05.05.2021
Bundesliga

Wachgeküsst

Auf die schwächste Hinrunde folgte die beste Rückserie der Vereinsgeschichte. Mainz 05 ist unter Chefcoach Bo Svensson formstark wie nie.

Situation: Nachhaltiger Eindruck

Punktgleich mit dem Tabellenletzten Schalke 04 rangierte der 1. FSV Mainz 05 nach 17 Spieltagen mit sieben Zählern auf Platz 17. Mit 28 Punkten liegt Mainz in der Rückrundentabelle auf Rang fünf. Damit sammelten die Nullfünfer in diesem Betrachtungszeitraum lediglich vier Zähler weniger als Spitzenreiter Bayern München. Die Rheinhessen sind seit nunmehr acht Bundesligaspielen ungeschlagen und damit so lange wie kein anderes Team im deutschen Oberhaus. Am Montag trennte sich Mainz im Nachholspiel des 29. Spieltags 1:1 von Hertha BSC, zuvor hatte der FSV hintereinander in Köln (3:2), in Bremen (1:0) und gegen den FC Bayern (2:1) dreifach gepunktet. Mit dem Sieg gegen den deutschen Rekordmeister konnten die Nullfünfer wichtige Big Points im Abstiegskampf sammeln. Cheftrainer Bo Svensson wollte sich allerdings nicht in Euphorie verlieren. „Ich kann das gut einordnen. Ich kenne die Branche und die Mechanismen, sehe aber in erster Linie, von wo wir kommen, wo wir heute sind und wo wir in Zukunft am liebsten hinwollen aus meiner Sicht“, so der 41-Jährige. Trotz der Rekordrückrunde liegt der Fokus weiterhin auf dem großen Ziel Klassenerhalt, das angesichts der Formkurve greifbarer denn je scheint. „Der Punkt ist wichtig, aber wir haben jetzt noch drei Endspiele vor uns. Es geht weiter, bis der Klassenerhalt rechnerisch sicher ist“, erklärte Stürmer Ádám Szalai nach der Partie am Montagabend.

Trainer: Mainzer Rekordstarter

Mit ihm kam der Aufschwung: Bo Svensson übernahm das Cheftraineramt beim FSV im Januar dieses Jahres. Aus den ersten drei Spielen unter seiner Leitung gegen die Eintracht (0:2), Borussia Dortmund (1:1) und den VfL Wolfsburg (0:2) holte Mainz erstmal einen Punkt. Zum Auftakt der Rückrunde platzte mit einem 3:2-Heimerfolg gegen Leipzig der Knoten. Mit 29 Punkten aus seinen ersten 17 Ligapartien hat Svensson den besten Start aller Mainzer Bundesligatrainer hingelegt.

Früher als Spieler, heute als Trainer eine zentrale Figur in Mainz: Bo Svensson.

Der 41-Jährige ist den Nullfünfern sehr verbunden, zwischen 2007 und 2014 hielt er 122 Mal die Knochen in der Mainzer Innenverteidigung hin. Nach dem Ende seiner Profikarriere assistierte der Däne in der Spielzeit 2014/15 zeitweise Martin Schmidt als Co-Trainer und arbeitete sich seit 2015 als Cheftrainer von der U16 bis zur U19 hoch. Die A-Junioren führte der Fußballlehrer 2019 schließlich auf Platz zwei der A-Junioren-Bundesliga Süd/Südwest und machte nach zwölf Jahren in der zur zweiten Heimat gewordenen Landeshauptstadt den FC Liefering auf sich aufmerksam. Auch den österreichischen Zweitligisten führte Svensson, der selbst noch unter Klopp, Tuchel und Schmidt spielte und lernte, auf seiner ersten Profitrainerstation auf Anhieb auf Rang drei und während der laufenden Runde auf Position zwei. Seit Anfang des Jahres ist der gebürtige Skørpinger nun zurück beim FSV und hat die ersten Kapitel einer erfolgsversprechenden Geschichte geschrieben.

Taktiktafel: Bewusste Prioritäten

Mit dem Trainerwechsel ging eine taktische Umstellung auf Dreierkette einher. Svensson vertraut auf ein 3-4-2-1- respektive 3-5-2-System und verlangt seinen Mannen im Spiel gegen den Ball alles ab. Der Fokus liegt klar auf frühem Pressing und konsequenter Zweikampfführung. Im Schnitt 113 direkte Duelle pro Partie sind die zweitmeisten der Liga. Dafür nehmen die Gäste auch spielerische Abstriche in Kauf. 42 Prozent Ballbesitz und 71 Prozent Passquote sind beides Tiefstwert in der Beletage. Doch die Prioritäten zahlen sich aus: 14 Gegentreffer nach 14 Rückrundenspielen sind die drittwenigsten der Liga. Zum Vergleich: Nach dem 14. Spieltag hatte der FSV mit 31 Gegentreffern noch die zweitanfälligste Defensive gestellt.

1. FSV Mainz 05 2020/21
Kompakt9 Siege, 8 Unentschieden, 14 Niederlagen, 34:50 Tore, 35 Punkte, Tabellenplatz 12
FormkurveU-S-S-S-U
TorschützenMateta (7), Quaison (4), Niakhaté (3), Onisiwo (3), Stöger (3), Barreiro (2), Brosinski (2), Burkardt (2), Glatzel (2), Boetius (1), Hack (1), Kohr (1), Mwene (1), Öztunali (1), Szalai (1)

In der Dreierkette sind Moussa Niakhaté, Jeremiah St. Juste und Stefan Bell gesetzt. Letztgenannter wird am Sonntag gelbgesperrt fehlen und voraussichtlich von Alexander Hack vertreten. Im Mittelfeld kamen am vergangenen Spieltag Dominik Kohr, Leandro Barreiro und Jean-Paul Boetius zum Einsatz, auf den beiden Außenpositionen vertraut Svensson auf Phillipp Mwene und Danny da Costa. Im Sturm liefen gegen Hertha BSC Karim Onisiwo und Ádám Szalai auf, mit Youngster Jonathan Burkardt, Robin Quaison und Robert Glatzel stehen offensive Alternativen bereit. Seit dem Wechsel von Toptorschütze Jean-Philippe Mateta, den es im Januar leihweise zu Crystal Palace zog, fehlt den Rheinhessen zwar ein klassischer Torjäger, die Treffer verteilen sich nun jedoch auf mehrere Schultern – 15 verschiedene Torschützen toppt ligaweit nur Borussia Dortmund (18). Generell ist Mainz kaum auszurechnen, auch hinsichtlich der Formation. Allein in den vergangenen zwei Partien kam es zu insgesamt neun personellen Wechseln in der Startelf.

Spieler im Fokus: Leandro Barreiro

Abräumer, Antreiber, Spielentscheider: Leandro Barreiro.

Leandro Barreiro ist unter Svensson zum Fixpunkt der Mainzer Zentrale gereift. Kein Wunder, schließlich war es der heutige Cheftrainer, der vor fünf Jahren als damaliger U16-Coach auf Barreiro aufmerksam wurde. Nach einem Testspiel inklusive Probetraining waren sowohl Svensson als auch Volker Kersting, Leiter des Mainzer Nachwuchsleistungszentrums, vom Talent des 16-Jährigen überzeugt. „Wir haben uns kurz ausgetauscht und haben sofort gedacht, dass wir ihn nach Mainz holen müssen. Man hat nach einem Training schon gesehen, dass er der Beste ist. Ich habe ihn also quasi entdeckt“, erklärte der FSV-Chefcoach jüngst im Interview mit SWR Sport.

2016 wechselte Barreiro aus seiner Heimat Luxemburg zu den Rheinhessen. Nach Einsätzen in den Nachwuchsteams gelang dem Youngster schnell der Sprung zu den Profis. Schon in der Rückrunde der vergangenen Saison stand der gebürtige Luxemburger regelmäßig für die Nullfünfer auf dem Rasen. Seit der neue Cheftrainer beim FSV im Amt ist, verpasste Barreiro lediglich eine Partie. Dabei zeigt der 21-Jährige in der aktuellen Spielzeit seine Matchwinner-Qualitäten: Seine bisherigen beiden Bundesligatore erzielte Barreiro bei den 3:2-Siegen gegen Leipzig und Köln, beide Male markierte er den Endstand. Im direkten Kampf um den Klassenerhalt gegen den Effzeh sorgte der luxemburgische Nationalspieler neben seinem Treffer auch mit einer Vorlage für wichtige drei Punkte. Laut seines Cheftrainers fehlt es dem Mittelfeldmann weder an Talent noch an harter Arbeit und Ehrgeiz. „Er ist teilweise ein bisschen verrückt, wenn man sieht, wie er trainiert. Man muss ihn manchmal eher bremsen, weil er immer mehr machen möchte“, so Svensson.

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