27.03.2024
Historie

Vor 50 Jahren: An (fast) alles gedacht

Am 27. März 1974 öffnet das rundsanierte Waldstadion erstmals seine Tore. Die Sportstadt Frankfurt hat ein neues Prunkstück. Eine kleine Korrektur wird trotzdem nötig.

Wie sich die Bilder manchmal gleichen. Die Fußballwelt zu Gast in Deutschland – und Frankfurt mittendrin. Das wird in diesem Sommer im Rahmen der EURO 2024 der Fall sein, wenn im Deutsche Bank Park fünf Partien der europäischen Kontinentalkämpfe stattfinden werden. Das war 1974 im Zuge der Weltmeisterschaft gegeben; Eröffnungsspiel in Frankfurt inbegriffen und Anlass genug, im Stadtwald sprichwörtlich kaum einen Stein auf dem anderen zu lassen. Mit nachhaltigen Folgen.

Der Abriss des Stadions im Vorlauf der Weltmeisterschaft 1974. An selber Stelle wurde es in der Folge wieder errichtet.

Nach der erfolgreichen Bewerbung als Ausrichterstadt 1968 verging ein Jahr, um die notwendig gewordenen Modernisierungsmaßnahmen am letztmals bis 1955 sanierten Waldstadion auszuarbeiten. Der Startschuss des Ausbaus erfolgte nach diversen Zwistigkeiten 1972. Dann aber gab es kein Zurück mehr. Oder wie aus dem Programmheft „Das Frankfurter Waldstadion“ anlässlich der offiziellen Eröffnung am 27. März 1974 zu entnehmen ist: „Das Wörtchen Umbau, unter dem die Arbeiten […] firmierten, ist vornehmes Understatement angesichts dessen, was tatsächlich geschah. Der Begriff Neubau würde den Kern der Dinge eher treffen.“

Das Gemeinschaftswerk des Dezernats Soziales und Freizeit, des Sport- und Badeamts und der Stadion GmbH hoben ihrerzeit hervor: „Hier ist nicht eine 60.000-Mann-Arena beziehungslos in die Landschaft gesetzt worden, sondern hier ordnet sie sich in einen ganzen Sportkomplex ein, der allen offensteht und der alle ansprechen soll.“

Fast 18 Millionen Stadionbesucher von 1950 bis 1973

Hochrechnungen belegen den Charakter als vielfältige Sport- und Begegnungsstätte: Zwischen 1950 und 1973 fanden 17.911.000 Menschen den Weg in den Stadtwald. Die Mehrheit gar nicht mal als Zuschauer, sondern als aktive Sportler. Zur Erinnerung: Hier ist nicht allein die Rede von der damals sogenannten Hauptkampfbahn, die neben dem Fußball auch der Leichtathletik eine sportliche Heimat bot, sondern die Anlage umfasste auch ein Schwimmbad, eine Kunsteisbahn, eine Bogenschießanlage, eine Kleingolfanlage, Hockeyplätze, Tennisplätze, eine Radrennbahn und wie auch heute die Wintersporthalle.

Ins Auge stechen rückblickend nicht nur die Umgestaltung im Schnelldurchlauf innerhalb von 19 Monaten, die Gesamtkosten einschließlich Wettkampfanlagen und Verkehrsmaßnahmen über 28,3 Millionen D-Mark, sondern auch die Feststellung der Verantwortlichen: „Obwohl die Hauptkampfbahn zu einer einzigen Großbaustelle wurde, konnte der Spielbetrieb kontinuierlich fortgesetzt werden.“

Als Prunkstück all dessen galt freilich die 135 lange und 24 Meter hohe Haupttribüne. Andererseits ist der mehr als eine Erwähnung wert: „Erstmals erhielt die Haupttribüne ein Pendant: Diese Gegentribüne zieht sich bis in die Kurvenradien und überdacht weitere 13.000 Sitzplätze. Daneben hat sie die Sprecherkabinen für Rundfunk und Fernsehen aufgenommen.“

Weitere Neuerungen

Schlussendlich hat sich das Gesamtfassungsvermögen zwar von 70.000 auf 61.942 verringert, „das Verhältnis von Sitz- zu Stehplätzen aber auf fast 1:1 verbessert. Eine Maßnahme, die zweifellos den Wünschen des Publikums entspricht, wie die ersten Reaktionen gezeigt haben.“

Werbung für die Sportstadt Frankfurt: Das modernisierte Stadion im Stadtwald wenige Monate vor der Weltmeisterschaft in Deutschland.

Konnte also losgehen. Erstmals in den Genuss der Moderne kam das Frankfurter Publikum beim Freundschaftsspiel zwischen Deutschland und Schottland. Die Bundesadler behielten mit 2:1 die Oberhand. Die Führung besorgte Paul Breitner per Elfmeter, die am 10. März 2022 verstorbene Eintracht-Legende Jürgen Grabowski erhöhte vor der Pause auf 2:0.

Ein Länderspiel in deinem Vereinsstadion, das ist immer etwas Besonderes.

Jürgen Grabowski im März 2020

„Das war ein ganz wichtiges Spiel für mich. Wir haben 2:1 gewonnen, ich konnte einen Treffer zum Sieg beisteuern. Das hat mir geholfen, einige Monate später bei der WM mehr Spielzeiten zu erhalten. Ein Länderspiel in deinem Vereinsstadion, das ist immer etwas Besonderes“, sagte Grabowski in einem seiner letzten Interviews im März 2020 der Gießener Allgemeine. Grabowski außerdem: „Die Modernisierungen sind schön. Aber ich empfand es als Glück, noch das alte Waldstadion kennengelernt zu haben. Wenn ich beispielsweise mal die Schienbeinschoner vergessen hatte, habe ich meinen Vater angerufen. Der kam, sprach mit einem Ordner, brachte mir die Sachen in die Kabine. Da war alles viel persönlicher.“

Die Wasserschlacht von Frankfurt 1974: Bernd Hölzenbein (links) macht als Fußballstar den Freischwimmer.

Wenn auch nicht einfacher, denn die WM im eigenen Land hatte nicht nur sportlich triumphale Folgen.

Positiv in den Schlagzeilen am 13. Juni 1974: das von Bundespräsident Gustav Heinemann eröffnete Turnier zwischen Brasilien und Jugoslawien im Herzen von Europa (0:0).

Negativ in den Schlagzeilen am 3. Juli 1974: das als Wasserschlacht in die Geschichte eingegangene letzte Zwischenrundenspiel um den Finaleinzug zwischen Deutschland und Polen (1:0).

Entsprechend folgte 1978 die Installation einer Drainage plus Rasenheizung. Daran wird es 50 Jahre später im Deutsche Bank Park nicht scheitern.