„Im Herzen von Europa“, „Europacup in diesem Jahr“ und einige Eintracht-Gassenhauer mehr schallten am späten Donnerstagabend in Dauerschleife durch den Stadtwald. Dino Toppmöller traf den Nagel auf den Kopf, als er auf der Pressekonferenz nach dem 6:0 gegen HJK festhielt: „Ein perfekter Abend für alle: Mannschaft und Zuschauer!“ Es kommt selbst in Frankfurt nicht alle Spieltage vor, dass kurz nach dem Seitenwechsel eine Laola-Welle nach der anderen durch die Blöcke geht, den der Gästefans inbegriffen.
Wesentlich leichter herauszufinden war, dass der Kantersieg der höchste der Hessen im Europapokal seit über 30 Jahren war. Am 14. September 1993 gewann die SGE unter Dino Toppmöllers Vater Klaus im UEFA-Cup 6:0 bei Dinamo Moskau. Der marginale Unterschied zur heutigen Generation war die Anzahl verschiedener Torschützen: Maurizio Gaudino, Ralf Weber, Jan Furtok, Uwe Bein, Jay-Jay Okocha und Anthony Yeboah teilten sich das halbe Dutzend gleichmäßig auf. Am 26. Oktober hießen die Torschützen Robin Koch, Omar Marmoush, Tuta, Ellyes Skhiri und der doppelte Éric Junior Dina Ebimbe. Und damit zur ersten von sechs Säulen des Sechserpacks.
1. Säule: Éric Junior Dina Ebimbe
Fünf Torschüsse, mit Ansgar Knauff die meisten, vier davon auf den HJK-Kasten, zwei Treffer, eine Vorlage – Dina Ebimbe schwang sich bei seinem ersten Startelfeinsatz seit Ende September schnell zum Schwungrad auf. Sein verwandelter Strafstoß in Minute zwölf diente als der berühmte Dosenöffner. „Gegen Aberdeen habe ich den Elfmeter provoziert, weshalb Omar geschossen hat. Jetzt hat er zu mir gesagt, dass ich schießen kann“, erklärte der 22-Jährige hinterher bei EintrachtTV die Zuteilung.
Auch aus dem Spiel heraus vermittelte der Allrounder Überzeugungskraft: Sieben Dribblings und 19 Pässe im letzten Drittel sind aufseiten des Gastgebers unerreicht. „Mir persönlich geht es darum, mich in den Dienst der Mannschaft zu stellen. Ich denke, ich konnte dem Team helfen“, meinte Dina Ebimbe. Sein Coach Toppmöller sah es ähnlich: „Für ihn persönlich war es wichtig, dass er ein Erfolgserlebnis hatte. Auch für uns als Mannschaft, weil er durch seine Leistung den Konkurrenzkampf nochmal anheizt und Druck auf die anderen Spieler aufbaut. Am Ende geht es darum, dass er auf intensive Art und Weise Fußball spielt. Das ist eine seiner größten Stärken. Dann kann er für uns ein wichtiger Faktor sein, damit wir erfolgreich sind.“
2. Säule: Farès Chaibi
Ein wichtiger Faktor werden zunehmend die ruhenden Bälle. „Drei Tore nach Standards, drei aus dem Spiel heraus“, rechnete Toppmöller vor. Neben dem Elfer waren es zwei Eckstöße vor der Pause, die Robin Koch und Tuta in die Maschen bugsierten. Als Lieferservice fungierte jeweils Farès Chaibi von der rechten Seite.
„Wir haben das zuletzt öfters trainiert und es trägt Früchte. Farès spielt die Bälle überragend gut rein. Bei der Standardbesprechung unter Stefan [Co-Trainer Buck; Anm. d. Red.] habe ich mich sehr auf das Spiel gefreut, weil wir diese Situationen im Training erfolgreich geübt haben. Umso schöner, dass wir Kapital daraus schlagen konnten“, resümierte Toppmöller.
3. Säule: Jens Grahl
Kein Kapital schlagen konnte Helsinki aus den wenigen Möglichkeiten, die ihnen die dominanten Hessen gestatteten. 24:9 lautete am Ende das Torschussverhältnis aus Sicht der Hausherren. Die Finnen brachten sechs Abschlüsse auf das Gehäuse von Jens Grahl. Alle waren beim Vertreter des gesperrten Kevin Trapp in sicheren Händen. „Die Jungs haben mir ein, zwei Situationen übrig gelassen, die ich entschärfen konnte“, witzelte der 35-Jährige nach seinem Europapokaldebüt und war noch ganz angefasst vom soeben Erlebten: „Für solche Abende habe ich angefangen, Fußball zu spielen. Ich bin sehr dankbar und demütig. Ein schönes Gefühl, das ich länger in Erinnerung behalten werde. Ich bin sehr stolz auf die Mannschaft. Eine richtig geile Leistung!“
4. Säule: Timothy Chandler
Fast kindliche Freude versprühte auch Timothy Chandler mit 33 Jahren. Der dienstälteste Adlerträger kam in der inklusive Nachspielzeit Schlussviertelstunde auf seine ersten Saisonminuten, spurtete den rechten Seitenstreifen hoch und runter, als würde es 0:1 und nicht 5:0 stehen. Bei jedem Ballkontakt des Publikumslieblings ging mehr als ein Raunen durchs weiter Rund.
„Purer Stolz einfach“, empfand Chandler angesichts dieser Reaktionen der Anhänger. „Frankfurt ist mein Zuhause. Wenn du so empfangen wirst bei einem Einsatz, ist das unglaublich. Mein Puls war ziemlich hoch.“ Und dann servierte der Außenverteidiger auch noch Dina Ebimbe den 6:0-Endstand. „Das Wichtigste für mich ist, die glücklichen Gesichter zu sehen“, wiegelte die Nummer 22 hinterher ab.
Nicht so seine Kollegen. Paxten Aaronson bedauerte es fast, seinem US-Landsmann keinen Treffer aufgelegt zu haben, äußerte sinngemäß die gefühlte Verpflichtung, „ihm den Ball zu geben, weil es das ganze Stadion gefordert hat. Fast hätte es geklappt: „Ich habe Timmy gesagt: Ein Meter mehr und ich gebe ihm einen Assist. Vielleicht das nächste Mal!“ Toppmöller war ebenfalls voll des Lobes: „Timmy hat sich für seinen Fleiß belohnt. Es ist nicht immer einfach für ihn, aber er ist ein extrem wichtiger Spieler für uns. Ich glaube, er und wir als Mannschaft haben das ziemlich genossen.“
5. Säule: Hrvoje Smolcic
Genossen hat Willian Pacho eine Pause, nachdem der Ecuadorianer bislang immer in der Startelf und zwei Mal auf Länderspielreisen in Südamerika war. Das Trainerteam darf sich bestätigt sehen, an dessen Stelle Hrvoje Smolcic als linken Innenverteidiger aufgeboten zu haben. Der Kroate gewann nicht nur die meisten Bälle (acht) und die meisten Luftduelle (vier), sondern war auch bei eigenem Ballbesitz zuverlässig: 91 Ballaktionen, 87 Pässe, 78 erfolgreiche Zuspiele sind allesamt SGE-Spitzenwerte, die 90 Prozent Passquote im Angriffsdrittel unter allen Adlern in der Startformation die höchste.
6. Säule: Doppelsechs Götze/Shkiri
Über die gesamte Spielfläche verteilt die anteilsmäßig meisten Bälle an den Mann brachten Mario Götze (91,1) und Ellyes Skhiri (90,6). Stand bisher die Frage im Raum, ob der 31-Jährige eher Zehner oder Achter wäre, antwortete Toppmöller am Donnerstag mit – Doppelsechs. „Im 4-3-3 nennt man es Achterposition, im 3-4-3 eher Zehnerposition, aber der Raum ist der gleiche. Diesmal war es ein bisschen anders, weil er mit Ellyes auf der Doppelsechs verteidigt hat“, zeigte der Fußballlehrer auf.
Für Götze war es der erste Einsatz in diesem Monat nach Ligasperre und Babypause. „Mario hat sich sofort gut eingefügt, war extrem ballsicher. Vielleicht kann er sich noch den einen oder anderen Abschluss nehmen, aber er setzt gerne die anderen in Szene. Seine fußballerische Klasse hilft uns immer“, so Toppmöller.
Ausblick: Der Vizemeister kommt
Als nächstes möglicherweise schon am Sonntag, wenn die Nummer 27 mit der Eintracht in Frankfurt mit Borussia Dortmund einen Ex-Klub im Deutsche Bank Park begrüßt.
Der dritte Sieg am Stück, das gelang letztmals im November vergangenen Jahres, gebe „weiter Auftrieb“, ist Toppmöller vor dem Duell mit dem deutschen Vizemeister sicher. Der 42-Jährige erwartet „einen spannenden Vergleich. Jeder freut sich extrem auf dieses Spiel“. Erstmal sei es wichtig gewesen, am Donnerstag „total fokussiert“ gewesen zu sein. „Das hat uns geholfen und das wird uns auch am Sonntag helfen.“