07.01.2019
Trainingslager

Seiner Zeit voraus

Evan Ndicka galt vor der Saison als Versprechen für die Zukunft. Doch dem Teenager gehört längst die Gegenwart.

Wie sehr sich die Wahrnehmung in Bezug auf Evan Ndicka verändert hat, wird allein anhand des Wintertrainingslagers in Tampa ersichtlich. Als die Mannschaft des Neuzugangs im vergangenen Sommer zum ersten Trainingslager ebenfalls in die USA abgehoben war, fehlte die Verpflichtung von AJ Auxerre aufgrund bürokratischer Hürden im Flieger. Stattdessen absolvierte er den ersten Teil der Vorbereitung mit der U19 in Passau. Schon damals fiel die Integration denkbar leicht, zumal sich der Altersunterschied beim damals 18-Jährigen in Grenzen hielt. Der Franzose mit Wurzeln in Kamerun kam als Unbekannter und ging als Vorbild. Sportlich als gestählter Modellathlet, privat als aufgeschlossener Teenager, der regelmäßig mit gleichgesinnten Muslimen betete.

Ein halbes Jahr später hat Ndicka als einer von fünf Frankfurtern alle 17 Bundesligaspiele bestritten, stand in 16 davon in der Startelf und hat 1.519 Spielminuten auf dem Tacho. Nur Danny Da Costa kommt auf zwei Zeigerumdrehungen mehr. Sicher käme nach einer Halbserie eine abschließende Bewertung der Leistungen von Evan Ndicka verfrüht. Doch setzt der 19-jährige Sommerneuzugang die aufgenommene Fahrt auf der Überholspur in auch nur annährend gleichbleibendem Tempo fort, muss das Märchen keine Momentaufnahme bleiben. Im Gegensatz zur U20-Nationalmannschaft, für die der gebürtige Pariser seit gut einem Jahr aufläuft. Noch höhere Weihen spielen für den 1,92-Meter-Hünen derzeit keine übergeordnete Rolle: „Die U21 wäre schön, aber der Fokus liegt auf der Arbeit mit dem Verein.“

Hilfreiches Umfeld

Schließlich weiß der Youngster selbst, dass nicht nur die Eintracht von seinen Fähigkeiten als schneller, robuster und aufmerksamer Abräumer profitiert, sondern auch umgekehrt. Schon vor Monaten verwies er auf den Mehrwert, neben Routiniers wie Abwehrchef Makoto Hasebe und Kapitän David Abraham den linken Part in der dreiköpfigen Innenverteidigung bekleiden zu dürfen, etwa in puncto Stellungsspiel. Aber auch die Tatsache, in der Mainmetropole auf die Landsmänner Simon Falette und Sébastien Haller sowie Sprachtalent Gelson Fernandes getroffen zu sein, habe sich als großer Vorteil erwiesen: „Sie haben mir auf jeden Fall geholfen, waren bereits ein Jahr hier und konnten mir daher alle Abläufe erklären.“

Auf der anderen Seite ist sich der 19-Jährige wohltuend demütig oft genug selbst der nächste, sprach sich beispielsweise nach der 1:3-Niederlage bei Borussia Mönchengladbach selbst eine Mitschuld am Eckballgegentor zu. Und gab schon eine Woche später auf seine Weise die postwendende Antwort, als er die Eintracht beim 4:1-Heimerfolg gegen Hannover 96 mit seinem ersten Bundesligatreffer auf die Siegerstraße brachte. Grundsätzlich zeichnet Ndicka eine für sein junges Alter bemerkenswerte Auffassungsgabe und Lernfähigkeit aus. Zu beobachten etwa beim 1:1 beim 1. FC Nürnberg, als der Import aus dem Land des Weltmeisters nach vier Minuten die Gelbe Karte sah, aber mit Herz und Verstand in die Partie zurückfand, sich nicht verunsichern ließ und letztlich grundsolide agierte.

Ndicka selbst meint, durch die Bundesliga „im taktischen Bereich dazu gelernt“ zu haben. „Hier geht alles etwas schneller als in Frankreich zu, deswegen muss man 90 Minuten hellwach bleiben.“ Auch dieser Tage in Florida erweckt der Senkrechtstarter, der in der vergangenen Saison noch in der Ligue 2 am Ball war, nicht den Verdacht, in Stillstand zu geraten: „Wir dürfen uns nicht ausruhen. Die Hinrunde ist beendet, der Blick geht weiter nach vorne.“