Nachdem die sportliche und kommunikative Pflicht – Fußball in der Bundesliga, Pressekonferenz mit den Trainern – erfüllt war, standen Dino Toppmöller und Eugen Polanski noch ein paar Minuten im Mönchengladbacher Medienraum zusammen. Um was es beim Gespräch abseits der Kameras und Mikrofone ging, ließ sich nicht erahnen, noch weniger, ob sich der Eintracht-Coach beim ehemaligen Spieler des FC Getafe nach dessen Erfahrungswerten in einem Auswärtsspiel gegen Atlético de Madrid erkundigt hat. Immerhin hat Polanski für den Madrider Vorstadtklub 2009 ein 1:1 bei den Colchoneros ergattert. Lange ist es her, neben dem Kader hat sich bei Atleti auch das Stadion verändert und der Trophäenschrank gefüllt. Oder wie Markus Krösche aufzeigte: „Es wird 90, 95 Minuten ein Lernprozess sein, weil du auf eine erfahrene Mannschaft triffst, die eine hohe Qualität hat und das seit Jahren und Jahrzehnten kennt, in der Champions League zu spielen.“
Ausgangslage
Keine Frage, die Kräfteverhältnisse auf die jeweilige Ligaplatzierung zu reduzieren, wäre schlichtweg platt. Beide Vereine lagen nach Samstag – vorbehaltlich der ausstehenden Spiele – in La Liga und der Bundesliga auf Platz vier und beschlossen die Vorsaison auf Rang drei. Immerhin: In puncto UEFA-Koeffizient, der sich an den internationalen Ergebnissen der vergangenen fünf Spielzeiten orientiert, liegen Atleti auf elf und Frankfurt auf 14 nicht so weit auseinander wie vielleicht angenommen. Doch in der UEFA Champions League kennt sich der Gastgeber vom Dienstag aus.
2014 und 2016 standen die spanischen Hauptstädter im Endspiel, 2017 im Halbfinale. Jeweils hieß die Endstadion ausgerechnet Real Madrid. Wie überhaupt in fünf K.-o.-Runden, als immer die Königlichen die Oberhand behielten. So auch 2024/25. Das Achtelfinalrückspiel ging ins Elfmeterschießen und schlug am Ende so hohe Wellen, dass der Europäische Fußballverband sein Regelwerk überarbeitete; seither gelten versehentliche Doppelberührungen wie die von Julián Alvarez beim Elfmeterschießen nicht mehr als Fehlschuss.
Auch von der Fieberkurve der ersten Ergebnisse lässt sich schwer ableiten, wer wie konstant in Schuss ist. Atlético verlor zum Auftakt 1:2 bei Espanyol Barcelona und spielte danach unter anderem dreimal 1:1-remis. Dem gegenüber stehen zwei Heimsiege, 2:0 gegen Villarreal und 3:2 gegen Rayo Vallecano, ehe Rot-Weiß am siebten Spieltag Tatsachen schuf. Denn seit Samstag ist Fakt: Warm geballert haben sich beide. Die Hessen mit 6:4 in Mönchengladbach, die Madrilenen im Derby gegen Real mit 5:2.
Erste Eindrücke
„Man sieht, auf was für eine Mannschaft wir treffen. Das wussten wir im Grunde schon vorher vom Namen her. Nun haben sie wieder gezeigt, welchen Fußball sie spielen können und was sie zu leisten imstande sind. Daher wird es ein schwerer Brocken, um den wir schon vorher wussten“, nahm Sportvorstand Krösche das Derby-Statement recht nüchtern zur Kenntnis, um im selben Atemzug die eigenen Möglichkeiten zu unterstreichen: „Man wird sehen, wie weit wir dann wirklich sind in gewissen Situation. Das ist das Schöne. Wir fahren dahin, gehen das Spiel an und versuchen, mit einer guten Leistung etwas mitzunehmen. Ich bin voller Vorfreude auf das Spiel!“
In dieselbe Kerbe schlägt Timmo Hardung, der am Sonntag zu Gast bei SPORT1 war. Der Eintracht-Sportdirektor erklärte im Doppelpass: „Die fünf Tore gegen Real hätten wir nicht gebraucht, um zu wissen, dass sie ordentlich Qualität in der Offensive haben.“ Die Devise laute daher unisono mit Krösche: „Hinfahren, nochmal ein bisschen mehr auf uns fokussieren, nicht so viele Chancen und keine einfachen Tore zulassen. Ich glaube, es wird ein sehr ereignisreiches Spiel, in dem wir etwas mitnehmen können.“
Rückblick: Argentinische Schule
Dass Atlético jedoch auch nicht einfache Tore kann, zeigte es just im Derbi madrileño, als Julián Alvarez in bester Alejandro-Grimaldo-Manier einen Freistoß in den Knick zauberte. Alvarez ist mit sechs Toren und einer Vorlage an den ersten sieben Spieltagen der beste Scorer hinter Kylian Mbappé. Und einer von sechs argentinischen Akteuren im Aufgebot von Diego Simeone, selbst aus dem Land des dreimaligen Weltmeisters kommend und seit Dezember 2011 an der Seitenlinie.
In der Klubgeschichte standen laut transfermarkt.de sage und schreibe 62 Fußballer aus Argentinien beim elfmaligen spanischen Meister unter Vertrag; mit Abstand die meisten Internationalen, danach kommt Brasilien mit 32.
Simeone gesperrt
Zurück zum Tagesgeschehen. Denn während die SGE mit einem 5:1 gegen Galatasaray in die Ligaphase startete, verlor Atlético in Anfield in der Nachspielzeit nicht nur das Spiel gegen den Liverpool FC mit 2:3, sondern mindestens für Spieltag zwei auch Chefcoach Simeone, der im Eifer des Gefechts Rot sah und damit automatisch mindestens für das nächste Match gesperrt sein wird.
Punktuelle Erfahrungswerte gegen Atlético
Derweil kann sich SGE-Cheftrainer Dino Toppmöller glücklich schätzen, selbst personell nahezu aus dem Vollen schöpfen zu können. Von den für die Ligaphase gemeldeten Akteuren laboriert einzig Rasmus Kristensen an einer Muskelverletzung, der Däne könnte für das kommende Wochenende wieder zur Option werden. Dafür sammelte Mario Götze in Mönchengladbach rund 40 Minuten Spielpraxis.
„Er wird für uns in den nächsten Wochen und Monaten noch extrem wichtig werden. Wenn er einen guten Fitnesszustand hat und in einen Flow kommt, ist er für jede Mannschaft unfassbar wertvoll“, bekundete Toppmöller auf der Pressekonferenz am Donnerstag. Götze weist mit 75 Einsätzen in der Königsklasse die mit Abstand meisten im Kader auf. Zwei Duelle lieferte sich der 33-Jährige mit Atlético de Madrid. Michy Batshuayi kreuzte mit den Colchoneros drei Mal die Klingen, für den Chelsea FC traf der Belgier in der Champions-League-Gruppenphase 2017 als Joker in der vierten Minute der Nachspielzeit zum 2:1-Sieg in Madrid. Ansprechpartner für das Abenteuer im Estadio Metropolitano gäbe es für Toppmöller und Co. folglich auch in den eigenen Reihen.