09.08.2012
Bundesliga

Takashi Inui: „Streng Dich an!“

In loser Folge stellen wir die Neuzugänge für die Erstliga-Saison 2012/2013 vor. Nach Aigner, Celozzi, Trapp, Oczipka, Lanig und Occéan befassen wir uns in diesem Beitrag mit dem offensiven Mittelfeldspieler Takashi Inui.

Um den Werdegang unseres kanadischen Stürmers Olivier Occéan nachzuzeichnen, reisten wir gedanklich weit in den Westen. Nun verschlägt es uns in den fernen Osten. Dort, im Land der aufgehenden Sonne, erblickte am 2. Juni 1988 Takashi Inui das Licht der Welt.

Geboren wurde Eintrachts Neuzugang in Ômihachiman, einer 80.000-Einwohner-Stadt in der Präfektur Shiga. Der zweite Teil des Städtenamens, Hachiman, bezeichnet eine populäre japanische Gottheit, der landesweit etwa 40.000 Shintô-Schreine gewidmet sind. Im Shintô, einer fast ausschließlich in Japan verbreiteten Religion, ist Hachiman (auch) ein Kriegsgott. Das ist insofern bemerkenswert, als Hachimans Tiersymbol eine Taube ist; gilt die Taube doch spätestens seit dem Pariser Weltfriedenskongress 1949 als universales Friedenssymbol.

Merkwürdigkeiten dieser Art sind häufig durch kulturelle Unterschiede bedingt. Wenn wir in Deutschland von einem „Sushi-Bomber“ sprechen, meinen wir ja auch kein militärisches Kampfflugzeug, das rohen Fisch und Reis abwirft. Und bei dem Ausdruck „Nippon Connection“ denkt jedenfalls in Hessen niemand an das japanische Filmfestival oder den Roman von Michael Crichton, sondern an Inuis Landsleute Naohiro Takahara und Junichi Inamoto, die vor fünf Jahren gemeinsam für die SGE auf Punktejagd gingen. Apropos Takahara: Es seien an dieser Stelle alle Fans daran erinnert, „Hinomaru“ wieder aus dem Schrank zu holen. Die wegen Frankfurts Publikumsliebling angeschaffte, japanische Sonnenwappenflagge passt einfach prima zu den Eintracht-Farben. Und jetzt, wo wir wieder einen Japaner in den eigenen Reihen…

Aber wir schweifen ab – zurück zu Inuis Werdegang: Der schmächtige Fußballer spielte bis 2006 für die Yasu-Oberschule, die nahe seiner Heimatstadt Ômihachiman liegt. Durch einen 2:1-Sieg nach Verlängerung gegen die Kagoshima Jitsugyo-Oberschule gewann Inui mit der Schulmannschaft 2005/2006 das „Winter-Kokuritsu“, ein landesweites Fußballturnier für Schulteams. Der Wettbewerb wird unter anderem von dem japanischen Fußballverband organisiert und ist das vielleicht größte Amateursport-Ereignis in Japan. Die zweiwöchige, finale Phase des Turniers, an der über 40 Mannschaften teilnehmen, findet von Dezember bis Januar in den japanischen Winterferien statt.

Zu Beginn des Jahres 2007 – Inui war inzwischen zweimal für die japanische U21-Nationalmannschaft aufgelaufen – schloss sich der 1,69 m große Spieler den Yokohama F. Marinos an. Die „Marinos“ (spanisch für Segler) sind einer der erfolgreichsten japanischen Fußballvereine. Sie tragen ihre Heimspiele im Nissan-Stadion aus, das als „International Stadium Yokohama“ Schauplatz des Weltmeisterschafts-Finales 2002 zwischen Brasilien und Deutschland war. Natürlich verlor Deutschland das Finale, es stand ja kein Frankfurter im Kader. Aber wir kommen schon wieder vom Thema ab. Inui jedenfalls feierte sein Debüt in der J. League Division 1, der höchsten japanischen Spielklasse und wichtigsten asiatischen Fußballliga, am 10. März 2007 gegen Yokohama F.C.

Bei den Marinos konnte sich der junge Inui jedoch (noch) nicht durchsetzen und wechselte nach sieben Liga-Einsätzen im Juni 2008 zunächst leihweise zum Zweitligisten Cerezo Osaka. Bei dem Club stand zu der Zeit auch der später in Dortmund erfolgreiche Shinji Kagawa unter Vertrag. Nach einem halben Jahr, in dem Inui sechs Tore in 20 Liga-Spielen schoss, wurde der Mittelfeldspieler dauerhaft von Osaka verpflichtet. Im Jahre 2009 stieg Inui mit den „Kirschbäumen“ in die J. League Division 1 auf. Er hatte in 47 Liga-Spielen 20 Tore geschossen. Gleich in der ersten Saison nach dem Aufstieg (Inui schoss vier Tore und wurde 33-mal eingesetzt) erreichte Osaka den dritten Tabellenplatz und qualifizierte sich für die AFC Champions League 2011, den wichtigsten, länderübergreifenden Vereinsfußballwettbewerb in Asien. Dort traf Inui in sieben Spielen viermal, in der japanischen Liga netzte der Offensivakteur im Jahre 2011 fünfmal in 14 Spielen ein.

Vermutlich wäre Inui auf deutlich mehr Einsätze gekommen, hätte er nicht zur Hälfte der Spielzeit seine Zelte in Japan abgebrochen, um sich ab Juli 2011 dem deutschen Zweitligisten VfL Bochum anzuschließen. Am 13. August 2011 feierte Inui gegen den FC St. Pauli sein Debüt im Dress der Ruhrgebietler. Er kam in der Saison 2011/2012 auf sieben Tore in 30 Zweitliga-Spielen.

Inui wurde in der japanischen Nationalmannschaft bisher viermal eingesetzt. Sein erstes Länderspiel fand im Rahmen der Qualifikation für den Asien-Cup am 20. Januar 2009 gegen Jemen statt.

Die Eintracht stellte dem dribbelstarken Japaner während des Trainingslagers in Feldkirchen an der Donau mit dem Japanologen Kim Dämpfling einen Dolmetscher an die Seite. Zudem wird Inui, der sich als höflich, zurückhaltend und selbstkritisch beschreiben lässt, an einem Deutschkurs teilnehmen. Doch auch wenn’s mit der Sprache noch hapert: Dass er kicken kann, bewies der ballgewandte Asiate gleich bei seinem ersten Training in Frankfurt. Im abschließenden Testspiel schlenzte er den Ball von links außen gefühlvoll über den chancenlosen Keeper in den hinteren Torwinkel – ein traumhafter Treffer, der einige Zuschauer zu spontanen „Eurobbabogal“-Gesängen animierte.

Eintrachts Internet-Team heißt Takashi Inui in Frankfurt herzlich willkommen. Normalerweise wünschen wir an dieser Stelle unseren Neuzugängen viel Erfolg und Glück. Das wünschen wir unserem asiatischen Techniker natürlich auch, schicken aber – um den Kulturschock für Inui klein zu halten – die in Japan übliche und gutgemeinte Bitte, sich anzustrengen und Mühe zu geben, hinterher. Ein Hesse mag dies als merkwürdige Aufforderung empfinden. Aber das mit den kulturellen Unterschieden hatten wir ja oben schon.