30.01.2022
Team

Straßenkicker mit Imotski-Mentalität

Kristijan Jakic spricht im großen Interview über seinen verstorbenen Großvater, seine Beziehung zu Frankfurt und ein Telefonat mit Ante Rebic.

Kristijan Jakic fällt mit seinem Spielstil sofort auf. Er kratzt, beißt, kämpft und arbeitet auf dem Platz, seit vergangenen Sommer im Trikot von Eintracht Frankfurt. Der Kroate hat für die Chance in der Mainmetropole erstmals beruflich gesehen die Heimat verlassen. Mit der „Eintracht vom Main“ spricht der 24-Jährige anhand von 26 Stichworten mit Anfangsbuchstaben aus dem kompletten Alphabet über seinen verstorbenen Großvater, einen ganz besonderen Ex-Trainer, die Vorzüge von Kroatien und seine Kindheit in einem Ort, der in seiner Heimat einen ganz besonderen Status genießt.

Von A bis Z

So tickt Kristijan Jakic

Ante Rebic

Als der Transfer bevorstand, hat sich Ante bei mir gemeldet und gesagt, dass Eintracht Frankfurt für meine Karriere der richtige Schritt sei. Die Eintracht passe als Klub zu mir und meinen Spielstil. Er meinte, ich könne nichts falsch machen. Wir kommen beide aus Imotski, einer kleinen Stadt, und haben in Split gespielt. Als Ante bei den Profis war, war ich Jugendspieler. Wir kennen uns also schon sehr lange.

Boban, Zvonimir

Persönlich kenne ich ihn nicht. Aber er war ein sehr guter Fußballer und Kapitän der kroatischen Nationalmannschaft.

Croatia

Kroatien ist mein Heimatland und für mich einzigartig. Ich liebe das Meer und die Küste. Egal, welche der über 1000 Inseln, ich kann sie alle empfehlen. Man fühlt sich überall im Land wohl, ob an der Küste oder im Landesinneren.

Dinamo Zagreb

Im Sommer 2020 bin ich zu Dinamo gewechselt und war ein Jahr dort, nachdem ich im vergangenen August nach Frankfurt gekommen bin. Ich habe viele schöne Momente gehabt. Ich habe meine erste Meisterschaft gewonnen, jeder Spieler wird sich immer an seinen ersten Titel zurückerinnern können. Das Achtelfinale in der Europa League gegen Tottenham war auch phänomenal. Wir waren der große Außenseiter und hatten das Hinspiel mit 0:2 verloren. Dass wir das Rückspiel mit 3:0 nach Verlängerung gewinnen und damit noch weiterkommen, war zweifellos ein Highlight meiner Zeit dort. Der Klub an sich verdient viel mehr Wertschätzung. Er bringt als Verein aus einem kleinen Land wie Kroatien jedes Jahr konstant gute Leistung, auch international. Ich wünsche mir, dass Dinamo mehr Anerkennung geschenkt wird.

Eintracht Frankfurt

Ich verfolge meine Landsleute immer, unabhängig davon, wo sie spielen. Daher kenne ich die Eintracht spätestens aus der Zeit, als Niko Kovac und Ante Rebic hier waren. In den vergangenen Jahren war die Eintracht zudem oft international vertreten, einmal ging es sogar bis ins Halbfinale der Europa League. Das bekommst du natürlich mit. Für mich haben zudem die Fans eine Rolle gespielt, für die Eintracht Frankfurt auch im Ausland bekannt ist. Jeder weiß, dass die Eintracht geile Fans hat. Als die Anfrage kam, war für mich direkt klar, dass ich das machen will. Das Angebot hat mich sehr geehrt.

In Frankfurt könnte ich mein ganzes Leben verbringen.

Kristijan Jakic
Frankfurt

Ich bin beeindruckt von Frankfurt, der Skyline und auch generell. In Frankfurt könnte ich auch mein ganzes Leben verbringen, man hat hier einfach alles. Hier sind viele Kroaten, mit denen ich mich gut verstehe. Nur das Wetter ist nicht so toll. Wenn es etwas wärmer wäre, würde ich mich noch wohler fühlen (lacht). Das wäre der Jackpot für mich. Die ersten drei Wochen habe ich im Hotel gewohnt, dann habe ich eine Wohnung gefunden.

Goran Tomic [unter ihm hat Jakic die meisten Spiele in seiner Karriere absolviert, in der gemeinsamen Zeit bei NK Lokomotiva in Zagreb; Anm. d. Red.]

Goran ist ein sensationeller Mensch und Trainer, ich kann überhaupt nichts Negatives über ihn sagen. Er hat mich unterstützt und bei Lokomotiva aufgebaut, obwohl ich lange verletzt war und es viele Rückschläge für mich gab. Goran war die Person, die mich zu dem Spieler gemacht hat, der ich heute bin. Ich finde es nur schade, dass er bisher nicht die Möglichkeit hatte, einen größeren Klub zu trainieren. Aktuell ist er Trainer bei HNK Rijeka, die ganz vorne dabei sind in der kroatischen Liga. Ich bin mir sicher, dass er und sein Trainerteam in der Lage wären, Toparbeit in einem großen europäischen Verein zu leisten.

Ich könnte Ajdin mitten in der Nacht anrufen, er würde mir immer helfen.

Kristijan Jakic
Hrustic, Ajdin

Die ersten zwei Wochen in Frankfurt waren für mich nicht so einfach, da Ajdin und Filip beide mit ihren Nationalmannschaften unterwegs waren und ich keinen in der Mannschaft hatte, mit dem ich mich verständigen konnte. Als die beiden zurückgekommen sind, wurde ich von ihnen super aufgenommen. Ich konnte nicht glauben, wie toll beide charakterlich sind. Die beiden haben mich mit in die Mannschaft integriert und mir geholfen, mich wohlzufühlen. Seitdem fällt es mir hier viel leichter. Über Ajdin kann ich nichts Negatives sagen, obwohl er ein Konkurrent um die Position ist. Ich könnte ihn nachts anrufen und er würde mir immer helfen. Auch privat sind wir viel unterwegs.

Ajdin Hrustic (links) ist für Kristijan Jakic eine wichtige Bezugsperson in Frankfurt.
Imotski-Mentalität

Es gibt einen Spruch auf kroatisch, der sinngemäß etwa aussagt, dass die Leute aus Imotski in Kroatien als außergewöhnlich bekannt sind. Das ist auch der Charakter. Wenn sich Leute aus Imotski, einem kleinen Ort mit nur rund 10.000 Einwohnern, etwas in den Kopf gesetzt haben, gibt es auch keinen Weg daran vorbei. Man tut alles, kämpft, Rückschläge sind kein Hindernis. Das ist die Imotski-Mentalität, nicht aufzugeben und immer weiterzumachen. Irgendwann kommt die Belohnung.

Jugendfußball

Als Kind und in der Jugend war ich immer Innenverteidiger oder Libero nach dem Motto, einfach die Bälle nach vorne zu schlagen. Als ich zu Imotski gewechselt bin, wurde ich häufiger als Mittelfeldspieler eingesetzt. Letztlich hat Goran Sablic [als Spieler elf Titel mit Kiew und Split, Trainer unter anderem bei RNK Split, in Tiraspol und zuletzt in Sarajevo; Anm. d. Red.] mich dann als Sechser eingesetzt, als ich nach Split in die U17 gewechselt bin.

Als Kinder haben wir auch auf der Straße viel gespielt, die Tore haben wir mit zwei Steinen gekennzeichnet.

Kristijan Jakic
Kindheit

Mein Vater war auch schon Fußballer im Amateurbereich. Er hatte früher mal die Chance, zu einem großen Verein in Kroatien zu wechseln, hat sich aber letztlich für einen Verbleib in der Heimat entschieden. Dadurch habe ich schon in jungen Jahren den Bezug zum Fußball gefunden. Ich war immer dabei, habe zugeschaut und dann auch angefangen zu spielen, als ich alt genug war. Mein Vater hat mich immer sehr unterstützt, mich zum Training gefahren und abgeholt. Als Kinder haben wir auch auf der Straße viel gespielt, die Tore haben wir mit zwei Steinen gekennzeichnet. Dadurch habe ich die Liebe zum Fußball entdeckt. Ich wurde nie gezwungen, es kam einfach von selbst. Mit der Zeit wurde mir klar, dass ich Fußballprofi werden möchte – und nichts anderes machen wollte. Ich denke, da bin ich auf einem guten Weg. Mein Lieblingsfach in der Schule war natürlich Sport.

Leverkusen

Es war ein phänomenales Gefühl, als ich mein erstes Tor in der Bundesliga gegen Leverkusen geschossen habe. Für mich ist das Ergebnis aber viel wichtiger. Nach einem 0:2-Rückstand noch 5:2 zu gewinnen, ist phänomenal. Mein Tor, das vierte, war der Knackpunkt, der das Spiel endgültig entschieden hat. Es ist mir aber nicht so wichtig, wer das Tor schießt, sondern dass wir gewinnen. Ich bin sehr froh, dass wir das auf diese Art und Weise gegen Leverkusen geschafft haben.

Musik

Ich mag eher ruhigere Musik zum Entspannen. Ich höre auch gerne Eminem, aber vor allem kroatische Musik. Zum Beispiel Oliver Dragojević, er ist eine kroatische Legende, oder die Popband Dalmatino.

Nationalmannschaft

Für mich war die Berufung in die Nationalmannschaft ein unbeschreibliches Gefühl. Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Das Gefühl war wirklich einzigartig, ich kann es nicht beschreiben. Es war immer mein Traum, für die Nationalmannschaft zu spielen. Ich habe alles erreicht, was ich wollte. Eigentlich könnte ich aufhören, Fußball zu spielen (lacht). Gleich bei der ersten Nominierung mein Debüt zu geben, war grandios. Mit Spielern wie Modric, Kovacic, Kramaric und all den anderen auf dem Platz zu stehen, die schon seit Jahren auf Topniveau Weltklasseleistungen bringen, für Kroatien zu spielen, ist ein unbeschreibliches Gefühl. Es gibt ein kroatisches Fanlied, das heißt „Unbeschreiblich“. Genauso ist das Gefühl.

Kristijan Jakic (rechts) inmitten der kroatischen Nationalmannschaft im vergangenen November.
Oliver Glasner

Oliver schätzt mich als Spieler sehr, das finde ich toll. Er hat eine eigene Philosophie des Fußballspielens, die am Anfang bei den Spielern erst einmal ankommen musste. Trotz der Ergebnisse am Anfang war die Stimmung innerhalb der Mannschaft immer positiv und zuversichtlich. Wenn wir uns jetzt die Tabelle anschauen, zeigt sich die Art des Fußballspielens von Oliver. Wir kratzen an den europäischen Plätzen. Ich vertraue der Mannschaft und dem Trainerteam, wie es das Training gestaltet und die Mannschaft leitet.

Verstehen und schätzen sich: Cheftrainer Oliver Glasner und Kristijan Jakic.
Presse und Medien

Ich schaue nicht gezielt, wer was über mich geschrieben hat. Wenn ich zufällig etwas sehe, dann lese ich es mir durch. Wenn es positiv ist, gibt mir das Selbstbewusstsein. Aber es interessiert mich nicht wirklich, was über mich geschrieben wird. Natürlich lese ich gerne Sportnachrichten, aber mich interessiert viel mehr, wenn gut über das Team geschrieben wird. Letztendlich geht es um die Mannschaft und die Leistung, die gebracht wird. Wenn wir gut spielen, werden wir gelobt, wenn wir schlecht spielen, stehen wir in der Kritik. So ist das Geschäft.

Qualität des Eintracht-Kaders

Wir haben eine tolle Mannschaft mit vielen sehr guten Spielern. Wenn wir so weitermachen wie bisher, bin ich zuversichtlich, dass wir nächstes Jahr auch wieder international spielen können.

RNK Split

Ich habe schöne Erinnerungen an Split. Durch Split habe ich auf den Weg zum Fußball gefunden, der mich schließlich auch zur Eintracht geführt hat. Dort habe ich die Unterstützung bekommen und die Spielpraxis gesammelt, um die Entwicklung zu dem Spieler zu beginnen, der ich aktuell bin. Leider spielt Split aktuell nicht mehr in der ersten Liga.

Die Tattoos auf meinem Unterarm sind meinem verstorbenem Opa gewidmet.

Kristijan Jakic
Social Media

Ich nutze Social Media nicht in übertriebenen Maßen. Aber wenn ich merke, dass mich mein Handy zu sehr ablenkt, versuche ich, etwas Abstand zu gewinnen und den Fokus wieder auf andere Dinge zu lenken.

Tattoo

Mein linker Arm ist tätowiert. Ich hatte eine sehr enge Verbindung zu meinem Opa, fast noch enger als zu meinem Vater. Leider ist er bereits verstorben. Mein Unterarm ist ihm gewidmet. Während Corona hat meine Oma in Deutschland gelebt und konnte nicht zurück nach Kroatien, sie ist dann hier verstorben. Deshalb habe ich ihre Hände auf meinem Arm tätowiert. Der Oberarm symbolisiert meinen kämpferischen Lebensweg.

Urlaub

Aktuell reise ich gerne, wenn möglich, nach Kroatien in die Heimat. Generell mache ich dort gerne Urlaub, Kroatien hat viele schöne Ecken. Ich liebe das Meer und den Strand dort. Aber ich habe mir auch vorgenommen, etwas außerhalb von Kroatien zu bereisen, sobald Corona es zulässt. Mailand und Dubai zum Beispiel.

Verletzungen

Ich hatte eine größere Verletzung am Oberschenkel, als ich etwa 20 Jahre alt war. Da musste ich viereinhalb Monate pausieren. Wegen dieser Verletzung habe ich mein ganzes Leben um 180 Grad gedreht. Ich habe angefangen, auf meine Ernährung zu achten, das habe ich vorher nicht. Seitdem habe ich keine Verletzungen mehr. Die richtige Ernährung und das richtige Training spielen eine große Rolle bei Sportlern.

„Eintracht vom Main“-Protagonist der Titelgeschichte im Januar 2022: Adlerträger Kristijan Jakic.
Wechsel ins Ausland

Meiner Meinung nach ist es nicht ratsam, zu früh ins Ausland zu wechseln. Man versteht die Sprache nicht, das Niveau ist wesentlich höher als in Kroatien und man ist eventuell auf sich alleine gestellt. Da würde ich lieber etwas später den Schritt ins Ausland wagen, nachdem man ein oder zwei Jahre lang Leistung bei den Profis gezeigt und kontant gespielt hat. Man muss sich erstmal als Spielertyp entwickeln. In meinem Fall war es auf jeden Fall die richtige Entscheidung, dass ich nicht zu früh ins Ausland gewechselt bin. Im vergangenen Sommer war ich bereit für den nächsten Schritt.

Xbox oder PlayStation oder gar nichts?

PlayStation. Ich spiele viel FIFA, wie fast jeder. Aber auch andere Spiele.

Yoga

Das ist gar nichts für mich (lacht).

Zagreb

Ich empfehle jedem, sich Zagreb für ein paar Tage anzuschauen. Zagreb hat viele schöne Ecke, die man besuchen kann. Besonders die Adventszeit, in der es einen Weihnachtsmarkt gibt, der sich durch die ganze Stadt zieht, ist sehr schön. Mein Debüt für Dinamo Zagreb war im Derby gegen Hajduk Split. Das Gefühl ist einfach unbeschreiblich. Die Rivalität zwischen den Vereinen ist vergleichbar mit der Rivalität von Bayern und Dortmund in Deutschland. Dem neutralen Zuschauer würde ich es auf jeden Fall empfehlen, sich dieses Derby anzuschauen. Das sind richtig heiße Duelle.

Das große Adlerträger-Interview mit Kristijan Jakic erschien als erstes in der neuen Ausgabe des Klubmagazins von Eintracht Frankfurt.

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