundsätzliche Themen wie der derzeitige und lange Zeit nicht absehbare Lauf der Eintracht auf den Tisch. In seinen Ausführungen ließ der Sportvorstand in einem Nebensatz fallen, was er so ähnlich bereits drei Wochen zuvor im „Doppelpass“ bei SPORT1 aufgezeigt hatte: „Wir müssen uns jeden Sommer ein Stück weit neu erfinden.“ Dass dieser Prozess der Entwicklung und Selbstfindung bisweilen länger dauere als andernorts erwartet, dem war sich neulich auch Adi Hütter bewusst. „Aber jetzt sind wir auf dem Level, auf dem wir sein möchten“, konstatierte der Cheftrainer auf der Pressekonferenz.

Für Bobic wie Hütter geht die neue Spielidentität nicht ausschließlich, aber auch mit dem Systemwechsel zum 3-4-2-1 einher. Das betonte im Rahmen des Mannschaftstrainings am Dienstag ebenso Bruno Hübner, als er auf André Silva zu sprechen kam: „Er profitiert sicher von der Umstellung, findet mit zwei Zehnern im Rücken mehr Räume vor. Zudem haben wir mit Luka Jovic eine zusätzliche Wechseloption, um gegebenenfalls mit zwei Stürmern zu spielen“, erklärte der Sportdirektor.

Fluide Startelf

An der Personalie Silva lässt sich beispielsweise festmachen, welchen Wandel die Adlerträger in den vergangenen Monaten genommen haben. Der Portugiese ist einer von fünf Akteuren, die sowohl am Samstag gegen Hertha BSC als auch in der Hinrunde gegen die TSG Hoffenheim in der Startelf gestanden hatten. Das verdeutlicht, was Hütter bereits zu Saisonbeginn angekündigt hatte: Es werde keine in Stein gemeißelte Startelf geben, die Feldbesetzung könne sich nach vier, fünf Spieltagen auch wieder ändern.

Tatsächlich finden sich im aktuellen Aufgebot eine Handvoll Adler, die erst Mitte der Hinrunde zu Stammspielern avancierten: Zu nennen wären Erik Durm, Amin Younes, auch Makoto Hasebe war in der Verteidigung nicht immer gesetzt, ist aber im defensiven Mittelfeld kaum wegzudenken. Neben ihm nicht zu vergessen Djibril Sow, der am Sonntag wie folgt in die Selbstanalyse gegangen war: „Ich spiele einfach so, wie ich spielen kann und es bereits getan habe. Ich fühle mich wohl in meiner Rolle.“

So wie sich derzeit generell eins ins andere zu fügen scheint. Nach den Abgängen der Routiniers Gelson Fernandes, Jonathan de Guzman und Marco Russ im Sommer sowie David Abraham haben sich neue Hierarchien gebildet beziehungsweise weitergebildet. Coach Hütter ließe sich nicht die Kapitänsfrage offen, wenn er nicht vom intakten Teamgefüge überzeugt wäre: „Das klärt sich endgültig im Sommer. Aktuell ist Makoto Hasebe unser Kapitän, wenn er von Beginn an spielt, weil er am längsten dabei ist. Aber es gibt viele Anwärter auf die Binde und ich bin sehr glücklich, aus vielen tollen Spielern wählen zu können“, lässt der Fußballlehrer den Dingen guten Gewissens ihren Lauf.

Hierarchie neu justiert

Fast überspitzt von Erfolg gekrönt gegen Hertha BSC, als Hasebe erst als Spielführer das Spiel wie gewohnt ordnete und Martin Hinteregger es in den Schlussminuten mit der Binde am Arm per Kopf drehte und zum 2:1 traf.

Übrigens nach Vorlage von Almamy Toure, der somit bereits der 16. Frankfurter ist, der in dieser Spielzeit an einem Treffer direkt beteiligt war. Dass dem wiederum 16 Saisontore von Silva gegenüberstehen, spricht für den gemeisterten Spagat, Unterschiedsspieler mit unterschiedlichen Spielern zu vereinen. Wie wichtig ist, dass die Hessen weiter übers Kollektiv kommen, untermauern sie spätestens seit dem Jahreswechsel in Form ihres neuen Stils: Verve statt Wucht, der sechstmeiste Ballbesitz und die sechstmeisten Pässe, die zweitbeste Chancenverwertung wie Torausbeute der Liga.

Trägt zur Unberechenbarkeit des Frankfurter Ensembles bei: Almamy Toure.

Dabei sind die Adler weiterhin in der Lage, sich in ihren Kontrahenten festzukrallen. Sie führen die viertmeisten Zweikämpfe pro Partie und gewinnen auch die viertmeisten aller Teams. Gegentreffer setzte es nach einer Ecke und einem Konter jeweils erst einen. Was wiederum nicht allein mit Auf-, sondern vielmehr mit Einstellung zu tun hat. Stichwort Konzentration. Und natürlich Konstanz, wie Hasebe nach dem Trainingsauftakt bemerkte: „Die Stimmung ist positiv, wir rufen ein konstant hohes Niveau ab. Deswegen ist der aktuelle Tabellenplatz keine Überraschung. Gegen die Hertha mussten wir uns komplett neu einstellen, weil sie einen neuen Trainer hatten. Doch wir haben die Qualität, gegen jeden Gegner Lösungen zu finden.“ Er hätte ergänzen können: Und in fast jeder Spielstätte. Denn ganz unbemerkt liegt Frankfurt mittlerweile auch in der imaginären Auswärtstabelle auf Platz vier. Auch das Auftreten in der Fremde war in der Vorsaison noch ein anderes.

Die Rollenverteilung hat sich vor dem Aufeinandertreffen mit dem Tabellenzwölften in Sinsheim also verschoben. Ihrer Identität möchten sich die Frankfurter Fußballer nichtsdestotrotz treu bleiben. Am liebsten gepaart mit drei Punkten.

Zum Spiel

Anstoß: Sonntag, 7. Februar, 15.30 Uhr, 20. Spieltag, Bundesliga, 2020/21.
Stadion: PreZero Arena, Sinsheim.
Hörtipp: EintrachtFM sendet ab 15.20 Uhr live.
TV-Hinweis: Sky Sport Bundesliga 1 HD überträgt ab 14.30 Uhr live.

Die Pressekonferenz vor dem Spiel – präsentiert von Krombacher

Die letzten Informationen vor dem Bundesligaspiel erhaltet ihr auf der Pressekonferenz am Freitag, 13 Uhr, mit Cheftrainer Adi Hütter. Live zu sehen auf EintrachtTV und Facebook – präsentiert von Krombacher.