Sommerpause
In der Sommerpause war das beherrschende Thema zunächst der Trainerwechsel von Friedhelm Funkel und Armin Reutershahn zu Michael Skibbe und Edwin Boekamp. Reutershahn kam noch vor Saisonbeginn als Assistenz-Trainer bei Aufsteiger 1.FC Nürnberg unter, Funkel übernahm im Herbst die kriselnde Hertha aus Berlin. Beide hatten mit ihrer Wahl zumindest sportlich leider wenig Glück. Funkel erreichte mit Berlin immerhin die Zwischenrunde der Europa League, stieg aber aus der Bundesliga ab – nach der Saison trennte man sich wieder. Reutershahn erlebte mit Nürnberg in einer Saison zwei Cheftrainer und begleitete den Club in die Relegation. Nicht ganz den erwünschten Erfolg hatte auch der prominenteste Abgang des Sommers Michael Fink, der sich mit dem türkischen Meister Besiktas Istanbul in der türkischen Liga lediglich für die Europa League qualifizierte und in der Champions League ausschied.
Im Bemühen, den Kader deutlich zu verkleinern, trennte sich die Eintracht außerdem von Junichi Inamoto (Stade Rennes), Kreso Ljubicic (Hajduk Split) und dem ausgeliehenen Kweuke (Energie Cottbus). Zudem wurde Alexander Krük an den VfL Osnabrück verliehen, wo er mit couragierten Auftritten im Pokal und der Liga von sich Reden machte und am Ende am Aufstieg mitwirkte. Habib Bellaid wurde an seinen Ex-Club Racing Straßburg in die zweite französische Liga ausgeliehen, von wo er im Winter zum Erstligisten U.S. Boulogne weiterzog, um Monate später in den WM-Kader der algerischen Nationalmannschaft berufen zu werden.
Mit vier Neuzugängen sollte der Kader verstärkt werden. Mit Ralf Fährmann kam ein talentierter Schlussmann, der perspektivisch zur Nummer „1“ aufgebaut werden sollte, sich allerdings bereits in der Vorbereitung die Mittelhand brach und letztlich nur auf drei Einsätze kam. Maik Franz sollte die Innenverteidigung verstärken, fand sein Glück dann rechts in der Viererkette und avancierte mit 6 Treffern als Verteidiger zu einem der Toptorjäger der Eintracht. Fürs Mittelfeld wurden der ehemalige Hoffenheimer Kapitän Selim Teber und der Leverkusener Pirmin Schwegler geholt, die beide in der Regel zur Stammbesetzung zählten. Der Schweizer Schwegler absolvierte im Herbst seine ersten beiden Länderspiele für die „Nati“ und wurde sogar für den WM-Kader nominiert. Der Defensivakteur, den Trainer Michael Skibbe von seiner vorletzten Station in Leverkusen kannte und nach Frankfurt lotste, glänzte mit Zweikampfstärke sowie Ballsicherheit und kam überdies zu 8 Scorerpunkten.
Eine genauso viel beachtete Personalie stellte Skibbes Entscheidung dar, Christoph Spycher statt den bisherigen Amtsinhabers Ioannis Amanatidis zum neuen Mannschaftskapitän zu ernennen.
Mutig formulierten Mannschaft und Trainer vor dem Anpfiff der neuen Bundesliga-Saison dann ihre Ziele: „Wir wollen eine ähnliche Saison spielen, wie 2007/08 und an die dort erreichten 46 Punkte herankommen“, verriet Michael Skibbe. Am Ende sollte dies mit einer Punktlandung gelingen.
August
Die Saison begann mit einer schwierigen und undankbaren Aufgabe für den neuen Trainer: dem Erstrundenspiel im DFB-Pokal beim Erzrivalen Kickers Offenbach. Eine Niederlage beim Drittligisten wäre eine schwere Hypothek für die neue Ära gewesen, doch dazu kam es nicht. Die Eintracht siegte stattdessen nach mühevollem Beginn letztlich souverän mit 3:0 auf dem Bieberer Berg. Pirmin Schwegler, der zu Saisonbeginn frisch aufspielende Caio sowie Alexander Meier erzielten die Treffer. Es war der Auftakt einer Serie von acht (!) ungeschlagenen Pflichtspielen.
Beim amtierenden deutschen Pokalsieger Werder Bremen, der danach in sämtlichen Wettbewerben für über 20 Spiele ungeschlagen bleiben sollte, konnten die Adlerträger zum Saisonauftakt sensationell mit 3:2 gewinnen. Zwei Treffer steuerte Ioannis Amanatidis alleine in der ersten Hälfte bei, ehe er verletzt ausgetauscht werden musste. Sein Ersatz Martin Fenin erzielte prompt den dritten Treffer. Neben den Torschützen überzeugte vor allem der zweifache Vorlagengeber Selim Teber als Antreiber im Mittelfeld. Weitere Scorerpunkte kamen für ihn in der Bundesliga 2009 allerdings nicht hinzu, inklusive Pokal brachte er es in der gesamten Saison auf 6 Scorerpunkte. Es war schon im ersten Bundesligaspiel unter dem neuen Trainer eine der besten Mannschaftsleistungen der gesamten Saison.
Durch drei Remis’ in den folgenden Bundesligabegegnungen blieb die Eintracht zwar ungeschlagen, trat aber in der Tabelle auch etwas auf der Stelle. Caios Treffer reichte in sommerlicher Gluthitze lediglich zu einem 1:1 gegen den damals noch bärenstarken Aufsteiger aus Nürnberg. In Köln ermauerten sich die Adlerträger ein 0:0, nachdem Patrick Ochs für ein überhartes Einsteigen die rote Karte gesehen hatte. Und gegen Borussia Dortmund reichte die seit langem beste Heimleistung leider nicht zum eigentlich verdienten Sieg. Der dritte und leider vorerst letzte Saisontreffer des bald darauf wieder lange verletzt ausfallenden Amanatidis war der Ausgleich zum 1:1-Endstand.
Ende August liefen noch einmal die Transferspekulationen heiß. In den Medien wurde das Interesse der Eintracht am Brasilianer Lincoln, dem Spielmacher von Galatasaray Istanbul, vermeldet. Der Transfer scheiterte in letzter Minute.
September
Eine erneut gute Auswärtsleistung brachte durch Treffer von Maik Franz und den in den Angriff beorderten Alexander Meier einen 2:0-Sieg bei Aufsteiger SC Freiburg. Im folgenden Heimspiel gegen den Hamburger SV war schon eine große Anstrengung erforderlich, um ungeschlagen zu bleiben. Dank eines Ausgleichstreffers von Marco Russ nach dem Führungstor des in der Hinrunde überragenden HSV-Neuzugangs Zé Roberto konnte die Eintracht nach dem Dortmund-Spiel zum zweiten Mal trotz Rückstandes einer Niederlage entgehen.
Ein wahres Torfestival mit 10 (!) Treffern folgte im DFB-Pokal-Zweitrunden-Heimspiel gegen Zweitligist Alemannia Aachen. Zwei Treffer von Nikos Liberopoulos, ein Eigentor, jeweils ein Treffer von Alexander Meier und Selim Teber sowie der Führungstreffer durch Caio schon in der ersten Minute brachten der Eintracht, die zwischenzeitlich 5:1 in Führung lag und allzu sorglos spielte, den letztlich nie ernsthaft gefährdeten 6:4-Sieg in einem spektakulären Spiel. Es war bereits Caios vierter Scorerpunkt im siebten Spiel – insgesamt brachte er es in dieser Saison auf 8 Scorerpunkte.
„Wenn wir gegen Stuttgart auch so eine Abwehrleistung zeigen…“, ließ sich mancher Nörgler nach dem von den allermeisten Fans enthusiastisch gefeierten Pokalsieg vernehmen. Tatsächlich traf diese Kritik aber im Ergebnis leider zu. Gegen die Schwaben – einerseits in der Champions League für das Achtelfinale qualifiziert, andererseits in der Liga rund um das Eintracht-Spiel herum 13 Spiele lang sieglos – enttäuschten die Adlerträger auf ganzer Linie. Spätestens nach einer umstrittenen roten Karte für Marco Russ (33., Foulspiel an Khedira) war das Spiel beim Stand von 0:2 bereits nach gut einer halben Stunde entschieden. Am Ende konnte die Eintracht froh sein, „nur“ 0:3 verloren zu haben. Es war die erste Niederlage im siebten Bundesligaspiel der Saison.
Oktober
Im Oktober verlor die Eintracht – nach einem 4:2-Testspielsieg auf Griechenlandreise bei Skoda Xanthi – auf Schalke gleich mit 0:2. Die Gastgeber waren in einem ausgeglichenen Spiel effizienter und abgezockter, was bemerkenswert ist, da Felix Magath in der Hinrunde die jüngsten Spieler einsetzte (Durchschnittsalter 24,2 Jahre), die Eintracht dagegen neben Bochum die ältesten Spieler aufstellte (Durchschnittsalter 28 Jahre).
Nach dieser Niederlage entwickelte sich das Heimspiel gegen Hannover zum wichtigsten Spiel der gesamten Hinrunde: bei einer Niederlage hätte man dreimal in Folge verloren und zweimal (in Liga und Pokal) die Bayern als Gegner vor der Brust. Eine denkbar schwierige Konstellation! Glücklicherweise kam es nicht so weit, auch weil Nikos Liberopoulos eines seiner stärkeren Spiele für die Eintracht in der neuen Saison machte und beim 2:1-Heimseige selbst traf sowie den Treffer durch Alexander Meier vorbereitete. Am Ende des Jahres 2009 standen für Liberopoulos, der seinen Rücktritt aus der griechischen Nationalmannschaft verkündet hatte, 9 Scorerpunkte in 29 Spielen zu Buche. Nicht übel. Aber: für 9 Scorerpunkte hatte er im Vergleich 2008 nur ein halbes Jahr und 19 Spiele benötigt. Nachdem der Grieche als Scorer 2010 überhaupt nicht mehr in Erscheinung trat, trennten sich die Wege im Sommer.
Die Eintracht hätte dann fast für einen Paukenschlag gesorgt, als bei den Bayern eine 1:0-Führung nicht gehalten werden konnte. Am Ende konnte der Rekordmeister das Spiel in der ausverkauften Allianz-Arena noch drehen und 120 Sekunden vor dem Ende das 2:1 erzielen. Den Frankfurter Treffer hatte – natürlich – Alexander Meier erzielt, der in dieser Saison wie überhaupt in den letzten Jahren (67 Scorerpunkte in 160 Ligaspielen – und das ohne nennenswerte Beteiligung an Situationen des ruhenden Balles!) der torgefährlichste Adlerträger war. Er war in allen 36 Pflichtspielen mit von der Partie, verpasste nur 69 Minuten wegen Auswechslungen und konnte tatsächlich 19 Scorerpunkte verbuchen, eine deutliche Steigerung seiner ohnehin schon beeindruckenden Quote. Alle seine 12 Treffer erzielte er – bis auf seinen Doppelschlag in Mainz in der Rückrunde – übrigens in der zweiten Halbzeit. So verwundert es nicht, dass die Eintracht sich darum bemühte, den auslaufenden Vertrag des Technikers zu verlängern. Im Winter unterzeichnete Meier für weitere 4 Jahre bis 2014 und wird dann für 10 Jahre das Trikot mit dem Adler getragen haben! Auch ein anderes Urgestein verlängerte wenige Monate später: Oka Nikolov hatte allerdings lange mit einem Angebot aus der US-amerikanischen Profiliga kokettiert.
Weniger erwähnenswert aus Eintracht-Sicht war das folgende Pokal-Achtelfinalspiel gegen die Bayern, welches nach der unglücklichen Niederlage in München Gelegenheit zur Revanche bieten sollte, stattdessen aber kläglich mit 0:4 verloren ging. Dabei hatten nicht wenige der Millionen Fußballfreunde an den TV-Bildschirmen (die Pokalpartie wurde live in der ARD gezeigt) darauf gehofft, dass „David“ dem „Goliath“ ein Bein stellen würde.
November
Im November verschaffte sich die Eintracht durch Treffer von Caio und Maik Franz, der allerdings auch als Schütze eines Eigentores in Erscheinung trat, mit einem 2:1 gegen Bochum wieder etwas Luft in der Liga. Dieser nach dem Pokal-Aus überaus wichtige Erfolg brachte aber keine nachhaltige Verbesserung der Stimmungslage – zu schwach war der folgende Auftritt beim 0:4 in Leverkusen, als die Niederlage bereits nach 11 Minuten angesichts des Spielstandes von 0:3 besiegelt war.
Seine Verärgerung ließ Trainer Skibbe anschließend deutlich spüren, legte den Finger in die Wunde des nach seiner Meinung „zu durchschnittlich“ besetzten Kaders und mahnte Verbesserungen „in allen Bereichen“ an, wolle man nicht „nach unten durchgereicht“ werden.
In der Folgewoche sollte sich die Stimmung auch aus anderen Gründen noch weiter verdüstern. Mitten im dunkel verregneten November entschied sich Hannovers Torwartidol und DFB-Auswahlkeeper Robert Enke für den Freitod, was zu einer Absage des bevorstehenden Länderspiels gegen Chile führte. Der Spaß am Fußball war vielen Anhängern vorübergehend gründlich vergangen. Am Tag des Spiels gegen Mönchengladbach erreichte die Eintracht dann in dieser Stimmung auch noch die Nachricht vom Tod der langjährigen Vereinsmitarbeiterin Ute Hering. Dass das folgende Spiel mit 1:2 (Treffer: Schwegler) verloren ging, geriet ob der traurigen Ereignisse damit fast zur Nebensache.
Im weiteren Saisonverlauf sollte die Eintracht allerdings bis Weihnachten ungeschlagen bleiben. Ausgerechnet beim Wiedersehen mit Friedhelm Funkel in Berlin brachte eine ausgezeichnete Leistung den hochverdienten 3:1-Sieg. Mitentscheidend war dabei der taktische Schachzug von Michael Skibbe, auf ein relativ flaches 4-4-2-Spielsystem umzustellen und zwei schnellen Spielern auf den Außenbahnen große Freiheiten einzuräumen.
Neben Ümit Korkmaz, der endlich die Leistungen der EM 2008 bestätigte und sich bereits mit wenigen Einsätzen schnell wieder in die Herzen der Fans spielte, war dies der nach vorne versetzte Patrick Ochs auf der rechten Seite. Vor allem er überrumpelte die Hertha mit seiner Schnelligkeit und erzielte nicht nur das 1:0 nach feinem Pass von Nikos Liberopoulos, sondern bereitete auch einen weiteren Treffer vor. Insgesamt sammelte unsere Nummer „2“ in dieser Saison beachtliche 10 Scorerpunkte; im ersten Halbjahr 2009 war ihm kein einziger Scorerpunkt gelungen. Maik Franz und Alexander Meier, die beiden erfolgreichsten Torschützen der Hinrunde, die zusammen die Hälfte aller Ligatreffer erzielten, waren für die beiden anderen Treffer verantwortlich. Es war mit / seit dem Spiel in Bremen die beste Hinrundenleistung der Eintracht.
Dezember
Im Dezember konnte das „Derby“ gegen die zuvor 5 Spiele unbesiegten (und danach bis Weihnachten sieglosen) Mainzer mit 2:0 gewonnen werden. Es war das erste Bundesligaduell beider Clubs, welches nicht mit einem Unentschieden endete. Zudem konnte die Eintracht erstmals 2009 zu Hause zu Null spielen und ebenfalls erstmals seit 2009 zwei Bundesligaspiele in Folge gewinnen. Damit gab es in dieser Hinrunde einen relativ konstanten Wechsel zwischen Erfolg und Misserfolg. Nur gelegentlich gab es zwei (niemals mehr) Niederlagen in Folge (Stuttgart und Schalke; zweimal Bayern; Leverkusen und Gladbach) – gelegentlich konnte sich die SGE auch über zwei Siege in Folge freuen (Offenbach und Bremen; Berlin und Mainz).
Die Torschützen gegen Mainz hießen erneut Meier und Franz. Letzterer geriet mehrfach verbal mit dem Mainzer Angreifer Aristide Bancé aneinander, der sich nach dem Spiel zu einer obszönen Geste mit dem Mittelfinger hinreißen ließ. Erst am Tag nach der Niederlage wartete er mit einer überraschenden Erklärung auf: Franz habe ihn rassistisch beschimpft. Diese Behauptung ließ sich jedoch nicht beweisen und Franz wurde deshalb ohne Umschweife vom DFB-Schiedsgericht freigesprochen.
Eine ganz starke spielerische Leistung bei der TSG 1899 Hoffenheim führte nach einem Treffer des mit 106 (meist sehr klug genutzten) Ballkontakten überragenden Pirmin Schwegler zu einem überraschenden, aber hochverdienten Punktgewinn in der neuen Sinsheimer Rhein-Neckar-Arena.. Die Eintracht hatte sage und schreibe 62 % Ballbesitz, was einerseits der Zweikampfbilanz (60 % gewonnene Zweikämpfe) und andererseits der Passsicherheit (66 % der Pässe in der gegnerischen Hälfte kamen an) zuzuschreiben war. So spielerisch reif hatte man die Eintracht in den vergangenen 15 Jahren nur in absoluten Ausnahmefällen gesehen.
Die Partie in Sinsheim war auch das Spiel der „Eigengewächse“: Christoph Preuß feierte nach über zwei Jahren Verletzungspause sein Bundesliga-Comeback, Jungprofi Marcel Titsch-Rivero kam zu seinem Debüt in der höchsten deutschen Spielklasse und U20-Nationalspieler Sebastian Jung, der mit den DFB-Junioren unter Nationalcoach Horst Hrubesch im Herbst eine hervorragende WM in Ägypten gespielt hatte, kam erstmals unter Trainer Skibbe zum Einsatz. So setzte die Eintracht in diesem Spiel sechs (!) Akteure ein, die aus der eigenen Jugend hervorgingen. Dazu liefen weitere drei Spieler auf, die seit mindestens fünfeinhalb Jahren bei der Eintracht spielen – ein Beleg für kontinuierliche Aufbauarbeit! Zum Vergleich: Bei Hoffenheim kam lediglich ein Einwechselspieler aus der eigenen Jugend, der dienstälteste Spieler stand mit Salihovic erst seit dreieinhalb Jahren unter Vertrag.
Beim letzten Spiel der Hinrunde (2:2 gegen die punktgleichen Wolfsburger) trafen bei frostigen Temperaturen erneut Franz und Meier. Hier waren die Gastgeber allerdings mit dem Glück im Bunde, ließ doch der amtierende deutsche Meister gleich mehrere Großchancen fahrlässig aus.
Am Ende stand mit 24 Punkten die beste Hinrunde seit der Herbstmeisterschaft vor 16 Jahren. Von 20 Pflichtspielen konnten die Adlerträger 8 gewinnen und mussten nur 6 Niederlagen hinnehmen. Hinsichtlich des ausgegebenen Ziels von 46 Punkten war die Eintracht trotz der langen Verletzungspausen (Markus Pröll, Ralf Fährmann, Aleksandar Vasoski, Christoph Preuß, Ioannis Amanatidis und Martin Fenin) auf einem guten Weg. Auch eine merkliche Verbesserung der Spielkultur war zu verzeichnen. Letztlich ist dem Vorstandsvorsitzenden Heribert Bruchhagen zuzustimmen, der im Rückblick von einem „wechselhaften Jahr“ sprach, mit dem man im Ergebnis aber „sehr zufrieden“ sein könne.
Januar
Die Eintracht startete auch die Rückrunde mit einem Paukenschlag: Gegner Werder Bremen, immerhin Viertelfinalist der Europa League, Pokalfinalist und am Ende 3. der Bundesliga wurde auch im heimischen Stadion verdient mit 1:0 besiegt. Marco Russ, der 6 Scorerpunkte verbuchte, erzielte mit einem seiner 4 Saisontreffer das goldene 1:0 gegen Werder. Vorstandsvorsitzender Heribert Bruchhagen traf anschließend folgende bemerkenswerte Aussage: „Die Startelf, die gegen Werder auf dem Platz stand, hat uns weniger als 2 Millionen Euro Ablöse gekostet - um hier mal unseren oft gescholtenen Scout Bernd Hölzenbein zu verteidigen! Ich empfinde auch große Dankbarkeit gegenüber unseren langjährigen Spielern wie Ochs, Meier, Köhler und die anderen.“
Das folgende Auswärtsspiel in Nürnberg endete 1:1 (Tor: Köhler) und war das unwiderruflich letzte Spiel in der Karriere von Christoph Preuß. Der große Eintrachtler und tolle Mensch musste nach einer neuen Verletzung endgültig das Handtuch werfen. Ein ärgerliches und unnötiges 1:2 gegen Soldos Maurermeister aus Köln (Tor von Chris) im Frankfurter Schneetreiben verhagelte etwas den guten Start 2010.
Auch im Winter drehte sich wie üblich das Transferkarussell. Steinhöfer wurde leihweise an den 1. FC Kaiserslautern abgegeben, wo er mit den Pfälzern die Zweitligameisterschaft feierte, und Mahdavikia zog es zurück in den Iran. Dafür wurden mit Halil Altintop und Ricardo Clark zwei neue Spieler verpflichtet. Altintop sollte die Verletzungsprobleme im Angriff (Amanatidis, Fenin) kompensieren. Die Verpflichtung des ersten US-Amerikaners bei der Eintracht Clark kann man als Reaktion auf den dauerhaften Ausfall von Bajramovic interpretieren.
Februar
Der neue Monat begann mit einem sportlichen Paukenschlag, als die Eintracht in Dortmund den ersten Sieg seit 1991 einfahren konnte. Man muss wissen, dass der BVB zuvor in 6 Heimpartien (bei 5 Siegen) im eigenen Stadion ungeschlagen und ohne Gegentor geblieben war. Die Mannschaft von Jürgen Klopp spielte überhaupt eine tolle Saison und erreichte am Ende die Europa League. Dennoch zeigte die Eintracht dort eine spielerisch überaus reife Leistung, brachte von 12 Schüssen, 6 auf das gegnerische Tor und konnte mit 3 erzielten Treffern am Ende einen Auswärtssieg bejubeln. Nach der frühen Führung durch Köhler (8 Scorerpunkte), welche die Eintracht durchaus noch hätte ausbauen können, schien der BVB das Spiel wieder an sich reißen zu können. Hummels und Barrios trafen für die Gelb-Schwarzen. Aber die Eintracht drehte erneut auf und zeigte, dass ein Rückstand in dieser Saison so nichtssagend war wie selten zuvor – ein Zeichen, dass das Team enorm an sich glaubte. Keine Mannschaft holte in dieser Saison bei Rückstand so viele Punkte wie die Eintracht. Jung und Meier trafen zu einem verdienten 3:2-Auswärtssieg, an dem insbesondere Altintop in seinem stärksten Rückrundenspiel einen großen Anteil hatte, war er doch stets anspielbar und leitete auch schwierige Zuspiele dank seiner guten Technik sicher weiter. Als Torjäger fiel der türkische Nationalspieler hingegen weniger auf: seine 5 Rückrunden-Scorerpunkte kennzeichnen ihn als spielenden Stürmer, der häufig auf die Flügel ausweicht und selten den Abschluss sucht.
Nach einem Sieg gegen Freiburg (Treffer von Köhler sowie in der Schlussminute von Altintop) sowie einem überaus respektablen 0:0 in Hamburg schnupperte die Eintracht sogar am internationalen Wettbewerb. Mit 35 Punkten aus 23 Spielen belegten die Hessen punktgleich mit den damals sechstplatzierten Bremern den 7. Platz. Vor dem Hamburg-Spiel waren sogar die „Wochen der Wahrheit“ ausgerufen worden, weil die Eintracht in den Spielen gegen die starke Konkurrenz zeigen sollte, ob man wirklich ein ernsthafter Kandidat für das obere Tabellendrittel ist. Nach dem Sieg gegen Freiburg sollten die Hessen allerdings nur noch 12 Punkte in 12 Spielen holen. Der leichte Abwärtstrend begann mit einer Niederlage in Stuttgart, als die Eintracht eine Führung durch Köhler 6 Minuten vor dem Halbzeitpfiff nicht in die Kabine bringen konnte und noch vor der Pause 2 Treffer durch den in dieser Saisonphase überragenden Cacau kassierte. Am Ende stand eine erklärbare Niederlage gegen wiedererstarkte Schwaben, die im Champions League-Achtelfinale zu Hause auch dem großen FC Barcelona Probleme bereiteten.
März
Im März verlor die Eintracht zunächst 1:4 gegen Schalke, als ein Tor von Meier gegen die Standardsituationen und Konter der Gäste nicht ausreichte. Eine weitere Niederlage, das einzige Mal in dieser Saison die dritte in Folge, setzte es in Hannover. Gegen hypernervöse Gastgeber, die tief im Abstiegskampf steckten, verschlief die Eintracht die Anfangsphase, konnte aber durch Altintop vor der Pause ausgleichen. In der zweiten Hälfte waren die Adlerträger zunächst das bessere Team, wurden jedoch durch einen unnötigen Platzverweis für Teber geschwächt, der – bereits gelbverwarnt – den Ball im Mittelfeld mit der Hand spielte. In die Frankfurter Unordnung hinein erzielte Hannover wenige Minuten später den Siegtreffer. Schiedsrichter Gagelmann erkannte noch ein reguläres Tor von Caio ab und stellte mit Franz einen weiteren Frankfurter vom Feld. Die Niedersachsen konnten sich nach einer katastrophalen Saison erst am letzten Spieltag vor dem Abstieg retten.
Es folgten die Frankfurter Frühlings-Festwochen. Zu Gast war der FC Bayern, der spätere deutsche Meister. Auch wenn die Eintracht einmal mehr ein frühes Gegentor (diesmal durch Klose) hinnehmen musste, dominierte Frankfurt die Partie in nicht für möglich gehaltener Weise. 13:7 Torschüsse und 35:5 Flanken standen am Ende zu Buche. Kapitän Spycher, der die Eintracht im Sommer verlassen würde, machte an diesem Tag sein vorletztes Spiel für die Gastgeber und zeigte eine seiner stärksten Leistungen, als er den Münchener Weltstar Robben über die gesamte Spieldauer aus dem Spiel nahm. Auf der rechten Seite begeisterten die unerfahrenen Jung und Heller, die Pranjic und Alaba gehörig durcheinander wirbelten und den Ball immer wieder in den Strafraum brachten. Dennoch schienen sich die Anhänger damit abfinden zu müssen, dass diese ganz starke Leistung nicht belohnt werden würde. Denn clever und teilweise etwas unfair nahmen die Bayern die zeit von der Uhr und schienen die Führung herunterspielen zu können. Dieser Plan ging freilich nicht auf, da die beiden von Trainer Skibbe gut ausgewählten Joker Tsoumou und Fenin kurz vor Schluss trafen und das Stadion erbeben ließen. Bayern war in einem denkwürdigen Spiel geschlagen!
Bemerkenswert war auch das folgende Spiel in Bochum, wo die Eintracht zwar erneut einen frühen Gegentreffer kassierte, dafür aber eine dominante Leistung ablieferte. Die Erwähnung der Treffer von Russ und Caio (nach Vorarbeit des herausragenden Korkmaz) alleine genügt zur Beschreibung wohl ebenso wenig die Auflistung der Statistiken (64 % Ballbesitz, 63 % gewonnene Zweikämpfe, 72 % gelungene Pässe in der gegnerischen Hälfte!). Ergänzend sei daher auszugsweise auf den Spielbericht auf eintracht.de zurückgegriffen: „Sie spielten überaus eindrucksvoll, indem sie von Beginn an eine mutige und zugleich anmutige Vorstellung ablieferten. Während Bochum tief stand und lange Verzweiflungsbälle schlug, die teilweise nur entfernt in die Richtung von Konterstürmer Sestak gingen, ließ das Auswärtsteam den Ball dominant zirkulieren und spielte sich immer wieder bis zum gegnerischen Strafraum durch. (…) Die schon das ganze Spiel über analog zur Mannschaft akustisch dominant auftretenden Gästefans sangen nun im einsetzenden Ruhrpottregen vom Walzer und die Adlerträger gewannen die Spielkontrolle zurück.“
April
Die Eintracht konnte gegen Leverkusen, die Übermannschaft der Hinrunde, die in der zweiten Saisonhälfte aber traditionell stark abbaute, noch einen draufsetzen und feierte am 03.04.2010 ihren letzten Saisonsieg. Den Elfmetertreffer von Teber zur Führung konnten die Gäste durch zwei Tore des Fast-Torschützenkönigs Kießling, der im Sommer mit zur WM durfte, noch in eine eigene Führung verwandeln. Dann aber sah Schwaab fast unmittelbar nach der Führung nach einem Tritt von hinten gegen Korkmaz die rote Karte. Die Hessen entwickelten nun mehr Druck, wobei ihnen einmal mehr ihre Zweikampfstärke (58 % gewonnene Zweikämpfe zugute kam). Nach einer guten Stunde zog Caio aus über 30 Metern ab und brachte ein unglaubliches Geschoss zustande. Der Ball wechselte mehrfach die Richtung und zischte schließlich über den sichtlich verwunderten Adler hinweg an die Unterkante der Latte und ins Tor. Damit war es aber nicht genug, denn erneut bot Frankfurt, nachdem ein Altintop-Treffer zu Unrecht wegen Abseits aberkannt worden war, den eigenen Fans direkt vor der Westkurve einen großartigen „Last-minute-Sieg“ gegen ein Topteam der Liga. Eine Ecke landete auf em Kopf von Meier, der den Ball Richtung Fünfmeterraum beförderte, wo Franz einen lupenreinen Fallrückzieher im gegnerischen Tor versenkte.
Es war das letzte der großen „4+2-Spiele“ dieser Saison. Damit ist gemeint, dass die Eintracht gegen 4 der Top-5-Teams der Liga spektakuläre 3:2-Siege einfuhr (in Bremen und Dortmund sowie gegen Bayern und Bayer) sowie zweimal bei Absteigern dominant auftrat und hochverdient gewann (in Berlin und Bochum). Der Umstand, dass man geneigt ist, diese Spiele um weitere Highlights zu ergänzen (Siege gegen Bremen und Mainz sowie in Offenbach, Schützenfest gegen Aachen, Unentschieden in Hoffenheim und Mainz), zeigt ungefähr, wie viel Freude die Eintracht ihren Anhängern in dieser Spielzeit machen konnte.
Zunehmend musste die Eintracht nun den vielen Verletzungen Tribut zollen. Mit einem Schrumpfkader, der trotz der Hinzuziehung von U23- und Jugendspielern gelegentlich die 18-Mann-Grenze unterschritt, blieben die Hessen ein ernstzunehmender Gegner mit großem Willen, dem für Siege in den Schlussminuten nun allerdings die entscheidende Kraft und Konzentration zu fehlen schien. In Mönchengladbach verlor die Eintracht, als sie auf Platz 8 und nur einen Punkt hinter Hamburg liegend erneut von Europa zu träumen begann, verdient mit 0:2. Das folgende Spiel gegen Berlin endete nach Treffern von Korkmaz und Russ mit 2:2. Wieder einmal war die Eintracht früh in Rückstand geraten – die Hessen waren diesbezüglich der einsame Rekordhalter in dieser Saison. Auch spielte Frankfurt am seltensten von allen Teams zu null, inklusive Pokal 6-mal in 37 Spielen. Die Fans kümmerte es wenig, sie sangen inbrünstig zur Melodie des aktuellen Hits von „Frauenarzt“: „Hey das geht ab, die Hertha steigt endlich ab, steigt endlich ab!“
Das nächste Spiel in Mainz begann als Alexander-Meier-Show. Der „Lange“ erzielte in der Anfangsphase 2 Treffer und scheiterte im dritten Versuch nur knapp an Keeper Müller. Man fühlte sich an das Spiel in Cottbus 2005 erinnert, als Meier am vorletzten Spieltag bei der Weichenstellung für den Aufstieg alle Treffer beim 3:0-Auswärtssieg erzielte. Mainz steckte aber nicht auf und kam ins Spiel zurück. Nach dem 2:2-Ausgleich drohte die Partie zu kippen, doch Korkmaz nahm sich ein Herz und traf aus der Distanz zur erneuten Führung. Sein Aufwärtstrend in dieser Saison war bemerkenswert und schlug sich in der Schlussphase der Saison endlich auch in Scorerpunkten nieder (4 seit dem 28. Spieltag, vorher kein einziger). In der Schlussphase konnte der FSV wieder ausgleichen. Am Ende stand ein für die Eintracht etwas unglückliches, aber insgesamt gerechtes 3:3 zweier Lokalrivalen, die über weite Strecken der Spielzeit Tabellennachbarn waren und bis zum 34. Spieltag auch blieben.
Mai
Die letzten beiden Spiele gegen die Mannschaften aus Hoffenheim und Wolfsburg waren sportlich bedeutungslos und versprachen auch hinsichtlich der Atmosphäre mangels Tradition und Fanbasis der Gegner keine reizvollen Erlebnisse mehr. Ein Treffer von Schwegler reichte gegen Hoffenheim nicht zum Sieg, denn Joker Prince Tagoe gelangen in der Schlussphase noch 2 Kontertreffer gegen die sorglos spielenden Adlerträger. In Wolfsburg war die Eintracht zunächst im Pech als ein regulärer Kopfballtreffer des seit dem Bayern-Spiel regelmäßig überzeugenden Heller wegen angeblicher Abseitsposition aberkannt wurde. Bald darauf traf Heller nur den Pfosten, zur Führung reichte es aber nicht. Stattdessen sorgte die starke Offensive des Noch-Meisters um Torschützenkönig Dzeko für eine 3:0-Pausenführung. Der letzte Treffer der Spielzeit blieb dann den Hessen vorbehalten, die in der Schlussphase durch Altintop verkürzten.
Am Ende steht Platz 10, mehr Siege als Niederlagen und der erfreuliche Umstand, dass die Eintracht für einiges Spektakel sorgte. 56 eigene erzielte Treffer brachten einige Unterhaltung mit sich. Im Durchschnitt fielen in den Spielen mit unserer Beteiligung 3,19 Treffer – nach 2,92 Toren 2008/09 und 2,81 Toren 2007/08 ist das eine beeindruckende Steigerung und ein weiterer Beleg für die gestiegene Attraktivität unseres Spiels. Die Adlerträger gewannen ligaweit mit die meisten Zweikämpfe am Ball und taten sich zudem bei der Genauigkeit ihrer Pässe und Flanken hervor. Man muss allerdings bemängeln, dass zu selten und zu ungenau geschossen wird. In beiden Feldern belegt die Eintracht in der Statistik einen unteren Platz. Nur knapp 140 Schüsse gingen in der Bundesliga auf das gegnerische Tor. Zum Vergleich: der tabellarisch nicht weit entfernte VFL Wolfsburg brachte über 180 Schüsse auf den gegnerischen Kasten.
Mit der Bilanz des Unterbaus konnte man einmal mehr zufrieden sein. Die U23 (Trainerwechsel von Frank Leicht zu Oscar Corrochano während der Spielzeit) spielte eine solide Saison und erreichte mit vielen klaren Siegen ein deutlich positives Torverhältnis. Die U19 von Trainer Slaven Skeledzic hielt sich in der Junioren-Bundesliga von der Abstiegszone fern. Alexander Schur debütierte als Coach der U17 gar so erfolgreich, dass er die Jungs auf Anhieb auf Platz 1 der Staffel Süd/Südwest der Junioren-Bundesliga führte!
Die Eintracht verabschiedete beim letzten Heimspiel der Saison die verdienten und langjährigen Profis Spycher, Preuß, Pröll, Zimmermann und Liberopoulos. Um jeden einzelnen von ihnen ist es mehr als schade, dass sie nicht noch bei uns bleiben konnten! Der Verbleib von Heller, Tsoumou und Altintop ist noch unsicher, ebenso die Rückkehr der ausgeliehenen Krük, Bellaid und Steinhöfer, welche in der Ferne allesamt erfolgreich waren. Zum Ausklang absolvierte Frankfurt noch eine Reise nach Vietnam, wo die Nationalmannschaft des asiatischen Staates mit 2:0 bezwungen wurde. Ein Frankfurter Highlight stellte in gewissem Sinn auch das Champions-League-Finale in Madrid dar, zu dem eine Frankfurter Delegation ehemaliger Spieler und aktueller Verantwortlicher eingeladen wurde, um dem legendären 3:7-Finale gegen Real Madrid vor 50 Jahren zu gedenken.