23.06.2021
Historie

Rossi gegen Löw – Duell der Ex-Adlerträger

Wenn am Mittwochabend Deutschland bei der EURO Ungarn empfängt, treffen an der Seitenlinie zwei ehemalige SGE-Spieler aufeinander.

Joachim Löw und Marco Rossi haben beide als Spieler jeweils eine Saison bei Eintracht Frankfurt verbracht. Ab 21 Uhr geht’s für die beiden Cheftrainer mit ihren Nationen um den Einzug in das Achtelfinale der EURO. Löw, bei der deutschen Mannschaft auf Abschiedstournee, steht seit 2006 in leitender Position an der Seitenlinie und wurde 2014 Weltmeister. Rossi übernahm die Ungarn vor fast genau drei Jahren und führte sie nach der verpassten WM-Qualifikation zur zweiten EM-Teilnahme in Folge.

15 Jahre liegen zwischen Löw und Rossi als Adlerträger. Der Deutsche kam zur Saison 1981/82 nach einer durchwachsenen Saison beim VfB Stuttgart an den Main. Auch in Frankfurt erlebte er rein nach den Fakten für einen Stürmer nicht seine beste Zeit, obwohl der Beginn vielversprechend war. Am 8. August 1981 bot Trainer Lothar Buchmann den 21-Jährigen gegen den 1. FC Kaiserslautern von Beginn an auf. Beim Gegner feierte übrigens ein gewisser Bruno Hübner Bundesligapremiere. Ehe der spätere Eintracht-Sportdirektor eingewechselt wurde, hatte die Eintracht bereits auf 2:0 gestellt. Zur Führung hatte dabei Joachim Löw nach 19 Minuten getroffen. An den ersten zwölf Spieltagen markierte Löw vier Treffer, davon drei Mal das 1:0. Am Saisonende kam der Stürmer auf 29 Einsätze in drei Wettbewerben und erzielte fünf Tore. Im Sommer 1982 kehrte er zum SC Freiburg zurück, von dem er zwei Jahre zuvor nach Stuttgart gewechselt war.

Er war ein sehr guter Techniker.

Dragoslav Stepanovic über Marco Rossi

Wesentlich weniger bekannt ist die Vita von Marco Rossi. Aus Brasilien kam der Italiener seinerzeit spät im August 1996 zu den gerade erstmals in die Zweite Bundesliga abgestiegenen Adlerträgern. 14 Einsätze dort und eine Halbzeit beim denkwürdigen 1:6 im DFB-Pokal in Meppen standen ein Jahr später zu Buche, als er wieder in die Heimat zurückkehrte und dort drei Jahre später seine Profikarriere beendete. Er hätte seinerzeit in Frankfurt einen Dreijahresvertrag unterschreiben können, obwohl er 32 Jahre alt war. Unter einem „sehr sympathischen Trainer Dragoslav Stepanovic“ habe er damals trainiert, sagte er einst. Und der „sehr sympathische“ Stepi meint heute über den Rossi von damals: „Er war ein sehr guter Techniker.“

In seiner Heimat wurde Rossi Trainer und landete nach einem Jahrzehnt bei Honvéd Budapest, von dem übrigens Lajos Detari einst zur Eintracht gewechselt war. Den Traditionsverein führte er 2017 zur Meisterschaft, ehe er zum Verband wechselte. Dort beerbte er den Belgier Georges Leekens, dessen Vorgänger wiederum Bernd Storck und Andreas Möller waren. Mit „Co“ Möller hatte sich Ungarn für die EM 2016 und dort gar für das Achtelfinale qualifiziert. „Bernd und ich haben gemeinsam viele Veränderungen angestoßen. Ein neues Trainingszentrum ist entstanden, außerdem hat Bernd an den Strukturen gearbeitet und auf viele grundlegende Dinge Wert gelegt. Man könnte sagen, auf die deutschen Tugenden. Das Ergebnis sieht man heute“, erzählt NLZ-Leiter Möller, der in diesen Tagen als Europameister von 1996 und ehemaliger Funktionär in Ungarn zahlreiche Medienanfragen erhält.

Zwei mit Ungarn-Erfahrung: Marco Rossi im Zweikampf mit Lothar Matthäus während eines Benefizspiels der Eintracht gegen den FC Bayern im April 1997.

Rossi arbeite heute mit Strenge und Fürsorge, habe einen taktischen Plan mitgebracht und sei ein echter Gentleman. So beschreibt ihn die Frankfurter Rundschau dieser Tage. Das gute Ergebnis, das auch Möller erwähnt: 15 Siege aus 31 Länderspielen, die EM-Qualifikation, bei der EURO respektable Leistungen gegen Portugal und Frankreich. „Sie spielen sehr geschlossen und mit unglaublichem Teamspirit“, sagt Möller.

Bleibt zu klären, was den Italiener Marco Rossi 2012 nach Budapest geführt hatte. Es war der Anruf des guten Bekannten und Honvéd-Besitzers. „Mein Großvater Luigi war ein großer Fan der ungarischen Elf, die nach dem Krieg den Weltfußball dominierte. Er hat mir jeden Tag, wenn er mich zum Training fuhr, von dieser Mannschaft erzählt“, zitiert die FR einen seiner Gründe, das Angebot aus Ungarn anzunehmen. Nationalheld Ferenc Puskás beispielsweise gehörte seinerzeit zu den weltbesten Spielern. Auch die Eintracht bekam das im Finale des Pokals der Landesmeister 1960 zu spüren, als Puskas vier Tore für die Königlichen markierte. Womit der Bogen zum heutigen Spiel geschlagen wäre: Es ist das erste Aufeinandertreffen der beiden A-Nationalmannschaften in einem offiziellen Wettbewerb seit der WM 1954, als Puskás und Co. für Ungarn zauberten. Damals duellierten sich beide Teams gleich zwei Mal, mit dem besseren Ende für Ungarn in der Vorrunde (8:3) und Deutschland im Finale (3:2). Im ersten Spiel hatte übrigens Eintrachts Alfred Pfaff ein Tor erzielt. Alles zusammen kann in diesem Jahr nicht eintreten, denn eine deutsche Niederlage würde wohl das Vorrundenaus bedeuten. Und Kevin Trapp könnte zwar mit Deutschland das Finale gewinnen und damit wie Andreas Möller zum Europameister aufsteigen, in die Torschützenliste wird er sich aber wohl kaum eintragen ...