16.02.2021
Eintracht

„Vertrag hingelegt, verlängert, alles klar? Okay, top, tschüss!“

Frankfurt im Herzen, Berlin im Blut: Benjamin Köhler hat die Eintracht nie aus den Augen verloren und gewährt im „Eintracht vom Main“-Podcast Einblicke in seine Vergangenheit und Zukunftspläne.

Zwischen Fußball, Eis und der Liebe zu Berlin und Frankfurt. Benjamin Köhler lief 257 Mal mit dem Adler auf der Brust auf, beendete bei Union Berlin seine Karriere und wandelt jetzt auf den Pfaden eines Geschäftsmannes und Investors – doch eine Rückkehr in den Fußball ist für ihn nicht ausgeschlossen, wie er im Podcast der „Eintracht vom Main“ verrät.

Hallo Benny, direkt zu Beginn mal eine kleine Überraschung (Sprachnachricht von Alexander Meier: „Kannst du dich noch daran erinnern, als wir in unserem ersten gemeinsamen Trainingslager zusammen auf dem Zimmer waren und ich dich immer mit Daniel angesprochen habe, weil ich deinen Namen nicht wusste? Du hast nie geantwortet und ich dachte mir immer ‚Was ist das bloß für ein Typ, der nicht antwortet, wenn man ihn etwas fragt. Das ist aber ein Idiot.“) Erzähl doch mal, Daniel, wie war das damals für dich?
Darüber haben wir schon öfter gesprochen. Ich habe das damals gar nicht wahrgenommen, er hat mich ja mit Daniel angesprochen. Im Nachhinein betrachtet war das allerdings eine typische Alex-Meier-Geschichte (schmunzelt).

Ihr habt als Duo bei der Eintracht eine Ära geprägt – würdest du von einer echten Männerfreundschaft sprechen?
Ja, auf jeden Fall! Wir waren vom ersten Tag an Zimmerpartner. Daraus hat sich natürlich irgendwann auch eine Freundschaft entwickelt. Dann habe ich den Verein verlassen. Da ist es normal, dass der Kontakt nicht mehr so intensiv war wie zuvor. Aber wir telefonieren und schreiben ab und zu noch miteinander.

Du warst insgesamt fast neun Jahre bei der Eintracht. Welche Erinnerungen hast du daran, als du 2004 ganz neu warst?
Der Wechsel zur Eintracht war für mich damals der nächste Schritt, aber auch eine Art letzte Chance. Ich bin damals von Hertha BSC zu Rot-Weiß Essen gewechselt, weil ich nicht so viel gespielt habe und habe damit bewusst erst einmal einen Schritt zurück gemacht, um vielleicht im Nachhinein insgesamt nochmal einen Schritt nach vorne zu machen. Ich denke, damit habe ich alles richtig gemacht, denn am Ende bin ich mit Essen aufgestiegen und es kam das Angebot aus Frankfurt, bei dem ich dann auch nicht lange überlegen musste. Die Eintracht war schon immer ein großer Verein und hatte damals das Potential, um aufzusteigen. Wir waren eigentlich eine Mannschaft im Umbruch mit sehr vielen jungen Spielern und bis in den Herbst hinein im Mittelfeld der Tabelle. Aber dann haben wir eine Serie gestartet und sind am Ende souverän in die Bundesliga aufgestiegen.

Was löst es heute noch in dir aus, dass du bei dieser wichtigen Entwicklung der SGE dabei sein konntest?
Das bedeutet mir natürlich viel. Damals war diese neue Stimmung von Tag eins an spürbar. Das neue Stadion war damals noch im Bau, zumindest eine Seite der Tribüne. Das hat die Fans aber nicht abgehalten, trotzdem zu kommen und alles für ihren Verein zu geben. Das Stadion war schon immer voll und die Fans haben uns immer nach vorne gepeitscht. Dabei habe ich es als Spieler anfangs gar nicht so wahrgenommen, was intern passiert und wie die Leute auf den Verein blicken. Für mich war die Eintracht damals eine Chance, bei der ich versuchen wollte, meinen Weg zu gehen. Aber später kommen diese Themen natürlich auch wieder auf und man realisiert, wie speziell die damalige Situation für die Fans und den ganzen Verein wirklich war. Ich bin froh, ein Teil dieser Entwicklung gewesen zu sein.

Verfolgst du die Geschicke der Eintracht noch immer?
Natürlich. Union Berlin und die Eintracht Frankfurt sind die Vereine, deren Entwicklung ich nach wie vor sehr intensiv verfolge. Natürlich ist das im Fall der Eintracht aus der Ferne immer ein bisschen schwieriger, aber ich schaue trotzdem fast jedes Spiel mit großer Begeisterung.

Dieses Mannschaftsgefühl à la „Wir gehen da jetzt als Mannschaft raus und geben so richtig Gas“ ist leider etwas verloren gegangen.

Benjamin Köhler

Du bist ein waschechter Berliner, hier geboren und im Märkischen Viertel aufgewachsen, hast sowohl für Hertha BSC als auch für Union gespielt. Wie war es für dich, nach Frankfurt zu wechseln?
Insgesamt gesehen sind beide Städte etwas verschieden. Frankfurt ist für mich auch eine Großstadt, aber im Vergleich zu Berlin ist hier alles viel zentraler. Hier gibt es eine Innenstadt, in fünf bis zehn Minuten kannst du in der Umgebung vieles erreichen, während es in Berlin insgesamt viel großflächiger ist. Hier fahre ich in den nächsten Bezirk manchmal 10, 15 Minuten.

Was für eine Art Spieler warst du: Eher der Partylöwe oder der Früh-ins-Bett-Geher?
Natürlich waren wir auch in der Stadt und am Wochenende unterwegs, wenn es der Kalender zugelassen hat. Wir waren sofort unterwegs, wenn wir mal zwei Tage am Stück frei hatten und auch in allen Clubs, die es in Frankfurt gab. Aber das hat sich wieder gelegt. Früher warst du natürlich immer auf der Rolle, aber je älter du wirst, desto häufiger fragst du dich: „Wie habe ich das damals nur gemacht?“

Was hat dich so lange in Frankfurt gehalten und so glücklich gemacht?
Bei der Eintracht habe ich gespielt (lacht). Wir hatten während meiner Zeit in Frankfurt immer eine super Truppe beisammen und uns auch privat gut verstanden. Wenn wir feiern waren oder Mannschaftsabend hatten, waren wir auch mal mit 20 Mann im Club. Heute gehen die Jungs essen, danach gehen vier in den Club und die anderen sagen, sie sind müde oder die Freundin wartet. Dieses Mannschaftsgefühl à la „Wir gehen da jetzt als Mannschaft raus und geben so richtig Gas“ ist leider etwas verloren gegangen. Weil ich mich in Frankfurt sehr wohlgefühlt habe, liefen meine Vertragsverlängerungen eigentlich immer sehr schnell und problemlos: Vertrag hingelegt, verlängert, alles klar? Okay, top, tschüss! Außerdem ist meine Frau gebürtige Frankfurterin. Deshalb sind wir nach wie vor etwa alle sechs bis acht Wochen in der Gegend.

Du musstest leider deine Eisdiele im Zuge der Coronapandemie im August 2020 wieder schließen. Wie sieht dein Leben in Berlin aktuell aus?
Es ist wichtig, jeden Einzelfall an Geschäftsschließungen für sich zu betrachten. Ich bin nicht der einzige, der seinen Laden schließen musste. Bei mir war es so, dass es vor Beginn der Pandemie ganz ordentlich gelaufen ist. Ich glaube, das eigentliche Ausmaß der vielen Geschäftsschließungen wird sich erst später bemerkbar machen. Viele warten aktuell auf ihre zugesicherten Hilfen und versuchen, sich solange noch durchzukämpfen, weil ihnen nichts anderes übrigbleibt, da für sie ihr jeweiliges Geschäft die Haupteinnahmequelle ist. Aber das wollte ich nie, weswegen ich schon frühzeitig und bewusst von mir aus geschlossen habe, statt mit dieser Ungewissheit rechnen zu müssen. Niemand weiß, wie lange uns die Pandemie noch im Griff hat.

Wie planst du deine unternehmerischen Tätigkeiten in der aktuellen Phase?
Meine Frau wollte einen eigenen kleinen Laden eröffnen, aber wir haben uns dann gemeinsam dazu entschieden, dieses Vorhaben in der momentanen Lage erstmal aufzuschieben. Unser Hauptaugenmerk liegt gerade auf der Betreuung unserer drei Kinder inklusive Homeschooling, was nicht immer einfach ist. Insgesamt betrachtet muss ich aber sagen, dass es mir noch gut geht und ich dem Fußball sehr dankbar bin, im Vergleich zu denen, die diese Privilegien nicht genießen dürfen, die ich als ehemaliger Fußballprofi habe. Wir werden sehen, wo mich mein weiterer Weg hinführt. Aktuell bin ich etwa dabei, ein Buch über meine Zeit als Profi zu schreiben. Alles Weitere werden wir in Zukunft sehen und bewerten.

Friedhelm Funkel war einer der besten Trainer, die ich in meiner Karriere hatte.

Benjamin Köhler

Wie kamst du dazu, nach deiner aktiven Karriere einen Weg als Unternehmer einzuschlagen?
Ich bin ein sehr spontaner Typ. Wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, möchte ich es auch erstmal ausprobieren, bevor ich sage, das wird nichts. Zuletzt war das eher auf der unternehmerischen Schiene, was aber nicht heißt, dass ich dem Fußball abschwöre und nie wieder dorthin zurückmöchte. Es gibt ja mittlerweile mehr als genug Positionen rund um ein Fußballteam. Vor der Pandemie hat mich Scouting beispielsweise eine Zeit lang interessiert. Zurzeit strebe ich auch danach, wieder etwas im fußballerischen Bereich zu machen und unterhalte mich gerade mit ein paar Leuten.

Während deiner Frankfurter Zeit hat Heribert Bruchhagen den Verein als Vorstand konsolidiert. Wie hast du ihn wahrgenommen?
Gerade für Leute, die ihn nicht so gut kennen, wirkt er nach außen immer sehr abgeklärt. Privat allerdings ist er ein total entspannter und lustiger Typ. Bei der Arbeit ist er – vor allem auch verhandlungstechnisch – knallhart und mit allen Wassern gewaschen (schmunzelt). Aber genau deshalb hat er den Verein auf diese Weise geformt. Ich habe ihm viel zu verdanken.

Und dein damaliger Trainer Friedhelm Funkel?
Gleichermaßen. Er hat mich geholt und meine Zeit bei der Eintracht mitgeprägt. Mit ihm an der Seitenlinie sind wir aufgestiegen und haben immer gute Leistungen gezeigt. Ich sage es immer wieder und bleibe gerne dabei: Friedhelm Funkel war einer der besten Trainer, die ich in meiner Karriere hatte.

2013 bist du von der Eintracht für ein halbes Jahr nach Kaiserslautern gewechselt, ehe du bei Union Berlin angeheuert hast. Wie würdest du deine Zeit dort beschreiben?
Im Nachhinein ist man natürlich immer schlauer, aber das war vielleicht eine Fehlentscheidung in meiner Profikarriere. Ich hatte in Frankfurt noch anderthalb Jahre Vertrag, habe zwar nicht gespielt, wollte aber natürlich zum Einsatz kommen. Viele hätten vielleicht gewartet oder auf ihre Chance gehofft, aber dann kam das Angebot aus Kaiserslautern. Leider habe ich mich in diesem halben Jahr nicht so wohlgefühlt, bin beispielsweise auch jeden Tag von Frankfurt nach Kaiserslautern gependelt. Letzten Endes hat sich diese Disharmonie auch auf dem Platz widergespiegelt, sodass ich meinen Berater angerufen habe und er dann mit dem Angebot von Union Berlin an mich herangetreten ist.

In deine Zeit bei Union ist 2015 auch deine Krebserkrankung gefallen, die du erfolgreich besiegen konntest. War es wichtig für dich, diesen Schicksalsschlag in der Heimat zu bekämpfen?
Auf jeden Fall! Ich war zu Hause bei meiner Familie und meinen Freunden, was sehr wichtig für mich war. Meine Frau kam während der Chemotherapie jeden Tag zu mir ins Krankenhaus und auch meine Freunde haben sich untereinander abgesprochen, wer mich wann besuchen kommt. Alleine hält das niemand durch. Auch das Standing und die Hilfestellung vom Verein waren großartig, das hat mir extrem geholfen.

Gerade in den vergangenen Jahren war die Eintracht durch Kampfgeist und den Willen geprägt, immer Vollgas zu geben und bis zum Schluss für den Sieg zu fighten.

Benjamin Köhler

Im März 2016 hast du gegen Eintracht Braunschweig dein Comeback gefeiert. Was ging in diesem Moment in dir vor?
Natürlich war das emotional und ich habe mich gefreut, aber eigentlich stehe ich gar nicht so gerne im Mittelpunkt.

Welcher war dein schönster Eintracht-Moment?
Der erste Aufstieg mit der Eintracht. Hier konnte ich meinen Traum, in der Bundesliga zu spielen, verwirklichen. Deswegen war das wahrscheinlich der schönste Moment bei der Eintracht noch vor dem DFB-Pokalfinale in der Heimat Berlin.

Und der schlimmste?
Natürlich der Abstieg. Die Umstände waren einfach schlecht, wir haben eine katastrophale Rückrunde gespielt und als wir den Klassenerhalt gegen Dortmund hätten schaffen können, konnte ich nicht helfen, weil ich im Krankenhaus war. Leider hat es dann am Ende nicht gereicht und wir sind abgestiegen.

Was ist deine schönste Kindheitserinnerung an die Eintracht?
Das war die Zeit rund um die 90er, in der bei der SGE Spieler wie Yeboah, Gaudino und Okocha unter Vertrag standen. Das waren tolle Spieler, denen es Spaß gemacht hat, zuzusehen.

Wie beurteilst du die aktuelle Mannschaft?
Gerade in den vergangenen Jahren war die Eintracht durch Kampfgeist und den Willen geprägt, immer Vollgas zu geben und bis zum Schluss für den Sieg zu fighten. Dadurch kommen immer spannende Spiele zustande, bei denen man nicht wegschalten kann und will.

Dieses Interview basiert auf Köhlers Aussagen in der neuen Episode der „Eintracht vom Main“. An dieser Stelle sei euch auch das komplette Podcast-Paket ans Herz gelegt.

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