29.05.2022
Eintracht

Ruhm, Ehre und ein Ärgernis

48 Spiele, 29 eingesetzte Spieler, 18 Siege, 13 Niederlagen – und ein (Saison-)Finale für die Ewigkeit. 2021/22 schrieb viele Geschichten. Letzter Teil des Rückblicks.

Es hätte das Jahr werden sollen für Eintracht Frankfurt. Durch einen Kraftakt im Winter binnen weniger Wochen aus dem Tabellenmittelfeld ins obere Drittel gesprungen, wollten die Mannen um Oliver Glasner in der Rückrunde noch einen draufsetzen und den Traum vom internationalen Wettbewerb auch für das neue Spieljahr realisieren. Was schließlich gelang, wenn auch auf dem denkbar unrealistischeren Wege.

Denn die nationale Halbserie, darin sind sich alle Beteiligten einig, lag unter den eigenen Ansprüchen. Rang 15 in der Rückrundentabelle, Position elf in der Endabrechnung, 18 Zähler weniger als 2020/21 – nie war die Differenz zwischen zwei aufeinanderfolgenden Spielzeiten größer – und kein Sieg an den letzten acht Spieltagen zog schließlich 42 Punkte nach sich, so viele beziehungsweise wenige wie letztmals vor fünf Jahren. Der Unterschied ein halbes Jahrzehnt später, klar: Der erste Gewinn der UEFA Europa League respektive des UEFA-Cups eines deutschen Klubs seit 1997!

Das historische Finale der Saison 2021/22: Eintracht Frankfurt ist Europa-League-Sieger!

„Bei aller Euphorie und Wertschätzung, wir haben noch Luft nach oben“, bekannte Markus Krösche entsprechend im Saisonabschlussinterview mit EintrachtTV, während ihn die silberne Trophäe anlächelte. Der Zusammenhang, dass ohne die internationalen Festtage am Ende eine größere nationale Ausbeute möglich gewesen wäre, ist daher keine allzu gewagte Hypothese Gleichwohl äußerte der Sportvorstand auf der Pressekonferenz vor der Sommerpause den Wunsch, „künftig in allen Wettbewerben konkurrenzfähig zu sein – ob im Finale gegen die Rangers oder in der ersten Pokalrunde in Mannheim“.

Am Willen jedenfalls lag es nachweislich nicht. Enttäuschend waren die in den von Oliver Glasner zur Crunchtime ausgerufenen Wochen der direkten Duelle mit Freiburg, Union und Hoffenheim schließlich weniger die Auftritte als letztlich die Resultate. Anders auf europäischem Parkett, als Enthusiasmus und Erfolg Hand in Hand gingen.

Der Schlüsselmoment für Sportvorstand Markus Krösche war der Auswärtssieg gegen Real Betis im Achtelfinale der Europa League.

Als „Schlüsselmoment“ auf der so spektakulär bestrittenen Road to Sevilla macht Krösche ausgerechnet den Auftakt 2022 in Andalusien aus. Als Gruppenerster direkt fürs Achtelfinale qualifiziert, siegte Frankfurt im Hinspiel bei Real Betis Balompié 2:1. Mehr als das reine Ergebnis imponiert dem Sportvorstand: „Wir sind sehr dominant aufgetreten und hätten höher gewinnen können. Im Rückspiel haben wir es etwas spannend gemacht“, so der 41-Jährige. Doch einmal mehr bewiesen die Hessen nach dem 0:1 in der 90. Minute ihre Comeback- und Last-Minute-Qualitäten, als Martin Hinteregger mit der letzten Aktion der Verlängerung das 1:1 erzwang.

In den Wochen befeuerten gleich zwei Neuigkeiten die Euphorie im Herzen von Europa. Zum einen das Superlos FC Barcelona, zum anderen die Nachricht, dass ab April nach über zwei Jahren pandemiebedingter Einschränkungen wieder Vollauslastung möglich sein wird im Deutsche Bank Park. Eine Gemengelage genau zur rechten Zeit, darin sind sich rückblickend alle einig. Ob auf Vorstands-, Trainer- oder Spielerebene, der Tenor ist derselbe: „Ohne die Fans hätten wir das nicht geschafft.“

30.000 Fans machten das Camp Nou gefühlt zur Heimspielstätte.

Allein im Camp Nou tummelten sich mehr Adlerträger als noch zuvor im Heimspiel gegen Sevilla, als 25.000 Zuschauer zugelassen waren. Dazu das fulminante 3:2. La Bestia Blanca war geboren. „Nervös“, gibt Krösche zu, sei er weniger vor diesen Jahrhundertspielen gewesen, sondern vor dem Halbfinale gegen den West Ham United FC. „Auf einmal waren wir in der externen Wahrnehmung nicht mehr der Underdog, sondern der Favorit. Der Eindruck war, wir würden West Ham aus dem Stadion fiedeln. Aber wir wussten, was auf uns zukommt. Das war der Gegner, vor dem ich den größten Respekt hatte“, erklärt Krösche.

Was darauf im Finale folgte, war für den am 1. Juni sein erstes Dienstjubiläum feiernden 41-Jährigen schlicht „ein außergewöhnliches Ereignis. Wenn man sich die Spielgeschichte ansieht, hat man das nicht so oft: Nach dem Rückstand nicht den Kopf verloren, den Ausgleich gemacht, die Rettungstat von Kevin und das Elfmeterschießen“.

Der Erfolg einer Mannschaft hängt ganz stark von den Spielern ab, die nicht so viel spielen, weil sie das Leistungslevel hochhalten und den Konkurrenzkampf anheizen müssen. Ich weiß, wie schwierig das ist, trotzdem im Training Vollgas zu geben.

Sportvorstand Markus Krösche

Am Abend darauf habe er „durch den Autokorso erlebt, was der Klub für die Region bedeutet, wenn man so nah an den Menschen ist und ihnen in die Augen sieht. Das macht den Klub aus“. Neben der Unterstützung des Umfelds macht Krösche einen zweiten sportlichen Faktor fürs Erklimmen des europäischen Gipfels aus. „Der Erfolg einer Mannschaft hängt ganz stark von den Spielern ab, die nicht so viel spielen, weil sie das Leistungslevel hochhalten und den Konkurrenzkampf anheizen müssen. Ich weiß, wie schwierig das ist, trotzdem im Training Vollgas zu geben“, so der Ex-Profi des SC Paderborn. Deshalb sei es ihm auch ein Bedürfnis gewesen, zum Abschluss „den Jungs einmal Danke zu sagen. Darum geht es nach solchen Siegen!“

Quasi als Brücke zwischen den Helden im Hintergrund und denen im Scheinwerferlicht darf getrost Sebastian Rode gelten. Der seit Saisonbeginn offiziell als Kapitän benannte taugte nicht erst im Endspiel nach seinem Kopftreffer zur Symbolfigur der Eurofighter, sondern auch als Sinnbild der von Cheftrainer Glasner seit dem ersten Tag eingeforderten Maßgabe, „immer bereit zu sein, ob für 90 Minuten, eine Halbzeit oder eine Minute“.

Der Lohn für die harte Arbeit: Sebastian Rode stemmt den Europa-League-Pokal am Römer in die Höhe.

Dahingehend ist die persönliche Story des Spielführers für Krösche, früher ebenfalls langjähriger Captain, beispielhaft, wie er ausführt: „Seppl war schon immer wichtig. Er ist ein extrem erfahrener Spieler, der eine unheimlich hohe Qualität hat, aber lange mit Verletzungen zu kämpfen hatte und deshalb keinen Rhythmus hatte. Doch er hat bewiesen: Der Fußball gibt dir zurück, was du investierst. Und er hat unheimlich viel investiert. Im Laufe der Zeit kamen Sperren und Verletzungen anderer Akteure. Als er gebraucht war, war er auf den Punkt da. Dafür hat er hart gearbeitet. Er hat eindrucksvoll gezeigt, wie wichtig er für Eintracht Frankfurt ist, auch als Kapitän.“

Abschließend hält der Sportvorstand fest: „Alle haben unglaublich Großes geleistet. Aber das ist auch eine Verpflichtung, weiter dran zu bleiben, noch besser zu werden und noch intensiver zu arbeiten.“ Das gelte für die Sportler genauso wie für ihn selbst. Krösche verspricht: „Wir geben Gas!“