Nackenschläge können erst einmal nachhallen. Das ist normal. So wie bei der Eintracht nach dem späten aus der Hand gegebenen Auftakterfolg in der UEFA Europa League gegen Pilsen, gefühlt mit dem Schlusspfiff fiel der 3:3-Ausgleich für die Tschechen. Ebenso gehört es dazu, sich über diese Momente zu ärgern, diese dann aber auch wegzustecken und Energie daraus zu schöpfen. „Wir wussten, dass es eine sehr schwierige Aufgabe ist, hier zu spielen. Und den Donnerstag mussten wir auch erst einmal aus den Kleidern schütteln“, sagte Cheftrainer Dino Toppmöller am frühen Sonntagabend im Holstein-Stadion.
Das vorab auf dem Rasen Gezeigte belegte: Geschüttelt und die Reaktion gezeigt, die bei allen Adlerträgern für zufriedene Gesichter sorgte. 4:2 (1:1)-Auswärtssieg gegen Holstein Kiel, zum zwölften Mal in Serie gegen einen Aufsteiger in der Bundesliga ungeschlagen und mit zwölf Punkten aus den ersten fünf Spieltagen den zweitbesten Saisonstart seit Einführung der Drei-Punkte-Regel unter Dach und Fach.
Vor allem dank Widerstandsfähigkeit und Robustheit stand am Ende das gleiche Resultat auf der Anzeigetafel wie beim bis dato letzten Aufeinandertreffen im DFB-Pokal 1996: Holstein: zwei: Eintracht nach Treffern von Zchadadse, Ekström, Gaudino und Güntensperger: vier.
Der vierte Bundesligasieg in Serie der Hessen in vier Absätzen.
1. So jung wie seit 1986 nicht
Zwei Mal glich Kiel eine Frankfurter Führung wieder aus, aber die Gäste stecktem den Kopf an der Förde nicht in den Sand – sie überwand Widerstände und belohnte sich. Fünf Veränderungen hatte Toppmöller in der Anfangsformation vorgenommen und sich dabei „sehr bewusst für eine robuste Startelf“ entschieden, wie er später verriet. Auch ihre tiefe Bank half den Adlern gegen die Störche. Auf die erste Elf bezogen sei an dieser Stelle erwähnt, dass mit einem Durchschnittsalter von 23 Jahren und 257 Tagen jüngste Frankfurter Startformation in einem Bundesligaspiel seit April 1986 auf dem Rasen stand. Am Sonntag an der Ostsee, vor knapp vier Jahrzehnten rund 90 Kilometer weiter südlich gegen den Hamburger SV.
2. Omar Marmoush
„Ich freue mich zuerst über eine sehr gute Teamleistung, und Omar ist ein sehr wichtiger Teil des Teams. Er hat ein sehr gutes Spiel gemacht und ist sehr unangenehm zu verteidigen. Er kann mit seinem Speed in die Tiefe gehen, aber auch kurz kommen. Er fühlt sich sehr wohl bei uns und das ist die Voraussetzung für gute Leistungen“, so Dino Toppmöller über Frankfurts Nummer sieben, die gegen Kiel an allen vier Treffern direkt beteiligt war – zwei Tore, zwei Assists. Kurzum, Omar Marmoush …
- … ist in seinem 96. Bundesligaspiel erstmals an vier Toren direkt beteiligt. Seit detaillierter Datenerfassung 2004/05 ist er der erste Frankfurter mit vier direkten Torbeteiligungen in einem Auswärtsspiel im Oberhaus.
- … steht nach seinem Doppelpack bei sechs Saisontoren, führt damit die Torjägerliste der Liga an und stellte einen neuen Vereinsrekord an den ersten fünf Spieltagen einer Bundesligasaison auf.
- … traf in jedem seiner letzten vier Spiele in der Beletage.
„Omar hat den nächsten Entwicklungsschritt genommen. Er hat viele Fähigkeiten, gerade seine Geschwindigkeit. Im Eins-gegen-eins ist er schwer aufzuhalten und mittlerweile hat er auch den Blick für den Nebenmann. Er hat sich gut bewegt zwischen den Ketten und hat auch immer wieder die Tiefe gesucht. Es hilft natürlich immer, wenn du in Bewegung bleibst, um in die Räume zu kommen gegen eher tiefstehende Gegner – wobei Kiel gar nicht so tief gestanden hat. Das hat Omar sehr, sehr gut gemacht“, lobte Sportvorstand Markus Krösche.
3. Igor Matanovic
Gegen Braunschweig in der Ersten DFB-Pokalhauptrunde hatte Igor Matanovic seinen ersten Treffer mit dem Adler auf der Brust erzielt – per Kopf. 41 Tage später stieg der kroatische Nationalspieler nach einem ruhenden Ball – diesmal eine Ecke und kein Freistoß, allerdings auch diesmal getreten von Marmoush – erneut am höchsten und nickte wuchtig zum zwischenzeitlichen 2:1 ein. Und das vor den Augen von Familie und Freunden, der gebürtige Hamburger kennt sich aus im Norden. „Für solche Momente bin ich da. Da kann die Mannschaft, kann der Trainer auf mich zählen. Ich bin froh, dass ich der Mannschaft helfen konnte“, so Matanovic, der am Sonntag den aus Gründen der Belastungssteuerung fehlenden Hugo Ekitiké in der Spitze vertrat.
4. Jubilar Tuta
Für den Brasilianer Tuta war die Partie in Kiel eine besondere: Zum 150. Mal trug der Brasilianer in einem Pflichtspiel das Eintracht-Trikot und versüßte sich diesen speziellen Moment mit einem Tor. Vor der Pause im defensiven Mittelfeld, im zweiten Durchgang in der Abwehr, am Ende in der Torschützenliste – der insgesamt neunte Treffer des 25-Jährigen, der am 3. Oktober 2020 gegen Hoffenheim sein Pflichtspieldebüt für die Eintracht gegeben und am 30. Oktober 2021 sein erstes Tor erzielt hatte. Diesmal lauerte der Verteidiger am Fünfmeterraum, Marmoush legte quer und Tuta markierte den 4:2-Endstand.
Ausblick: Besiktas, Bayern
„Der Sieg war für uns ein sehr wichtiger Schritt. Die Mannschaft ist auf einem sehr guten Weg“, sagte Dino Toppmöller im Anschluss, merkte jedoch auch an: „Wir haben noch Luft nach oben. Wir haben in den letzten beiden Spielen eigentlich gut verteidigt, fünf Gegentore sind aber zu viel – das ärgert mich. Nach vorne sieht es gut aus, nun wäre es wünschenswert, öfter hinten die Null zu haben. Von unserer Verteidigungsmentalität hätten wir öfter ein Spiel ohne Gegentor verdient gehabt, daran werden wir arbeiten.“
Doch wartet auf die Hessen bereits die nächste Englische Woche. Die beginnt mit dem zweiten Spieltag der Ligaphase der Europa League: auswärts gegen Besiktas JK. „Wir freuen uns alle auf dieses Spiel“, so Toppmöller. Anstoß im Tüpraş Stadyumu ist am Donnerstag, 3. Oktober, um 21 Uhr. Drei Tage später folgt das Verfolgerduell im Deutsche Bank Park gegen den Spitzenreiter FC Bayern.