16.05.2022
Europapokal

Adlercheck: Auf den Außen geht die Post ab

Für die Eintracht könnte der Austragungsort des Finals, für den Rangers FC die Herkunft des Gegners ein gutes Omen sein.

Taktiktafel

Seit Giovanni van Bronckhorst Mitte November das Ruder bei den Rangers übernahm, wurde das Spiel der „Gers“ deutlich variabler als noch unter Vorgänger Steven Gerrard, der stets auf ein 4-3-3 setzte. Der Niederländer bevorzugt eine 4-2-3-1-Formation, kann aber auch auf eine Dreierkette mit lauffreudigen Außenverteidigern zurückgreifen, die einen einzelnen Stürmer unterstützen.

In den vergangenen drei Spielen in der UEFA Europa League traten die Schotten in drei unterschiedlichen Systemen auf: im Viertelfinalrückspiel gegen den SC Braga im 4-2-3-1, im Halbfinalhinspiel gegen Leipzig im 5-3-2 und im Rückspiel dann im 5-4-1. Defensiv stehen die Rangers solide, um dann im Umschaltspiel brandgefährlich zu werden. Keeper Allan McGregor, der in allen 14 Spielen in dieser Saison im Kasten stand, hält mit 103 Spielen den Rangers-Rekord an Europapokal-Einsätzen.

Diese Spieler fehlen

Oliver Glasner muss im letzten Spiel der Saison wohl auf Danny da Costa verzichten. Den Außenverteidiger plagen Schambeinprobleme. Martin Hinteregger fällt wegen einer Muskelverletzung im Oberschenkel definitiv aus. Bei Jesper Lindström könnte es ein Wettlauf gegen die Zeit werden. Glasner betonte bereits, dass der Däne nur zum Einsatz kommt, „wenn wir davon ausgehen können, dass er besser performt als seine Alternative“. Der Einsatz von Evan Ndicka, der das Feld gegen Mainz wegen Blasen an den Füßen frühzeitig verlassen musste, ist nicht in Gefahr.

Bei den Rangers fehlt Stürmer Alfredo Morelos mit einer Oberschenkelverletzung. Kemar Roofes Einsatz ist wegen Knieproblemen noch fraglich.

Spieler im Fokus: Ryan Kent

Der pfeilschnelle britische Flügelspieler galt lange als ewiges Talent. Das hat sich seit seinem Wechsel zum Rangers FC geändert. In Schottland hat er sich als feste Größe etabliert und ist aus der Mannschaft von van Bronckhorst nicht mehr wegzudenken.

Seine Karriere begann in der Jugendabteilung des FC Liverpool, zu dem er bereits mit sieben Jahren wechselte. Zehn Jahre später debütierte der Offensivspieler in der U21 des Vereins und machte sich einen Namen. 2015 nahm ihn der damalige Cheftrainer der Reds, Brendan Rodgers, mit auf die Vorbereitungstour quer durch Asien und Australien. Für einen Durchbruch reichte es für den damals 18-Jährigen aber noch nicht.

Hochbegabter Leistungsträger: Ryan Kent.

Es folgten Leihen zu Coventry City, den FC Barnsley und im Sommer 2017 schließlich auch zum SC Freiburg. Unter Christian Streich kam der 1,76 Meter große Engländer im ersten Halbjahr auf 245 Spielminuten und stand nur ein einziges Mal in der Startelf. Auch wenn sich Kent aufgrund der fehlenden Spielpraxis daraufhin schon wieder aus dem Schwarzwald verabschiedete, bezeichnete ihn der SC-Trainer damals als einen Ausnahmespieler, den er gerne länger behalten hätte: „Er hat es in sich, besondere Fähigkeiten zu entwickeln. Er ist ein Rohdiamant, aber er ist noch roh.“

Erneut folgten Zwischenstationen als Leihspieler von Liverpool in Bristol und bei den Rangers, zu denen er 2019 schließlich fest wechselte. In Glasgow fand Coach Steven Gerrard schnell einen guten Draht zu ihm und ließ ihn in seiner ersten Saison satte 43 Mal auflaufen. Bis heute – also auch unter van Bronckhorst – ist Kent eine absolute Stütze in der Offensive der Gers.

Warum, stellt er immer wieder unter Beweis. Unter anderem in den Europa-League-Play-offs gegen Borussia Dortmund war er der überragende Mann und bereitete das zwischenzeitliche 3:0 für die Rangers vor.

Historische Duellbilanz

Eintracht Frankfurt und der Rangers FC standen sich insgesamt bereits drei Mal gegenüber. 1959/60 trafen beide Teams im Halbfinale des Europapokals der Landesmeister aufeinander. Die Eintracht gewann beide Spiele deutlich (6:1,6:3) und zog ins Finale ein. Ein Jahr später flogen die Hessen auf Einladung der Schotten erneut nach Glasgow und weihten gegen die Rangers im Hampden Park eine neue Flutlichtanlage ein. Bei diesem Freundschaftsspiel waren 104.000 Fans vor Ort. Das Spiel endete 3:2 für die Eintracht.

Statistiken

Eintracht Frankfurt hat in europäischen Wettbewerben bisher sechs Spiele in Spanien bestritten, allerdings noch nie als neutrale Mannschaft. Nach der ersten Niederlage 1969 gegen Athletic Club aus Bilbao ist das Team seither mit vier Siegen und einem Remis in fünf Spielen in Spanien ungeschlagen. Die Rangers haben in europäischen Wettbewerben 14 Spiele in Spanien bestritten und dabei nur ein Mal gewonnen (drei Remis, zehn Niederlagen). Das war allerdings die Finalteilnahme 1972 im Pokal der Pokalsieger gegen Dynamo Moskau, das sie am Ende auch für sich entschieden.

Neben dem Conference-League-Finalisten Feyenoord ist die Eintracht der einzige Klub, der in den drei Europapokal-Wettbewerben 2021/22 noch ohne Niederlage dasteht. Als dritter Verein erreichte die SGE das Europa-League-Finale ohne eine einzige Niederlage. Nur der Chelsea FC 2019 und Villarreal CF 2021 gelang dies ebenfalls, beide gewannen dann auch den Titel.

Eine so lange Serie ohne Niederlage innerhalb einer Saison wie aktuell – zwölf Spiele – hatten die Frankfurter im Europapokal noch nie zuvor.

Sollten die Rangers das Finale gegen die Hessen für sich entscheiden, wären sie die erste Mannschaft in der Geschichte des UEFA-Pokals und der UEFA Europa League, die in einer Saison – ohne Gruppenphase – drei Mannschaften aus einem Land ausgeschalten hat. Zuvor behielten sie in den Playoffs gegen Dortmund und im Halbfinale gegen Leipzig jeweils die Oberhand.

Eintracht Frankfurts Trainer Oliver Glasner könnte der erste Österreicher überhaupt werden, der eine Mannschaft zum Sieg in der Europa League führt.

Wiedersehen

Kristijan Jakic und Borna Barisic spielen gemeinsam in der kroatischen Nationalmannschaft.

Schlüsselduell: Filip Kostic gegen James Tavernier

Auch wenn beide Finalisten dafür bekannt sind, eher auf das Team als auf einzelne Stars zu bauen, ragt doch auf beiden Seiten je ein Feldspieler in der internationalen Berichterstattung besonders heraus: Filip Kostic bei der Eintracht und James Tavernier bei den Rangers. Im Finale treffen der Linksfuß aus Serbien und der Rechtsfuß aus England nun im direkten Duell aufeinander. Mit sieben Toren – vier davon vom Elfmeterpunkt – ist der Rangers-Kapitän in dieser Saison der beste Torschütze im Wettbewerb. Bemerkenswert: Alle seine Tore erzielte der etatmäßige Außenverteidiger in der K.-o.-Phase, darunter unter anderem zwei gegen Braga im Viertelfinale und den Führungstreffer gegen Leipzig im Halbfinalrückspiel. Der Engländer hat nicht nur wegen seiner Tore einen wesentlichen Anteil am Erfolg der Schotten, sondern hat im Wettbewerb auch mit Abstand die meisten Ballaktionen (1087).

Kostic kommt mit 789 auf die Drittmeisten. Beide sind in dieser Spielzeit als die Flankengeber schlechthin bekannt. Der Serbe schlug im laufenden Wettbewerb mit großem Abstand die meisten Flanken (147). Tavernier folgt mit 90 auf Rang zwei. Ein intensives Duell zweier Spieler also, die für beide Mannschaften einen hohen Wert besitzen und das Pendel in die eine oder andere Richtung ausschlagen lassen könnte.