Situation
Doch so wirklich öffentlich in die Bredouille brachte sich der deutsche Rekordmeister eigentlich nur von Ende September bis Mitte Oktober, als nach vier Siegen zum Auftakt einem 1:1 gegen Augsburg mit dem 0:2 bei Hertha BSC die erste Niederlage folgte. Ebenfalls 1:1 hieß es in der UEFA Champions League gegen Ajax Amsterdam, ehe das 0:3 zuhause gegen Borussia Mönchengladbach aufhorchen ließ. Ansonsten verloren die Bayern bis heute einzig bei Borussia Dortmund 2:3. Aber: Sie gewannen auch nicht in der gewohnten Häufigkeit und vor allem nicht der erwarteten Eindeutigkeit.
Dabei besteht an der Qualität des Ensembles kein Zweifel. Allerdings folgte dem 2017 angestoßenen Umbruch im Sommer keine Fortsetzung. Leon Goretzka blieb der einzige Neue, zudem kehrten Serge Gnabry und Renato Sanches von ihren Leihen zurück. Dem gegenüber stehen die Abgänge von Juan Bernat, Sebastian Rudy und nicht zuletzt Arturo Vidal.
Formkurve
Der Triplegewinner von 2013 hat sich allmählich in Form geschafft. Die totale Dominanz ist zwar nicht mehr die Sache des FCB, dafür haben die Münchner unter ihrem neuen Coach Niko Kovac nach Monaten der Annährung zurück zu defensiver Kompaktheit gefunden und fahren zuverlässig ihre Ergebnisse ein. In der Bundesliga sprangen zuletzt vier Siege in Folge heraus, davon die vergangenen drei ohne Gegentor.
Trainer
Als Niko Kovac am 8. März 2016 gemeinsam mit Bruder Robert bei Eintracht Frankfurt anheuerte, konnte er eigentlich nur gewinnen. Wie sehr der Kroate seine Chance, sich als Trainer in der Bundesliga zu beweisen, beim Schopfe gepackt hat, zeigte sich zweieinhalb Jahre später. Nach der erfolgreichen Relegation 2016, dem DFB-Pokal-Finale 2017 und dem DFB-Pokal-Sieg 2018 folgte der größtmögliche Schritt auf nationaler Ebene: der zum Branchenprimus FC Bayern.
Die Rückkehr zu seinem Ex-Verein, mit dem er unter anderem 2003 das Double holte, war ganz im Sinne der FCB-Führung, die perspektivisch möglichst viele Personen mit dem „Bayern-Gen“ einbinden und damit den Generationswechsel vereinfachen möchten. Die fleischgewordene Kämpfernatur ließ sich auch von den genannten Anlaufschwierigkeiten nicht beirren und verfolgte wie schon bei der Eintracht, als er aus Durststrecken ebenfalls gestärkt hervorgegangen war, in Salzburg oder bei der kroatischen Nationalmannschaft, die er 2014 zur WM führte, konsequent seinen Weg, schränkte das Rotationsprinzip ein und hat einen funktionierenden Mannschaftskern gefunden.
Taktiktafel
Niko Kovac war sich aber auch für persönliche Anpassungen nicht zu schade und ließ anstatt des lange angewandten 4-3-3-Systems zuletzt im 4-2-3-1 agieren. Der für die rechte Verteidigerposition scheinbar prädestinierte Nachfolger von Philipp Lahm, Joshua Kimmich, bildete daraufhin mit Goretzka das Herzstück im defensiven Mittelfeld, Thomas Müller durfte wieder den Freigeist hinter Tormaschine Robert Lewandowski geben und auf den Flügeln sorgen die Franzosen Franck Ribery, Kingsley Coman und Nationalspieler Gnabry für Betrieb. Insgesamt wirkt das Gesamtgebilde seitdem wieder wesentlich gefestigter und zugleich um einiges flexibler und weniger ausrechenbar. Allerdings verletzten sich am Mittwoch gegen Leipzig Coman und Gnabry, während mit Thiago Alcantara wieder eine zusätzliche wertvolle Alternative fürs zentrale Mittelfeld zur Verfügung steht.
Spieler im Fokus: Niklas Süle
Um die Entwicklung von Niklas Süle beim FC Bayern zu bewerten, lohnt ein Vergleich mit Sebastian Rudy. Beide kamen 2017 von der TSG Hoffenheim an die Isar. Während Rudy nach einem Jahr zum FC Schalke weiterzog, hat sich Youngster Süle nach zwölf Monaten zur unumstrittenen Stammkraft gemausert. Richtig gelesen: Stellte sich bis vor nicht allzu langer Zeit die Frage, wen vom Weltmeister Duo Boateng/Hummels der gebürtige Frankfurter gelegentlich entlasten darf, gilt mittlerweile: Wer von beiden darf neben Süle ran?
Das hat die 1,95-Meter-Kante unter anderem einer Ernährungsumstellung zu verdanken, wodurch die physischen Vorzüge noch besser zur Geltung kommen. Dazu zählt nicht nur eine ungemeine Zweikampf- und Kopfballstärke, sondern auch eine ungeahnte Schnelligkeit. Dazu wagt sich der einstige Riederwälder, der noch keinen von neun Bundesligavergleichen mit der SGE verloren hatte, gelegentlich in die gegnerische Hälfte vor und bringt aus der Distanz gerne seinen Pferdefuß zur Geltung.