Die Zeit verfliegt und doch ist alles noch so neu. Seit Freitagabend, 6. September 2019, verbringen Lotta und Assistenzhund Umay nun ihr Leben gemeinsam. Sie teilen sich ein Zimmer, liegen zusammen im Kuschelkörbchen, gehen spazieren, sie trainieren das Apportieren, Fußlaufen und Abrufen, versuchen sich in der Dummyarbeit, spielen Ball, schauen Fernsehen, hören Musik, sitzen täglich auf dem Weg zur Schule oder woanders hin zusammen auf der Rückbank im Auto. Eigentlich machen die beiden fast nichts getrennt.Lotta und ihre Mutter Esther hinterfragen sich ständig: Ist das Futter so richtig? Gehen sie oft genug raus? Trainieren sie richtig? Bürsten sie oft genug? Wie verhält man sich, wenn einem ein anderer Hund begegnet? Was macht man in dieser und jener Situation? Soll Esther am Morgen erst mit dem Hund raus und erst dann Lotta für die Schule fertigmachen – oder lieber umgekehrt? Was ist, wenn Besuch kommt? Muss man etwas beachten, wenn eine Katze über den Weg läuft? Wie war das noch mit dem Zähneputzen? Ist an alles gedacht, wenn längere Strecken mit dem Auto bevorstanden? Sind die Kommandos richtig? Wie rum muss noch mal die Leine? Kann Umay mit in den Tierpark? Darf Umay mit auf die Couch? Mit ins Bad? Oder gar ins Bett? Sie hat beim Spaziergang ein Stück Pizza gefunden und gefressen – was nun? Wie läuft der Alltag? Kann sie mit zu Lottas Therapien? Mit ins Krankenhaus? Zum Einkaufen? Warum reagiert der Hund so oder so? Kann Umay auch mal allein zu Hause bleiben? Wie wird das an Silvester? Was ist, wenn mal jemand krank würde?Fragen über Fragen.Glücklicherweise standen auch Linda und alle anderen VITA-Mitarbeiter immer bei Fragen zur Seite, auch aus der Ferne. Trotz vieler, vieler Unsicherheiten und herausfordernden Situationen im Alltag fühl(t)en sich Mutter und Tochter nie alleine, weil im Zweifel immer jemand erreichbar ist. Sowieso wurde irgendwie und irgendwann alles etwas einfacher, sicherer, selbstverständlicher – zumindest die alltäglichen Abläufe waren nach einigen Wochen automatisiert.
Großer Auftritt auf der Charity Gala
Die gesamten Wochen der Zusammenführung waren schon unheimlich emotional, aufregend und interessant. Aber auch in den Wochen danach und bis heute ist es trotz einer gewissen Alltagsroutine immer wieder emotional, aufregend und spannend. Kein Tag gleicht dem anderen.Die erste größere Herausforderung, seitdem Umay Lottas Leben bereichert, war die VITA Charity Gala im Oktober 2019. Grundsätzlich war es eine ganz neue Erfahrung, auf solch einem Event sein zu dürfen! Der gesamte Rahmen war nicht alltäglich: die Emotionen, die vielen Menschen, interessanten Begegnungen, Gespräche, Situationen, die Prominenz oder das Medienaufkommen.Lotta war unheimlich stolz, sich mit ihrer Umay und in ihrem schicken Kleidchen präsentieren zu können. Es war wirklich aufregend, wunderbar und anstrengend zu gleich. Unbeschreiblich.Auch in diesem Fall tauchten wieder die Fragen auf: Macht man mit dem Hund in dieser Situation? Die Autofahrt, der Aufenthalt im Hotel, Möglichkeiten, Gassi zu gehen. Aber es hat geklappt und wird für immer eine unvergessene Erinnerung bleiben!
„Ich muss dranbleiben!“
Lotta ist so oder so sehr stolz auf ihre Umay, aber auch ein bisschen auf sich selbst. Wenn ihr etwas im Alltag nicht so gut gelingt, ist sie inzwischen viel geduldiger und ausdauernder. Sei es der Versuch, sich die Jacke selbst zuzumachen, mit Umay Fußlaufen zu üben oder bei schwierigen Hausaufgaben nicht den Mut zu verlieren.Sie sagt dann immer: „Ich muss dranbleiben! Das ist ganz wichtig. Das sagt Tatjana auch immer.“ Und ja, das stimmt. Lotta gibt weniger schnell auf und traut sich mehr zu, seit sie Umay an ihrer Seite hat und den Sommer in Hümmerich verbracht hat. „Das ist wirklich ganz fantastisch und ich denke, Lotta wird noch weiterhin lernen, hartnäckig zu bleiben und kann noch ganz viel lernen, Spaß haben und Selbstvertrauen entwickeln“, schwärmt Mama Esther Reich.Inzwischen wird Lotta von Umay sogar zu ihren Therapien begleitet. Lotta besucht einmal wöchentlich die Ergotherapie und hat eine Doppeleinheit Physiotherapie. Esther bringt Lotta und Umay dort hin und holt die beiden dann wieder ab. Das Feedback der Therapeuten bezüglich Lotta und Umay ist absolut positiv. Lotta kümmert sich geduldig und adäquat um Umay und schafft es gleichzeitig, ihre Therapieeinheiten zu erledigen. Insbesondere in der Ergotherapie ist Konzentration ganz wichtig. Anfänglich war Lotta wohl durch Umay noch etwas abgelenkt, hat viel gekichert, aber inzwischen reagiert Lotta souverän und meistert die Aufgaben, wie die Therapeuten berichten.
Danke, danke, danke
Wenn Lotta selbständig ihre Oma besuch, ist Umay auch schon mit dabei. Lottas Oma kennt sich mit Hunden nicht aus. Aber Lotta hat ihr alles ganz gut erklärt, sodass ein mehrstündiger Besuch inzwischen ganz unproblematisch abläuft und die Großmutter keine Angst mehr haben muss.In jedem Fall ist es bemerkenswert, wie Lotta von Umay profitiert. Beispielsweise hat Lotta eigeninitiativ mit Umay trainiert, ihre (Hand-)Schuhe auszuziehen, worauf sie sich richtig zeigte. „Ich möchte immer und immer wieder ‚danke‘ sagen zu all jenen, die es Lotta ermöglicht haben, dass Umay an ihrer Seite sein darf. Es ist einfach unglaublich bereichernd, was alles passiert ist und weiterhin geschehen wird“, kann Esther, gleichzeitig Autorin dieses Gastbeitrags, das tierische Familienglück immer noch kaum in Worte fassen.Lotta freut sich sehr, auf die anstehende Nachbetreuung in Hümmerich und kann es kaum erwarten. Außerdem ist Lottas nächstes Ziel, dass sie von zu Hause aus alleine mit Umay zur Physiotherapie gehen kann. Der Weg dorthin beträgt circa 100 Meter. Es müssen aber eine kleine Straße überquert und ein Aufzug selbständig genutzt werden. Dieses Ziel fest vor Augen, gibt sich Lotta besonders viel Mühe, auf dem Weg dorthin besonders konzentriert zu sein. Auch dieser nächste Schritt scheint nur eine Frage des Willens.
Hier erfährst du mehr über das Inklusionsprojekt VITA.