07.05.2024
Historie

Vor 30 Jahren: Yeboah verteidigt die Torjägerkanone

Am 7. Mai 1994 schießt Anthony Yeboah die Eintracht nicht nur in den Europapokal, sondern avanciert trotz längerer Verletzungspause im zweiten Jahr in Folge zum Torschützenkönig.

Es ist keine zwei Monate her, als Anthony Yeboah an der Seite seiner Gattin Tarsha über den Roten Teppich vor der Alten Oper flanierte. Blitzlichtgewitter mit allen, die auf oder neben dem Platz maßgeblichen Einfluss auf 125 Jahre Eintracht Frankfurt hatten.

Yeboah, der Eintracht bis heute als Internationaler Markenbotschafter nicht allein emotional, sondern eben auch in offizieller Funktion eng verbunden, erklärte im Rahmen des Frühjahresempfangs: „Es ist immer speziell, wenn ich über den Klub spreche, mit dem ich so viele besondere Momente hatte und habe. Der Verein hatte viele Turbulenzen, viele Hochs und Tiefs. Aber der Klub hat sich immer weiterentwickelt.“

Der gebürtige Ghanaer ballerte zwischen 1990 und Ende 1994 mit dem Adler auf der Brust nicht nur die Bundesliga in Grund und Boden und hatte maßgeblichen Anteil am Fußball 2000, sondern schwang auch sich in zwei Spielzeiten am Stück zum Torschützenkönig auf. Ein Kunststück, das dem Knipser aus Kumasi außerdem 1986 und 1987 in seinem Heimatland gelang.

1992/93 wie auch 1993/94 musste sich Yeboah die Auszeichnung mit dem Widersacher eines anderen Klubs teilen. Erst mit Leverkusens Ulf Kirsten, dann mit Kaiserslauterns Stefan Kuntz. Allein eine Sprunggelenksverletzung, die Yeboah für elf Ligabegegnungen außer Gefecht setzte, verhinderten eine höhere Ausbeute als schließlich 18 Buden in 22 Partien der zweitgenannten Spielzeit. Ohne ihren gefährlichsten Offensivmann holte die SGE ihrerzeit lediglich drei Siege. Nach den ersten neun Spieltagen hatten die Schützlinge von Klaus Toppmöller mit Yeboah in vorderster Front sieben Matches gewonnen und zwei Mal die Punkte geteilt.

Die Herbstmeisterschaft war den Hessen daher sicher – und Yeboah im Frühjahr wiedergenesen. Die 0:1-Niederlage beim VfB Leipzig Anfang April verpasste der Stürmer noch wegen der Abstellung zum Africa Cup. Dort war ebenso im Viertelfinale Schluss wie auf Vereinsebene im UEFA-Cup nach Elfmeterschießen gegen Casino Salzburg. In Deutschlands Beletage befanden sich die Adler auch eher im Sinkflug, wenngleich die Nummer neun der SGE weiter Woche für Woche zuverlässig netzte.

Per Elfmeter nach Europa

Allesentscheidend am letzten Spieltag auswärts gegen den 1. FC Köln per Handelfmeter zum 3:2-Sieg über die Geißböcke. Weil die bereits abgestiegene SG Wattenscheid 09 parallel den Karlsruher SC mit 5:1 überrumpelte, qualifizierte sich die Eintracht auf den letzten Drücker über Rang fünf für den Europapokal, und Tony Yeboah verteidigte mit seinem 20. Saisontor die Torjägerkanone.

Im Sommer folgte Jupp Heynckes auf Interimscoach Karl-Heinz Körbel – und Yeboah, der erste afrikanische Kapitän der Bundesliga, gemeinsam mit Jay-Jay Okocha und Maurizio Gaudino später aufs Abstellgleis. Im Winter folgte der Wechsel auf die Insel zum Leeds United FC. Uwe Bein war um einen Abnehmer für seine tödlichen Pässe und die Bundesliga um eine Attraktion ärmer.

Tony war ein kompletter Stürmer.

Ralf Weber

Ralf Weber, ebenfalls über viele Jahre ehemaliger Mitspieler und 1:0-Schütze beim Saisonfinale am 7. Mai 1994 in Köln, sagt über Yeboah: „Tony war ein kompletter Stürmer, er hat alles gehabt. Seine Dynamik und sein Kopfballspiel waren überragend. Er war unglaublich zweikampfstark, konnte auch im hohen Tempo seinen Körper geschickt einsetzen. Dazu war er mannschaftsdienlich, wollte nie mit dem Kopf durch die Wand. In unserer Zeit hatte er natürlich auch überragende Vorlagengeber mit unter anderem Andy Möller, Uwe Bein und Jay-Jay Okocha“, sagt Weber, der auch den „trockenen Humor“ von „Yegoala“, so Tonys Spitzname in Ghana, hervorhebt.

Eher erleichtert statt erheitert war Yeboah 18 Jahre danach. Der heutige Hotelier war längere Zeit auf der Suche nach dem Kanonenrohr seiner persönlichen Trophäe, die er in der Lobby in Kumasi ausgestellt war. Mitarbeiter hatten es versehentlich verschlampt und 2016 wiedergefunden. Geblieben sind vor allem die engen Bande ins Herzen von Europa, wie Yeboah in diesem Frühjahr beteuerte: „Ich fühle mich immer zu Hause, wenn ich hier bin. Die Menschen lieben mich immer noch, das freut mich ungemein.“