21.03.2023
Team

Vom „launischen Prinzen“ zum abgeklärten „Kaiser“

Makoto Hasebe gilt als Musterprofi, ist beliebt und hoch angesehen. Und mit 39 noch kein bisschen müde. Gemeinsam mit zwei langjährigen Beobachtern geht der Blick auf die Karriere des ewig jungen Japaners.

„Der Konkurrenzkampf gegen 22-Jährige macht mir Spaß!“ Das sagte Makoto Hasebe, 39 Jahre jung, vor wenigen Wochen nach dem Training. Dass er immer noch auf diesem Niveau spielen könne, mache ihn „total glücklich“. Dass Hasebe, im Januar 1984 im japanischen Fujieda geboren und seit 2014, also seit nunmehr bald einem Jahrzehnt mit dem Adler auf der Brust, noch immer auf diesem Niveau spielen kann, fußt auf seinem Charakter. Darauf, wie der Routinier tickt.

Ein „Musterprofi, der alles dem Fußball und dem Erfolg unterordnet“, sagt Sachio Howoldt, der Hasebe als Auslandskorrespondent begleitete und inzwischen in der Deutschen Botschaft in Tokio arbeitet. An- und bodenständig, aufrichtig, besonnen, hilfsbereit – Eigenschaften, die mit Japan allgemein, mit dem Frankfurter Defensivallrounder im Land der aufgehenden Sonne aber ganz besonders in Verbindung gebracht werden. „Er ist dahingehend der ‚Über-Japaner‘, anständiger als anständig“, verrät Alexander Ostern, der als Journalist unter anderem für das japanische Fernsehen Hasebes Werdegang in Deutschland seit dessen Anfangstagen 2008 in Wolfsburg verfolgt.

Makoto Hasebe wagt den Schritt an das andere Ende der Welt und reift in Deutschland zu einem Spitzenfußballer.

„Es gibt nichts Negatives über ihn zu sagen, so wird er auch in Japan gesehen“, ergänzt Ostern. Und Howoldt stimmt ebenso mit ein: „Makoto ist auch als Mensch tadellos. Hinweise auf mögliche Skandale, die seine Person betreffen, sucht man vergeblich. Sein Stellenwert in Japan als Sportler und Mensch ist unglaublich hoch.“

Ichizu und Makezugirai

Fragt man in Fernost, in Hasebes Heimat, wo er als Vorbild für alle gilt, nach, wie man den ewig jungen Fußballprofi umschreiben kann, wo das Geheimnis seines sportlichen Erfolgs liegt, so fallen zwei Begriffe. 一途, gesprochen Ichizu, steht für hingebungsvoll, zielstrebig und treu; 負けず嫌い, gesprochen Makezugirai, heißt wörtlich ‚Es hassen, zu verlieren‘.

Dass er auch mit 39 nach wie vor hungrig ist und sich mit 22-Jährigen messen möchte, verwundert daher nicht.

Sachio Howoldt

„Dass er auch mit 39 nach wie vor hungrig ist und sich mit 22-Jährigen messen möchte, verwundert daher nicht“, sagt Howoldt, der auch Hasebes Ernsthaftigkeit und Seriosität hervorhebt und sogleich eine kleine Kuriosität preisgibt: „Diese mit ihm verbundene Charaktereigenschaft geht bisweilen so weit, dass sein Name für zu ernstes Gebaren steht und sich seine japanischen Mitspieler mitunter den Spaß erlauben, dahingehendes Verhalten der Kollegen mit ‚Mach‘ mal nicht den Hasebe‘ zu quittieren.“

Makoto Hasebe und sein Landsmann Daichi Kamada mit der Europa-League-Trophäe.

Bis er sich in Asien wie auch Europa diesen Status erarbeitet hatte, bis 368 Bundesligaeinsätze, 279 Pflichtspiele für die Eintracht, eine Deutsche Meisterschaft, der DFB-Pokalsieg und der Gewinn der UEFA Europa League zu Buche standen, war es jedoch ein langer Weg. Ein Weg, der anfangs nicht unbedingt zu erwarten war. „Zur Überraschung vieler hatte er gleich Erfolg“, erinnert sich Howoldt.

Hasebe, vor seinem Schritt nach Deutschland vier Jahre in 215 Partien für die Urawa Red Diamonds am Ball, kam ursprünglich als offensiver Mittelfeldspieler mit einem Hang zu Dribblings und Steckpässen zum VfL Wolfsburg. „Er hatte in Wolfsburg aber große Konkurrenz auf dieser Position und auch selbst gemerkt, dass es auf dieser Position in der Bundesliga noch nicht reicht. Diese Selbstreflexion ist eine wichtige Eigenschaft – bis heute. Felix Magath [Trainer – Anm. d. Red.] versetzte ihn in die Verteidigung, und Makoto sagte damals ‚Wenn die Mannschaft mich hier braucht, dann werde ich mein Bestes geben‘“, beschreibt Ostern die Anfangstage Hasebes in Deutschlands Beletage.

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Feingeist und Dauerbrenner - Die Makoto Hasebe Doku

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    So ruhig und besonnen, wie der Adlerträger inzwischen auftritt, war er zu Beginn seiner Karriere nicht. „Als Jungpieler bei den Urawa Reds durchlebte er durchaus auch eine wilde Zeit. Erst mit dem Schritt ins Ausland, so heißt es, fand bei ihm ein Reifeprozess statt, der ihn vom ‚launischen Prinzen‘ zum abgeklärten ‚Kaiser‘, wie ihn japanische Printmedien in Anlehnung an Franz Beckenbauer teilweise betiteln, werden ließ“, sagt Howoldt. Er habe mit der Zeit, so Ostern ergänzend, „seine Balance gefunden“ – und erinnert an Hasebes Buch „Die Ordnung der Seele. 56 Gewohnheiten, um den Sieg zu erringen“.

    Wegbereiter für zahlreiche japanische Profis

    Die Siege kamen, der Erfolg stellte sich ein, seit 2020 ist er asiatischer Rekordspieler in der Bundesliga. Und zugleich Türöffner. „Er hat den Weg aufgemacht. Auch durch sein Verhalten als der typische Japaner“, wie Ostern findet. „In gewisser Weise ist Hasebe zum Wegbereiter für zahlreiche japanische Profis geworden, die auch ohne große Länderspielerfahrung den Weg ins Ausland beziehungsweise in die Bundesliga suchen“, meint Howoldt, betont aber im selben Atemzug: „Damit brüsten würde er sich jedoch sicherlich nicht“.

    Dafür, dass er mit 39 noch bei der Eintracht unter Vertrag steht und auch regelmäßig spielt, zollen ihm alle in Japan großen Respekt.

    Alexander Ostern

    Es spricht für ihn. Eine Eigenschaft, gepaart mit vielen anderen, auf die man bei der Eintracht auch künftig nicht verzichten möchte und nicht muss. Hasebe, stets streng mit sich in der Selbstreflexion, sucht weiter das Kräftemessen auf höchstem Niveau. Im Herzen von Europa bis 2024. „Dafür, dass er mit 39 noch bei der Eintracht unter Vertrag steht und auch regelmäßig spielt, zollen ihm alle in Japan großen Respekt. Wie ein Spieler in diesem Alter noch solch Leistung bringen kann, wie etwa im DFB-Pokal- sowie Europapokalfinale oder in der Champions League gegen Tottenham“, sagt Ostern über Japans Rekordkapitän – den Captain, der in 114 Länderspielen dem japanischen Spiel seinen Stempel aufgedrückt hat.

    Das Spiel der Eintracht wird er noch ein weiteres Jahr bereichern. Makoto Hasebe, „ein absolutes Vorbild und über die Landesgrenzen hinaus ein Botschafter für Eintracht Frankfurt und den deutschen Fußball“, lobt Sportvorstand Markus Krösche ohne Übertreibung.