Johannes, wie geht es dir? Wo erwischen wir dich?
Ich sitze im Trainerbüro beim SC Freiburg. Mir geht es gut, ich bin gesund und wohlauf.
Inzwischen bist du als U23-Verbindungstrainer tätig. Welche Aufgaben kommen dabei auf dich zu, wo liegt speziell dein Fokus?
Eine Verbindung zwischen zwei oder auch mehreren Mannschaften – bei mir sind es die U19 und U23. Ich betreue einzelne Spieler individuell. Dabei genieße ich das große Privileg, dass ich die Jungs eng begleiten darf, ohne aber den Druck zu haben, an Wochenenden auf Mannschaftserfolg achten zu müssen.
Stichwort Durchlässigkeit.
Entscheidend ist im Übergangsbereich die Entwicklung. Meine Aufgabe ist es, die Jungs dergestalt zu betreuen, zu begleiten und zu entwickeln, dass sie irgendwann für unsere Profis bereit sind. Grundsätzlich ist das der Fokus all unserer Trainer, und da sind wir in Freiburg ein Stück weit bekannt für. Wie schon gesagt, ich als Verbindungstrainer habe die Freiheit, keine Spiele gewinnen zu müssen, sondern auf einzelne Spieler schauen zu können.
Die Eintracht schafft es und ist mutig genug, junge Spieler einzusetzen – das ist sensationell, richtig gut.
Johannes Flum
Du hast zum Ende deiner Karriere für Freiburgs Zweitvertretung gespielt, in der Regionalliga Südwest – inklusive Aufstieg – sowie in der Dritten Liga. Anschließend zog es dich 2022 direkt in die Jugendarbeit des Sport-Clubs. War dir schon früh klar, dass du nach deiner aktiven Laufbahn mit jungen Talenten zusammenarbeiten und diese fördern möchtest?
Ich wollte immer ins Trainerwesen reinschnuppern. Nach meiner aktiven Karriere war ich zunächst Co-Trainer der U16 und habe sehr schnell gemerkt, wie viel Spaß und Freude mir das bereitet und dass es für mich der richtige Weg ist.
Apropos junge Spieler: Mit einem Durchschnittsalter von 25 Jahren und 155 Tagen stellt die Eintracht die zweitjüngste Startelf der laufenden Bundesligasaison. Wie blickst du auf den SGE-Kader?
Da muss man zunächst ein Kompliment an Dino Toppmöller, sein Trainerteam und den ganzen Verein aussprechen. Die Eintracht schafft es und ist mutig genug, junge Spieler einzusetzen – das ist sensationell, richtig gut. Ich weiß, dass das Umfeld in Frankfurt zwar supercool, aber auch nicht immer ganz einfach ist. Der Erfolg gibt ihnen Recht, dass man auch mit vielen jungen Spielern erfolgreich sein kann – auch wenn diese mehr Zeit brauchen. Ich bin zwar nicht so nah dran, aber: Dieser Weg ist spannend und richtig.
Gibt es Spieler bei der Eintracht, die dir in ihrer Entwicklung in den vergangenen ein, zwei Jahren besonders imponieren?
Mich interessiert der Weg der Eintracht nach wie vor, weil ich dort eine super Zeit hatte. Ich muss aber sagen: Ich bin so sehr mit dem SC Freiburg beschäftigt, dass ich die Spiele der Eintracht eher oberflächlich schaue und keine einzelnen Spieler verfolge. Aber es ist generell beeindruckend, wie schnell die Jungs bei einem solch großen Verein Fuß gefasst haben – das bekommt man natürlich auch als Außenstehender mit. Oft werden die Offensiven gelobt, die in den Fokus rücken; und bei Hugo Ekitiké muss man nicht großer drum herumreden, das sieht jeder. Aber Frankfurt hat auch in der Defensive Spieler, die eine tolle Entwicklung genommen haben.
Du hast deine Zeit bei der Eintracht gerade schon kurz angerissen. Du hast insgesamt 54 Pflichtspiele mit dem Adler auf der Brust absolviert, hattest aber leider auch immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen. Wie schaust du auf deine Zeit im Herzen von Europa zurück?
Wenn ich heute gefragt werde oder mit Freunden und Familie darüber spreche, dann sage ich immer: Es war unglaublich. Ich habe es damals bereits wahrgenommen und den Moment genossen, aber manchmal realisiert man auch erst später – jetzt, wo ich nicht mehr aktiv spiele – was das für Abende und Reisen waren. Da blicke ich unglaublich gerne drauf zurück. Wir waren eine tolle Truppe, das hat unter Armin Veh so viel Spaß gemacht – und wir haben guten Fußball gespielt. Gegen Porto sind wir nach 2:2 und 3:3 nur aufgrund dieser blöden Auswärtstorregel gescheitert – wer weiß, wo die Reise noch hingegangen wäre. Ich denke auch gerne an Bordeaux zurück, als unter der Woche 12.000 Frankfurter in Orange erschienen sind. Diese Zeit nimmt mir keiner, eine tolle Zeit. Mit Alex Meier habe ich es auch gelegentlich davon, wir machen aktuell gemeinsam die Trainerlizenz. Da blickt man gerne zurück.
Mit Alex Meier sowie Pirmin Schwegler, Bastian Oczipka, Marco Russ und Kevin Trapp standen fünf Spieler mit dir auf dem Platz, die heute noch bei der Eintracht wirken. Wie eng ist der Draht noch unters Adlerdach?
Eigentlich nur noch mit wenigen. Wie gesagt, mit Alex mache ich gerade die A-Lizenz – das macht großen Spaß, wir sind regelmäßig in Frankfurt auf dem DFB-Campus oder in der Sportschule Grünberg [in Mittelhessen; Anm. d. Red.]. Wir tauschen uns aus und sind gemeinsam auf dem Platz. Auch mit Seppl Rode bin ich noch in Kontakt.
Lust, mal mit Meier und Oczipka mal wieder zusammenzuspielen? Das ginge in der Traditionsmannschaft: Hat dich Karl-Heinz Körbel schon mal angerufen?
Da bin ich in Freiburg zu sehr eingebunden, da wären mir für ein Fußballspiel die Fahrten zu lang (lacht). Bei der Eintracht haben sie so viele gute ehemalige Spieler, da brauchen sie mich nicht.
Am kommenden Sonntag gastiert der FC St. Pauli im Deutsche Bank Park, insgesamt 80-mal standest du für die Kiezkicker auf dem Rasen. Vorletzter Spieltag, die Würfel könnten für beide Klubs entscheidend fallen. Aufgrund deiner persönlichen Historie eine besondere Partie für dich, oder liegt dein Fokus schlichtweg voll und ganz auf dem SC Freiburg?
Der Fokus liegt auf dem SC Freiburg, und auch wir können in dieser Saison noch Großes erreichen [Tabellenvierter vor dem 33. Spieltag; Anm. d. Red.]. Trotz allem schaue ich mir das Spiel am Sonntag selbstverständlich sehr gerne an – ich bin sehr gespannt, irgendwie drücke ich beiden die Daumen. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass die Eintracht in die Champions League einziehen und St. Pauli die Klasse halten wird. Mit Noah Weißhaupt, Carlo Boukhalfa und Philipp Treu sind drei Spieler, die in Freiburg in der U23 im Übergangsbereich waren und mit mir zusammengespielt haben, inzwischen Profis bei St. Pauli. Zwei tolle Teams, bei denen ich spielen durfte, und dann auch noch Jungs, die ich kenne – ich werde mir das Spiel auf jeden Fall anschauen.
Die Eintracht stellt die viertbeste Offensive, St. Pauli die geteilt zweitbeste Defensive der Liga. Was bekommen wir für ein Spiel zu sehen?
Frankfurt wird das Spiel dominieren, davon bin ich überzeugt. Die Eintracht will unter Dino Toppmöller schnell nach vorne spielen und ist sehr zielstrebig. Für Alexander Blessin [Cheftrainer; Anm. d. Red.] und St. Pauli ist die Tatsache, die zweitbeste Defensive der Liga zu stellen, ein absolutes Qualitätsmerkmal, weil sie individuell nicht die beste Mannschaft haben, es aber als Aufsteiger geschlossen als Einheit hinbekommen – davor kann man nur den Hut ziehen. Sie setzen offensiv immer wieder Akzente, haben es aber verstanden, dass in der Bundesliga die Verteidigung die Basis sein muss. Es wird am Sonntag nicht hin- und hergehen, Frankfurt wird öfter den Ball haben – aber diese Defensive gilt es erst einmal zu knacken.
Ich hoffe, dass Frankfurt schon durch ist und etwas gelassener nach Freiburg reisen kann.
Johannes Flum über den 34. Spieltag
Was zeichnet die Verteidigung St. Paulis aus?
Ich bin in der Trainingswoche nicht dabei, kann also nur sagen, was ich bei den Spielen im Fernsehen sehe: eine sehr gute Kompaktheit in ihrer Dreier- beziehungsweise Fünferkette, gute Verteidiger sowie ein gutes Zusammenspiel mit dem Torwart. St. Pauli hat diesen unbedingten Willen, das eigene Tor verteidigen zu wollen – alle marschieren von vorne bis hinten.
Dein Tipp für Sonntag?
2:1 für die Eintracht.
Damit wäre die Qualifikation für die Königsklasse auf jeden Fall in trockenen Tüchern. Natürlich etwas ins Blaue gesprochen, da bereits an diesem Spieltag einige Entscheidungen gefallen sein könnten: Deine Einschätzungen zum Saisonfinale zwischen Freiburg und der Eintracht? Auch im Breisgau ist das Europapokalticket – alle drei Wettbewerbe sind möglich – ein Thema.
Ich bin bei der U23 und U19 und will mich deshalb gar nicht aus dem Fenster lehnen, das ist auch nicht die Freiburger Art. Das Team, das hat Julian Schuster [Cheftrainer; Anm. d. Red.] gesagt, will das Maximale aus der Saison rausholen. Ich bin sehr gespannt, was am Ende dabei herausspringen wird – sie haben eine unglaubliche Saison gespielt und können diese nun noch krönen. Ich hoffe, dass Frankfurt schon durch ist und etwas gelassener nach Freiburg reisen kann.
Das Waldstadion feiert am 21. Mai seinen 100. Geburtstag. Bitte vervollständige diesen Satz. Das Waldstadion ist für mich …
… definitiv der Ort, in dem die Fans die beste Atmosphäre in einem deutschen Stadion erzeugen.