24.01.2025
Europapokal

Von Bresche zu Bresche

Frankfurt gewinnt mit Geduld und Genialität zum 30. Mal ein Europa-League-Spiel, Uzun macht’s wie einst Ernst Abbe, Theate übernimmt die Kabine und mehr denn je steht einer für den anderen ein.

Viertes Spiel, vierter Sieg, zum dritten Mal 2025 ohne Gegentor und das Achtelfinale in der UEFA Europa League durch den Sprung auf Platz zwei in der Ligaphase zum Greifen nah. Eintracht Frankfurt lässt im Januar den dämmrigen Dezember vollends hinter sich und liefert im Expressmodus. Klingt einfach. Ist es aber nicht.

Das deutliche 4:1 gegen Freiburg einmal ausgeklammert, mussten die Hessen einmal mehr neben einer gewissen Portion Gnadenlosigkeit, als es darauf ankam, erstmal viel Geduld an den Tag legen, um ganz spät glänzen zu können. Ein Schema SGE, das halbwöchig andere Gesichter bietet; oftmals auch notgedrungen. Von einer Bresche, in die ein Adler springt, in die nächste anhand von vier Beispielen:

1. Trainerwechsel für 90 Minuten

Dino Toppmöller hatte nach Rot in Lyon das Mindeststrafmaß von einem Spiel Sperre zu verbüßen. Der Cheftrainer saß neben Analyseleiter Marco Schuster, blieb regelkonform mit Co-Trainer Xaver Zembrod via Headset in Kontakt und sah, was sein Vertreter und Assistenzcoach Jan Fießer folgendermaßen zusammenfasste: „Wir haben vor dem Spiel angesprochen, dass wir geduldig sein müssen. Großes Lob an die Truppe. Sehr seriös gespielt über 90 Minuten. Die defensive Stabilität war hervorragend, wir haben einen einzigen Schuss zugelassen.“

Gegenüber EintrachtTV erklärte Fießer: „Es war schon etwas anderes, weil du das große Ganze im Blick haben musst, und es einen Tick schwerer ist, auf Details zu achten. Aber es war ein wunderbarer Abend für mich.“ Weshalb der 38-Jährige nochmal betonte: „Ich fühle mich sehr wohl dabei, bei der Eintracht und unter Dino zu arbeiten, das ist ein Privileg für mich.“ Weswegen der Scherz angesichts zur Ein-Spiel-ein-Sieg-Quote zum Einstand auch leicht über die Lippen kam: „Ich habe in der Kabine gesagt, dass ich zurücktrete als Cheftrainer.“

2. Chefmotivator Theate

Sollte es irgendwann zum Rücktritt vom Rücktritt kommen, wüsste Fießer in jedem Fall einen geeigneten Kompagnon an seiner Seite. Angesprochen darauf, was anders gewesen sei, erklärte nämlich Hugo Larsson erst lapidar: „Eigentlich nichts, wir haben wieder 2:0 gewonnen.“ Wie gegen Dortmund. Dann gab der junge Schwede doch eine Anekdote preis: „Arthur Theate hat vor dem Spiel die Ansprache gehalten. Das war vielleicht der Hauptunterschied.“

3. „Guter Test für uns als Gruppe“

Was Larsson nach seinem 25. Europapokalauftritt und dem 30. Sieg der Eintracht in diesem Wettbewerb beileibe nicht exklusiv hatte, waren Nachfragen ob des elf Stunden vor Anpfiff finalisierten Abgangs von Omar Marmoush. Auch hier verwies Larsson mit dem (Selbst-)Bewusstsein der Serie im Rücken auf die Resultate auf dem Videowürfel, eher er wahrheitsgetreu einräumte und einschwor: „Wenn ein Spieler seiner Qualität uns verlässt, ist es wichtig für andere Spieler, mich inbegriffen, noch ein paar Prozent draufzupacken. Ein guter Test für uns als Gruppe. Das machen wir im Moment!“

Siehe die Entstehung des Endstands, als Larssons Abschluss vor die Füße von Namensvetter Hugo Ekitiké fiel, der sich nicht lange bitten ließ und neben wettbewerbsübergreifend 14 Saisontoren auch bei sechs Vorlagen steht – macht 20 Scorerpunkte. Apropos 20: Kevin Trapp, als Kapitän quasi Anführer dieser Gruppe, blieb zum 20. Mal im Adlerdress ohne Gegentreffer in einem internationalen Pflichtspiel.

4. Dosenöffner Uzun

Weiter geht's mit der Rückennummer 20. Jan Fießer sprach vom Dosenöffner Can Uzun. Can Uzun selbst sprach vom Dosenöffner Can Uzun. Welches Synonym sollte auch besser passen nach über 70 Prozent Ballbesitz in der ersten Halbzeit, aber kaum Durchbrüchen. Also verlagerte der 19-Jährige kurz nach dem Seitenwechsel die Gefahrenzone gefühlt vom vorderen ins mittlere Drittel und beförderte die Hessen aus der Distanz auf die Siegerstraße. „Wir wussten, dass, wenn wir ein Tor machen, den Sieg auf unsere Seite ziehen – und das würden wir machen, so dominant wie wir waren“, meinte Uzun nach seinem Debüttreffer auf internationaler Bühne. Neben Tuta, der nach seiner Wadenverletzung erstmals seit dem Europa-League-Match in Lyon sechs Wochen zuvor anstelle von Nnamdi Collins in der Startelf stand, war Uzun der einzige Neue in der Anfangsformation.

Ansgar Knauff, der zuvor gegen den BVB in der Doppelspitze wirkte, ackerte diesmal als Linksaußen, derzeit das Hoheitsgebiet von Nathaniel Brown, der für die Ligaphase allerdings nicht gemeldet ist. Also sprang dessen Buddy Uzun in die berühmte Bresche und avancierte nebenbei mit 19 Jahren und 73 Tagen zum zweitjüngsten Eintracht-Europapokaltorschützen aller Zeiten nach Ernst Abbe, der im Messepokal 1967 mit 18 Jahren und 262 Tagen netzte. Gegen: den Ferencvárosi TC.

Ausblick: Entscheidung in Rom

Schon gingen die Rechenspielchen los, aber nach reichlich Kopfzerbrechen und allen Endständen ist amtlich: Das Achtelfinale ist zwar zum Greifen nah, rein rechnerisch ist es dennoch zu früh, den Äppler kalt zu stellen. „Rom wird keine Kaffeefahrt. Wir wollen uns nicht das Kolosseum anschauen, sondern drei Punkte holen“, stellte Fießer auf der Pressekonferenz im Deutsche Bank Park klar. Ein Remis reicht aber in jedem Fall für einen Top-Acht-Platz. „Unabhängig davon fahren wir nach Rom, um zu gewinnen“, betont Sportdirektor Timmo Hardung.

Aber „vor Rom ist Hoffenheim“, zeigt Hardung auf: „Ein ganz wichtiges Spiel, in dem wir nachlegen und in unserem Flow bleiben wollen. Da gehört viel, viel Arbeit dazu. Das ist wichtig mit Blick auf die nächsten Wochen.“