Eigentlich wollte Dragoslav Stepanovic im März 2000 nicht unbedingt bei einem neuen Klub als Trainer anheuern. Als das Angebot des SV Stuttgarter Kickers kam, der damals im Abstiegskampf der Zweiten Liga feststeckte und sich von Michael Feichtenbeiner getrennt hatte, ließ sich der damals 51-Jährige von Ex-Bundestrainer Berti Vogts überzeugen. Als dieser ihm sagte, dass es um die Kickers ging, habe Stepanovic Lust bekommen, erzählt er im Interview mit EintrachtTV: „Durch diese ganzen Erfolge zuvor war ich mir sicher, dass ich, trotz dessen, dass die Saison dort so schlecht gelaufen ist, helfen kann.“
Klassenerhalt am Grünen Tisch
In typischer Stepi-Manier trat er dementsprechend ehrgeizig auf der Waldau an. Zu Dienstbeginn verkündete er das ambitionierte Ziel, in den verbleibenden zehn Spielen 30 Punkte holen zu wollen, wohlgemerkt als Tabellenvorletzter. In den ersten Wochen ließ er diesen Worten Taten folgen. Seine Schützlinge gewannen vier der ersten fünf Partien unter dem neuen Coach. Am Ende sprangen insgesamt 18 Punkte heraus. Kickers-Knipser Tomislav Maric wurde zudem mit 21 Treffern, davon acht unter Stepanovic, Torschützenkönig.
Für den sportlichen Klassenerhalt reichte es trotzdem nicht. Nach einem 1:1 am letzten Spieltag gegen das Tabellenschlusslicht Karlsruher SC waren die Schwaben um ein Tor schlechter als der punktgleiche FC St. Pauli. Da Tennis Borussia Berlin nach der Saison allerdings die Lizenz entzogen wurde, durften die Blau-Weißen ein weiteres Jahr in Liga zwei antreten – jedoch ohne Stepanovic, der nach der Saison seinen Rücktritt bekanntgab.
Positive Erinnerungen
Auch wenn Stepi nur drei Monate an der Seitenlinie im Stuttgarter Stadtteil Degerloch stand, hat er diese Station mehr als viele andere geschätzt. „Die schönste Zeit war mit der Eintracht, aber die zweitschönste Zeit war mit den Kickers“, erklärt der heute 74-Jährige.
Nun treffen seine beiden Lieblingsklubs am Dienstag in der Zweiten Hauptrunde des DFB-Pokals aufeinander. Als Frankfurter Cheftrainer traf Stepi in den 1990ern drei Mal auf die Württemberger, zwei dieser Duelle endeten siegreich, darunter ein 6:1-Heimerfolg der Adlerträger. Die Vorzeichen heute sind gleichwohl andere. Die Kickers spielen inzwischen in der Oberliga, die Eintracht misst sich in der UEFA Champions League mit den Besten Europas und geht somit als klarer Favorit in das Duell.
Kuriose Pokalhistorie
Dass der Pokal jedoch seine ganz eigenen Geschichten schreiben kann, wissen nur wenige besser als der Mann mit dem markanten Schnauzer. 1993 gewann er den begehrten Titel mit Bayer 04 Leverkusen, stand jedoch lediglich im Endspiel gegen die Zweitvertretung von Hertha BSC an der Seitenlinie. „Ich bin ein besonderer Trainer für besondere Möglichkeiten“, sagt Stepi über diese kuriose Saison. Mit der Eintracht war er zuvor im Halbfinale gegen die Werkself ausgeschieden und hatte daraufhin seinen Trainerposten am Main verloren. Er ist damit bis heute der einzige Trainer, der den DFB-Pokal gewinnen konnte, obwohl er in derselben Saison mit einem anderen Team bereits ausgeschieden war. Apropos ausgeschieden: Vor fast genau 25 Jahren musste die Eintracht auf der Waldau beim damaligen Zweitligisten im Viertelfinale mit 1:3 die Segel streichen, nachdem die Adlerträger eine frühe Rote Karte hatten hinnehmen müssen.
2022 verfolgt Dragoslav Stepanovic das Pokalduell seiner Ex-Vereine nun entspannt als Unbeteiligter vor dem Fernseher und freut sich bereits jetzt auf das Match. Die Frage, wem er dabei die Daumen drückt, stellt sich für Stepi aber nicht, denn sein Herz schlägt auch heute noch rot, schwarz und weiß: „Einen Gruß an die Stuttgarter Kickers, an den Trainer und die ganze Mannschaft. Ich wünsche euch so viel Glück – aber nicht gegen die Eintracht.“