Die Enttäuschung über die Niederlage gegen den SC Freiburg stand Oliver Glasner ins Gesicht geschrieben. Doch der Cheftrainer blieb sich auch in diesen bitteren Momenten treu, so wie er nach dem 1:1 am Donnerstag gegen den FC Barcelona nicht in Ekstase verfallen wollte. Angesprochen auf die Aussichten, in der kommenden Saison europäisch vertreten zu sein, entgegnete er mit einer Mischung aus Flapsigkeit und Faktentreue: „Der kürzeste Weg nach Europa führt über die Europa League.“ Freilich hat sich der Fußballlehrer in der Vergangenheit nie der Arroganz verdächtig gemacht und weiß selbst am besten, dass diese Gleichung die am schwersten zu lösende ist. Im nächsten Zwischenschritt mit nicht weniger als einem Sieg beim FC Barcelona.
Leverkusen hat es vorgemacht
Wie hoch die Trauben in Katalonien hängen, verdeutlicht allein die Tatsache, dass die Blaugrana zu Hause 20 von 29 Begegnungen gegen Bundesligisten gewonnen haben – den FC Bayern ausgeklammert gar zuletzt 17 am Stück. Der letzte deutsche Vertreter außer dem Rekordmeister, der das Camp Nou erobern konnte, war Bayer 04 Leverkusen. Ebenfalls im Viertelfinale, 1987/88 im UEFA-Pokal. Endstand 1:0 für die Werkself, die wenige Wochen darauf auch den Titel errang.
So einfach erklärt, so schwierig umgesetzt. Aber gemessen an den bisherigen internationalen Auftritten der Adler nicht utopisch. „In Europa sind wir auswärts einen Tick besser als zu Hause – das wird auch nötig sein“, beschwor Glasner nach dem Hinspiel die einträchtige Stärke in der Fremde. Zumal die Hessen auf des Gegners Platz in dieser Europapokalspielzeit immer mindestens einen Treffer zustande brachten.
Barca wiederum ist in vier der vergangenen sieben internationalen Heimspielen torlos geblieben, aber auch bei je fünf Siegen und Unentschieden zehnmal hintereinander zu Hause ungeschlagen und davon sechs Mal zu Null. Weshalb Glasner ganz sachlich erklärte: „Beide Mannschaften haben alle Möglichkeiten. Wir werden uns wieder bestmöglich vorbereiten und alles daransetzen, ins Halbfinale einzuziehen.“
Vorbereitung
Auf was es beim Showdown ankommen wird, ließ sich beim Premierenduell mehr als erahnen, als die Hausherren über weite Strecken genauestens in die Tat umsetzten, was es bedurfte, um dem spanischen Tabellenzweiten seiner Mittel zu berauben. „Barcelona spielt ein super intensives Gegenpressing. Daraus müssen wir uns befreien. Wenn sie weite Wege haben, diese 40-, 50-Meter-Sprints, die tun jedem weh. Das möchten wir beibehalten“, gibt der Coach die Marschroute vor und ist sich dennoch bewusst, dass die Sinne auf der Gegenseite nicht weniger geschärft sein werden.
Was überlegt sich Barca, wie könnten sie absichern, um unsere Konter zu unterbinden?
Cheftrainer Oliver Glasner
Deshalb spielt das Trainerteam auch Szenarien durch, wie Xavi und Co. ihrer Favoritenrolle gerecht werden möchten. „Was überlegt sich Barca, wie könnten sie absichern, um unsere Konter zu unterbinden?“, zeigte Glasner am Sonntagabend Gedankenspiele auf, mit denen er sich mit den Co-Trainern und Analysten auseinandersetzt.
Allein personell bestehen bei den Iberern noch offene Punkte, etwa ob Abwehrchef Gerard Piqué nach seiner Adduktorenzerrung wieder zur Verfügung steht. Derweil ist ein Einsatz von Djibril Sow nach erlittener Kniezerrung zumindest nicht ausgeschlossen. Auch Christopher Lenz könnte nach der Rückkehr ins Mannschaftstraining auf absehbare Zeit wieder ein Kandidat werden.
Glaube
Einer wird ziemlich sicher im Flieger sitzen: Ansgar Knauff, der mit seinem Traumtor und generellen Auftritt nicht nur die Adlerblicke auf sich gezogen hat. In UEFA-Abstimmungen sowohl zum Torschützen als auch Spieler aller Viertelfinalhinspiele votierten die Fans am häufigsten für den Frankfurter Rechtsaußen, der seiner unbekümmerten Spielweise vor den Mikrofonen Worte folgen ließ: „Jeder hat gesehen, dass wir mit ihnen mithalten können.“ Für Kevin Trapp steht ebenso fest: „Wir haben eine gute Ausgangsposition und dürfen an das Weiterkommen glauben. Mit Selbstvertrauen und Glauben schaffen wir es.“ Sebastian Rode pflichtet dem bei: „Zusammen mit den Fans wollen wir dort etwas Großes erreichen.“
Stadion
Gerade auch das Wissen um zigtausend eigene Anhänger in der Stadt und im Stadion war während der vergangenen Europatouren ein Faustpfand. Und das nicht erst seit gestern. Historisch betrachtet hat die Eintracht überhaupt noch nie ein Pflichtspiel in Spanien verloren. Die einzige Niederlage gegen spanische Klubs datiert immer noch aus 1960 – und das 3:7 gegen Real Madrid gab’s schließlich in Glasgow...
Zur Wahrheit gehört dennoch, dass das Camp Nou für diese Generation genauso Neuland ist wie es der Deutsche Bank Park für Barca war. Von wenigen Ausnahmen abgesehen. Trapp etwa erlebte mit Paris Saint-Germain 2017 einen denkwürdigen Abend – über jenes 1:6 macht sich der Nationalkeeper aber selbst am allerwenigsten Gedanken. „Andere Mannschaft, anderer Verein, andere Situation. Deshalb gibt es keine Rechnung zu begleichen. Ich kann hier und heute bestätigen, dass es für mich keine Rolle spielt und nicht mehr im Kopf ist“, diktierte der Schlussmann den Journalisten am 7. April in die Notizblöcke.
Mit einem anderen Umstand beschäftigen sich der Torhüter und seine Vorderleute möglicherweise mehr. „Marc [ter Stegen; Anm. d. Red.] hat mir gesagt, dass im Camp Nou gefühlt Wasserpfützen auf dem Platz sind, so nass wie er ist. Das wird wohl ein kleiner Unterschied sein“, ging Trapp auf ein Thema ein, das vergangene Woche im spanischen Fernsehen eine komplette Sendestunde füllte.
Elfmeterschießen
Ein weiterer Bereich, der sich nicht weniger zur Wissenschaft machen ließe, ist ein mögliches Elfmeterschießen. Zwar betonte Trapp: „Wie vor Betis werden wir uns nicht darauf vorbereiten, weil wir so auftreten möchten, dass wir zum frühestmöglichen Zeitpunkt weiterkommen.“ Ein Hintertürchen ließ sich der 31-Jährige dann doch offen: „Aber natürlich kann in der K.-o.-Phase alles vorkommen. Dementsprechend bereite ich mich auf so ein Spiel vor...“
Statistisch hätte der Gastgeber vielleicht die besseren Karten, da sie fünf von sechs dieser Duelle auf europäischem Parkett siegreich überstanden. Frankfurt steht bisher bei null von zwei. Geübt hat der FC Barcelona in dieser Hinsicht gewissermaßen schon am Sonntag. Beim Last-Minute-3:2 beim Ligavorletzten UD Levante verursachten die Gäste drei Strafstöße, einen konnte ter Stegen entschärfen. Wie übrigens Trapp selbst im vergangenen Länderspiel gegen Israel, den 18. von 60 in der Karriere. Macht exakt 30 Prozent. Die Buchmacher beziffern die Wahrscheinlichkeit eines Weiterkommens der Eintracht derweil auf rund 20 Prozent. Es waren schon weniger.
Zum Spiel
Anstoß: Donnerstag, 14. April, 21 Uhr, Viertelfinale, Rückspiel, UEFA Europa League, 2021/22.
Stadion: Camp Nou, Barcelona.
Hörtipp: EintrachtFM sendet ab 20.50 Uhr live.
TV-Hinweis: RTL überträgt live ab 20.15 Uhr. RTL+ steigt um 20.30 Uhr ein.
Stream-Empfehlung
Am Donnerstag läuft ab 12 Uhr die Matchday Show „Eintracht International“ auf EintrachtTV, mainaqila, YouTube und Facebook.
Außerdem sei euch die Watch Party #SGEuropa ans Herz gelegt, die ab 20.45 Uhr auf Twitch zu sehen ist.
Die Pressekonferenz vor dem Spiel
Die letzten Informationen vor dem Spiel erhaltet ihr auf der Pressekonferenz am Mittwoch, 18 Uhr, mit Cheftrainer Oliver Glasner und Kevin Trapp. Live zu sehen auf EintrachtTV, mainaqila, YouTube und Facebook.
Abschlusstraining live
Die ersten 15 Minuten des Abschlusstrainings im Deutsche Bank Park laufen am Mittwoch ab 11 Uhr live auf Instagram.