15.04.2020
Historie

Wenn der Weg zur Trainerbank versperrt ist

Vor 25 Jahren verliert die Eintracht gegen die Bayern mit 2:5, holt aber die Punkte am Grünen Tisch.

Michael Anicic (l.) und Marco Grimm (FC Bayern München), einer der vier Vertragsamateure deretwegen der sportlich errungene Sieg am grünen Tisch in eine Niederlage gewandelt wurde.
Karl-Heinz Körbel muss heute noch darüber lachen. „Markus Hörwick, damals Pressesprecher bei den Bayern, wollte von der Tribüne aus zur Bayern-Bank und seine Kollegen informieren. Aber unsere Ordner haben ihn nicht durchgelassen“, berichtet der Bundesligarekordspieler – und man kann sich vorstellen, wie er durch das Telefon hindurch schelmisch grinst. Denn vielleicht hat damit ein Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma dafür gesorgt, dass Eintracht Frankfurt nach einer 2:5-Niederlage gegen den FC Bayern München später die damals zwei Punkte am Grünen Tisch zugesprochen worden.Was war passiert? Die Eintracht, an jenem 15. April 1995 gecoacht von Karl-Heinz Körbel, empfängt den stark ersatzgeschwächten FC Bayern. Die Münchner sind ohnehin nach nur einem Sieg aus den vergangenen sieben Bundesligapartien angeschlagen, dazu ist die Bilanz im Waldstadion desaströs. Die Eintracht hatte in den vergangenen 29 Vergleichen im Stadtwald nur vier Niederlagen kassiert. Große Verletzungssorgen plagen die Elf von Giovanni Trapattoni. Nur zwölf Profis stehen auf dem Spielbericht, auf dem Feld beginnen mit Sven Scheuer und Sammy Kuffour schon zwei Amateure. Nach 25 Minuten muss Thomas Helmer ausgewechselt werden, mit Marco Grimm kommt der dritte Vertreter aus dem Amateurlager – mehr zeitgleich auf dem Feld sind seinerzeit ohne Sondergenehmigung nicht erlaubt. Und diese hatten die Münchner nicht gestellt.

„...ihr habt das Spiel verloren“

„Wir haben ein gutes Spiel gemacht“, sagt Karl-Heinz Körbel. Okocha (14.) und Thomas Reis (41.) hatten die Führung von Markus Schupp (6.) gedreht. Marcel Witeczek gleicht kurz vor der Pause aus, und Christian Ziege sorgt für das 3:2 aus Bayern-Sicht (48.). Es bahnt sich ein Erfolg für den Tabellensechsten an. Bis die 73. Minute anbricht. Trapattoni schickt Dietmar Hamann aufs Feld, seinerzeit ebenso Amateur. Die Süddeutschen haben nun deren vier auf dem Feld. Der erste, der es bemerkt, ist Markus Hörwick – jedoch zu spät. Eintrachts Lizenzspielleiter Rainer Falkenhain schaut auf den Spielberichtsbogen und informiert seinen Trainer. „Falke kam zu mir und sagte: ich glaube, die Bayern haben falsch gewechselt. Er blickte nochmals auf seinen Zettel und war sich dann sicher“, erzählt Körbel. „Ich habe dann zu Klaus Augenthaler gerufen: ihr habt das Spiel verloren. Er zeigte mir nur den Vogel.“ Die Nachricht verbreitete sich langsam auf dem Spielfeld. Eintrachts Verteidiger Uwe Bindewald erinnert sich: „Man hat die Unruhe gemerkt. Die Spieler haben es sich irgendwann untereinander zugefunkt. Wir haben uns zwar dann nicht hängenlassen, aber trotzdem ein eigentlich gutes Spiel von uns noch mit 2:5 verloren.“ Manager Bernd Hölzenbein vergewissert sich bei einem Reporter und Manfred Binz bekommt an der Seitenlinie zugerufen: „Hey Manni, die haben den vierten Amateur eingewechselt. Ihr habt gewonnen.“ Die Bayern können sich über den von Frey und Zickler noch auf 5:2 ausgebauten Erfolg nicht freuen. Giovanni Trapattoni gibt nach dem Spiel seinen Fehler zu, die Eintracht legt Protest ein und verbucht wenig später kampflos zwei wichtige Punkte im Abstiegskampf. Einer hätte dagegen wohl lieber eine andere Lösung favorisiert. Manfred Binz erzählt: „Präsident Matthias Ohms kam nach dem Spiel in die Kabine und sagte, dass wir mit einem Wiederholungsspiel nochmal das Stadion vollmachen können.“ Passierte nicht, auch wenn die Eintracht letztlich Tabellenneunter wird und den Klassenerhalt souverän sichert.Wenn sich heute Karl-Heinz Körbel und Klaus Augenthaler treffen, ist diese Geschichte immer mal wieder ein Thema. „Klar, wir frotzeln dann darüber. Schließlich hat ‚Auge‘ meine unfassbare Serie gegen die Bayern kaputtgemacht, als wir im August 1989 erstmals in meiner Spielerkarriere gegen die Bayern verloren haben.“ Aus 49 Metern hatte Augenthaler seinerzeit Uli Stein überwunden, es war der erste Bayern-Sieg in Frankfurt nach 19 Jahren. 1995 wäre es der höchste gewesen, hätte der Ordnungsdienst Markus Hörwick zu Uli Hoeneß durchgelassen. Manni Binz, der stets faire Sportsmann, gibt jedoch zu: „Wir hatten ein schlechtes Gewissen, denn wir hatten das Spiel verloren.“