Dass der Auftakt in die Gruppenphase der UEFA Europa League erst ganz zum Schluss deutlich verloren ging, empfand nicht nur Adi Hütter als unverhältnismäßig. „Das Ergebnis passt nicht zur Leistung“, sagte der Cheftrainer im Nachgang. Tatsächlich hatte der Gastgeber dem Vorjahresfinalisten aus London das Leben denkbar schwer gemacht, sich in manchen Situationen aber auch selbst im Weg gestanden. „Die Eintracht ist offensivstark und verfügt über gute Spielverlagerungen“, erkannte Gästecoach Unai Emery hinterher das mutige und variable Auftreten der Adlerträger an, die in einem lange ausgeglichenen Schlagabtausch der Auswertung der UEFA zufolge 44:23 gefährliche Angriffe fuhr, also solche, die bis zum oder in den Strafraum führten, denen 24:17 Abschlüsse folgten. Allein, 7:6 derer fanden den Weg aufs Tor, die Hälfte davon auf Londoner Seite saßen.Gefahr erkannt, Gefahr gebannt – so einfach ist die Lehrstunde gleichwohl nicht abzuhaken. „Die Effizienz der vergangenen Spielzeit kam auch nicht von heute auf morgen“, ist sich Hütter bewusst. Zumal sich die Angriffsreihe der Vorsaison bereits zuvor ein Jahr lang aufeinander einstimmen konnte, während am Donnerstagabend fünf Akteure in der Startelf standen, die im Sommer neu oder zurück an den Main gewechselt sind. Im Vergleich mit dem Halbfinalrückspiel beim Chelsea FC blieb die Defensive zwar unverändert, wenngleich Makoto Hasebe seinerzeit im defensiven Mittelfeld aufgelaufen war, zwischen Dreierkette und Außenbahnen starteten aber mit Dominik Kohr, Djibril Sow, Daichi Kamada, André Silva und Bas Dost eine Handvoll Neuankömmlinge. „Für mich persönlich sehe ich noch Luft nach oben, ich kann es besser“, räumte letzterer im Nachgang freimütig noch Frischedefizite ein.
Scharfe Sinne, stumpfe Klinge
Generell präsentierten sich die Frankfurter Fußballer abgesehen vom elanvollen und griffigen Dauerdruck zwischen der 10. und 30. Minute nicht immer auf Ballhöhe. Dass beide Seiten über starke Umschaltaktionen verfügen, belegen 29:30 Ballgewinne, die aus Sicht der Hausherren teilweise als vermeidbare Ballverluste einzuordnen waren, aber auch dank mehreren entschärften Eins-gegen-eins-Duellen von Kevin Trapp, der sein 150stes Pflichtspiel für die Eintracht bestritt, nicht ins Gewicht fielen.Zu berücksichtigen wäre ferner, dass zwei der drei Gegentreffer in Unterzahl fielen, nachdem Kohr nach seinem fünften Foul Gelb-Rot gesehen hatte. Profiteur der neuen Freiräume war nicht zuletzt Bukayo Saka, der bei jedem Tor seine Füße in Spiel hatte und meinte: „Es war eine große Herausforderung, hier zu bestehen.“ Überraschend dürfte das angesichts der Warnungen von Teamkollege Skhodran Mustafi nicht gekommen sein: „Die Stimmung war schon intensiv, das habe ich meinen Mannschaftskollegen auch vorhergesagt“, verriet der bis zur Einwechslung Timothy Chandlers einzige gebürtige Hesse auf dem Rasen.Die Sinne waren also auf beiden Seiten geschärft, der Rolle des unterschätzbaren Underdogs hat sich Frankfurt mit dem Einzug ins Halbfinale 2018/19 erfolgreich entledigt. In diesem Zusammenhang sei angemerkt, dass die aktuelle Ausbeute sogar besser ist als zum vergleichbaren Zeitpunkt vor einem Jahr: Damals hatte die Eintracht in der Bundesliga vier Punkte, jetzt sechs, im DFB-Pokal war in der ersten Runde Schluss gewesen, im Oktober geht es zum FC St. Pauli.Am Sonntag gastiert aber zunächst das nächste Spitzenteam im Stadtwald. „Wir werden wieder alles versuchen, um Borussia Dortmund herauszufordern“, hält Hütter auch gegen den Vizemeister das Visier geöffnet. Dann idealerweise mit wieder geschärftem Sinne und schärferer Klinge.