17.12.2018
Bundesliga

Schnee von gestern

Der Auftritt gegen Bayer 04 Leverkusen machte deutlich: Der Blick geht weiter nach vorne. Ob Verletzungen, Positionsfragen, Ergebnisdellen – alles Schnee von gestern.

Wenige Minuten vor dem Anpfiff war Makoto Hasebe, obwohl verletzt nicht im Kader, gleich zweimal Auslöser tosenden Applauses. Zunächst bekam der Japaner die Auszeichnung zu Asiens internationalem Fußballer des Jahres überreicht. Nachdem die erste Jubelwelle verebbt war, löste die Nachricht von Hasebes Vertragsverlängerung bis 2020 einen neuerlichen Sturm der Begeisterung aus. Dass vom personifizierten Ruhepol nach dem Heimspiel gegen Bayer 04 Leverkusen nicht sofort die Rede war, war den 90 vorangegangenen Spielminuten seiner Teamkollegen zu verdanken.

Fast wie erwartet ließen die Sieger ihrer jeweiligen UEFA Europa League-Gruppen die obligatorische Abtastphase einfach aus, sodass nach einer ersten Halbzeit ohne wirkliches Mittelfeld(-Geplänkel) schon die Statistik, dass beide Kontrahenten gegeneinander noch nie 0:0 gespielt hatten, bestätigt war. Gleichwohl hätten auf beiden Seiten wesentlich mehr Treffer fallen können als die 1:0-Pausenführung durch Danny Da Costa. Oder wie Sportvorstand Fredi Bobic auf das gesamte Spiel gemünzt urteilte: „Letztlich war es dann immer Spitz auf Knopf.“ Aber auch der Nachweis, dass die Eintracht an diesem verschneiten Sonntag die Abwesenheit von Defensivstützen wie David Abraham, Hasebe oder dem bis kurz vor Schluss auf der Bank platznehmenden Jonathan de Guzman kurzfristig besser kompensieren konnte als die Gäste, wo die Kampfmaschinen Lars und Sven Bender sowie Julian Baumgartlinger nicht zum Einsatz kamen. „In der Defensive waren wir in den entscheidenden Situationen, also bei den beiden Gegentoren, nicht aggressiv genug. Frankfurt ist einen Tick robuster aufgetreten“, musste hinterher auch Bayer-Coach Heiko Herrlich einräumen.

Eine Kerze mehr, ein Stürmer weniger

Fast exemplarisch für die Galligkeit des Gastgebers war eine der zahlreichen Pressingaktionen in der forschen Anfangsphase, als Ante Rebic dem Ball bis zu Lukas Hradecky hinterherhetzte. Zwar blieb der Eroberungsversuch nicht vom Erfolg gekrönt, stattdessen erwischte der Vizeweltmeister seinen einstigen Vereinskollegen, was der Finne aber sichtbar sportlich nahm und ohne zu lamentieren weitermachte. Trotzdem sollte es der einzige Treffer im übertragenen Sinne für den Kroaten bleiben, der emsig und abschlussfreudig war, aber keinen seiner fünf Versuche im Kasten unterbrachte. Dass dazu nominell am dritten Advent erstmals seit dem 1:1 beim 1. FC Nürnberg am 9. Spieltag zwei Drittel des sagenumwobenen HaJoRe-Trios gemeinsam auflief, zeigte auch, dass es unter Cheftrainer Adi Hütter keine vermeintliche Stammelf gibt und Leistungen wie die von Mijat Gacinovic beim Spiel bei S.S. Lazio belohnt werden.

Ohnehin ist man gerade seit gestern geneigt, den Heldenkreis zu erweitern, auch wenn Hütter „eine geschlossene und tolle Mannschaftsleistung gesehen“ hatte, zugleich aber lobte: „Was Filip Kostic auf der linken Seite bis zur letzten Sekunde geleistet hat, war beeindruckend.“ Denn die Eintracht nahm die Werkself so konsequent in die Flügel-Zange wie wohl nie zuvor. Sowohl Kostic als auch sein kongenialer Part auf der Gegenseite Danny Da Costa führten Frankfurt mit ihrem jeweils ersten Saisontreffer auf die Siegerstraße. Der Führungstreffer durch Bayer-Eigengewächs Da Costa entsprang sogar einer Koproduktion der flügelstürmenden Außenverteidiger, der vorletzte Pass wiederum kam von Jetro Willems, ebenfalls gelernter Akteur für die defensive Außenbahn und zum zentralen Mittelfeldspieler umfunktioniert. Es ist hinlänglich bekannt, dass das Positionsprofil des Außenverteidigers mit das komplexeste ist und gelernte für die Außenverteidigung geeignete Sportler in vielen anderen Feldbereichen genauso gut aufgehoben sind.

Außen: vor!

Deshalb ist es kein Zufall, dass in den mannschaftsinternen Schlüsselstatistiken allesamt jene drei Akteure an der Spitze liegen. Willems kreierte die meisten Chancen (drei), Kostic hatte die meisten Ballkontakte (75) und Da Costa gewann die meisten Zweikämpfe (62 Prozent). Zum Vergleich: Am 3. Spieltag bei Borussia Dortmund hatte noch mangels gestandener Alternativen Simon Falette den Aushilfslinksverteidiger geben müssen. Gegen Leverkusen gab der Nationalspieler Guineas den Hasebe’schen Libero, als hätte er sein Leben lang nichts anderes gespielt. Zwar mit etwas weniger Auge und der einen oder anderen Grätsche mehr, aber mit demselben Effekt.

Am Ende hatte auch Kevin Trapp wieder seine Hände im Spiel. Der Nationaltorhüter war nicht nur im ersten Durchgang etwa gegen Julian Brandt zweimal zur Stelle, sondern hielt auch in der Nachspielzeit gegen Namens- und Nummern-Vetter Kevin Volland den Sieg fest. Dass der Torhüter selbst beim Stand von 2:0 ungeduldig seine Vorderleute aus der eigenen Hälfte scheuchte, spricht Bände. Der Blick geht weiter nach vorne: Ob Verletzungen, Positionsfragen, Ergebnisdellen – alles Schnee von gestern.