13.05.2018
Interview

„Nichts zu verlieren, aber viel zu gewinnen!“ - Uli Stein im Pokal-Interview

Eintracht-Legende Uli Stein hat vor 30 Jahren den DFB-Pokal mit der Eintracht geholt. Im Interview spricht er über seine SGE-Zeit und gibt einen Ausblick auf das Finale am Samstag gegen den FC Bayern München.

Uli, fangen wir mit der Mixtur aus Schlangen- und Ameisengift an, die dir mal verabreicht wurde. Wie hast du diese Medizin, die ziemlich brutal klingt, verkraftet?
Das war ganz witzig. Das kam durch einen Naturheilpraktiker, der auch bei Prof. Dr. Klümper als Arzt gearbeitet hat. Er hat irgendwann auch mit Naturheilkunde angefangen. Ich habe ihn zu meiner Frankfurter Zeit kennengelernt, Wolfgang Steubing hatte ihn mir empfohlen. Er hatte in Königstein eine Villa, mit einer langen ansteigenden Hofeinfahrt. Überall hingen Kameras. Er hat dich beobachtet, wenn du dort hochgelaufen bist. Wenn du reinkamst, hat er schon die Diagnose gestellt. Unglaublich, ein Phänomen.

Und, wie fiel die Analyse bei dir aus?
Ich hatte damals Rückenprobleme. Ich habe mich hingelegt, er hat dann diese Mischung aus verschiedenen Giften verabreicht. Das hat er zumindest gesagt. Was sonst noch drin war, weiß ich nicht (lacht). Er hat mir versichert, dass es nur Naturheilmittel sind. Die Behandlung hat fünf Minuten gedauert, danach waren die Schmerzen weg. Wahnsinn. Das Gleiche haben wir dann nochmal gemacht, als ich beim Spiel umgeknickt bin und wir darauf eine englische Woche hatten. Ich hatte einen dicken Fuß. Dann bin ich wieder hin, er sagte gleich: Alles kein Problem. Nach der Behandlung war die Schwellung noch da, aber ich hatte keine Schmerzen mehr. Mittwochs habe ich wieder gespielt. Der Kerl war eine Granate. Leute aus aller Welt sind zu ihm hingekommen. Irgendwann war er über Nacht weg, ich habe nie mehr was von ihm gehört. Schade.

Mit dieser Geschichte sind wir mittendrin in deiner Frankfurter Zeit. Wie blickst du heute auf diesen Abschnitt deiner Fußballerkarriere zurück?
Ich hatte eine tolle Zeit hier. Natürlich gibt's immer noch einen Wermutstropfen, die Geschichte von 1992. Das war sehr ärgerlich, dass wir die Meisterschaft nicht geholt haben. Hätten wir die Partie in Rostock zehnmal gespielt, hätten wir neunmal gewonnen. Dieses eine Mal hat's nicht gepasst. Dubiose Schiri-Entscheidungen waren dabei, es war ein klarer Elfer. Aber gut, das ist Schnee von gestern.

Für so viele gute Fußballer zu wenige Titel

Ansonsten war es eine durchweg positive Zeit?
Absolut. Wir haben aus dem Status einer grauen Maus heraus Fußball 2000 gespielt. Bein, Yeboah, Möller, Okocha, Gaudino - wir hatten eine tolle Mannschaft, fußballerisch hervorragend. Wir haben nur für die Klasse, die wir hatten, zu wenig Titel geholt. Da hätten wir mehr draus machen müssen.

Du sprichst 1992 an. Ihr habt die Meisterschaft aber nicht nur am letzten Spieltag verloren.
Richtig, die Partie gegen Bremen war entscheidend. Werder hatte ein paar Tage zuvor den Pokal der Pokalsieger gewonnen, war in Feierlaune. Die wollten nur 90 Minuten irgendwie auflaufen und wieder heimfahren. Ehe wir uns versehen hatten, lagen wir 0:2 hinten. Wir waren nicht in der Lage, gegen diese angeschlagene Mannschaft zu gewinnen. Hätten wir gewonnen, hätte in Rostock ein Remis gereicht. Das hätten wir geschafft, da bin ich sicher.

Gehen wir ein paar Jahre zurück, knüpfen aber an deine Aussage zum Fußball 2000 an. In deiner ersten Saison 1987/88 habt ihr den DFB-Pokalsieg gefeiert, eigentlich noch vor dieser Zeit des ansehnlichen Fußballs.
Ich kam im November 1987 zur Eintracht. Die Eintracht hatte einen schlechten Start, war anfangs sogar auf Rang 17. Wir sind dann noch Neunter geworden, womit keiner mehr gerechnet hatte. Und wir haben den Pokal gewonnen. Dadurch konnten wir richtig loslegen. Ich habe mitgeholfen, Spieler wie Heinz Gründel und Stefan Studer zu holen. Da hatten wir dann endlich auch gute Fußballer in der Mannschaft, vorher hatten wir nur Arbeiter. Das war dann für Uwe Bein auch ein Grund, zu kommen. Wären diese Jungs nicht da gewesen, hätte Uwe nie zugesagt. Yeboah und Okocha auch nicht.

Auch mit dieser Arbeitermannschaft hatte es zum Pokalsieg gereicht. Überraschend?
Definitiv, aber es passte eben alles. Die lockere, menschliche, väterliche Art von Kalli Feldkamp, die aber leider nur ein Jahr geholfen hat. Wir hatten zu wenig trainiert und haben die Quittung ein Jahr später bekommen. Gleich drei Niederlagen zum Auftakt, darunter zwei Aufsteiger. Da hast du gemerkt, dass die Truppe nicht fit war. Das hatten wir ein Jahr mit Spaß kompensiert.

"Boateng ist ein Super-Typ"

Dann ging's aber aufwärts.
Tony Yeboah hatte für Saarbrücken gegen uns ein Klassespiel gemacht und zwei Tore geschossen. Wir konnten ihn und andere gute Fußballer verpflichten, und dann ging es Stück für Stück nach oben. Zwei Jahre später haben wir den Fußball 2000 gespielt. Und das ist vergleichbar mit der Mannschaft heute.

Inwiefern?
Der Unterschied ist nur, dass die Mannschaft heute mehr Siegertypen drin hat. Alle haben das Siegergen. Davon hatten wir in unserer Zeit zu wenig. Da war nicht jeder bereit, jede Woche 100 Prozent zu geben. Das war unser Problem, denn so holst du keine Titel. Es gibt heute echte Leader. Kevin-Prince Boateng lebt das auf und neben dem Platz vor. Die Typen, die wir jahrelang vermisst haben, sind in Frankfurt wieder da. Das merkt man.

Wie gefällt dir ein Typ wie Prince? Du warst ja früher auch schon einer, der immer klar seine Meinung gesagt hat und auch mal angeeckt ist.
Super! Er kratzt, beißt, geht vorneweg. Ich hatte nur Ärger, weil ich das Fehlen dieser Eigenschaften bei anderen bemängelt habe. Ich habe aber nicht gesagt: "Du oder du kannst nicht kicken." Ich habe nur festgestellt und auch mal drauf hingewiesen, dass der eine oder andere zu wenig aus seinen Fähigkeiten macht und eben mal nur 60, 70 Prozent gibt. Das reicht nicht für Titel, wie gesagt. Heute haben diese Mentalität wie ich damals alle Spieler, auch die Einwechselspieler.

"Auch vergangenes Jahr hatten wir eine Chance"

Was sind noch die Gründe, warum die Saison so erfolgreich ist?
Niko Kovac hat es hinbekommen, die Mannschaft topfit zu machen. Sie haben die körperlichen Voraussetzungen, um gegen die Großen dagegenzuhalten. Trotz alledem ist es eine spielerisch gute Mannschaft. Die Arbeit trägt Früchte, es wird immer besser. Die Jungs müssen auch erstmal verstehen, was der Trainer will. Das ist ein Prozess. Mittlerweile hat man das Gefühl, dass jeder Spieler begriffen hat, um was es geht.

Im Pokalfinale nächste Woche geht es um ziemlich viel. Hat die Eintracht gegen den Rekordmeister FC Bayern München ein Chance?
Du hast in jedem Spiel eine Chance. Außerdem liegt der ganze Druck doch bei den Bayern. Die Eintracht hat in Berlin nichts zu verlieren, aber viel zu gewinnen. Das ist eine gute Ausgangsposition und in einem Endspiel ist einfach alles möglich.

Was kann die Eintracht aus dem verlorenen Finale von 2017 mitnehmen?
Das man auch dort gegen einen starken Gegner Borussia Dortmund seine Chancen hatte, den Pokal zu holen. Wenn das Ding vor der Halbzeit rein, anstatt an den Pfosten geht, wer weiß wie das Match ausgeht.

Wenn du deine Finalspiele mit denen von heute vergleichst. Was hat sich verändert?
Also das Berliner Olympiastadion war schon damals ausverkauft und die Stimmung war auch überragend. Aber der ganze Eventcharakter ist natürlich riesengroß geworden. Schon freitags beginnt hier die Party und das ganze drumherum ist enorm gewachsen.

[Anm. d. Red.: das Interview in voller Länge gibt's in unserem Klubmagazin "Eintracht vom Main"]