27.02.2021
Bundesliga

Also bitte

Frankfurt verliert in der Liga erstmals seit Dezember. Auch wenn das „Hier und Heute“ Enttäuschung hervorruft, sind Zweifel unangebracht. Aus guten Gründen.

Der Start in den 23. Spieltag ging gut los aus Sicht der Eintracht. Vielleicht zu gut. Flanke Kostic, Kopfball Silva, 1:0 nach nicht mal zehn Minuten. So weit so geläufig. Der aufblühende Serbe mit seiner achten Vorlage, der wiedergenesene Portugiese mit seinem zehnten Treffer in diesem Kalenderjahr – beiderseits Ligatopwert vor den ausstehenden Partien am Wochenende, an dem die Adler bis Montag drei trainingsfreie Tage erhalten. Doch „wir haben es versäumt, in der ersten Halbzeit das zweite Tor zu machen“, bedauerte Adi Hütter, aus der grundsätzlichen Überlegenheit zu wenig Kapital geschlagen zu haben. Zumal am späten Abend an der Weser erstmals nach elf Begegnungen nicht mindestens zwei eigene Tore auf der Habenseite standen. Und, weit bedeutsamer, kein Punktgewinn. Darüber tröstet auch nicht die Tatsache hinweg, weiter mit 25 von 30 möglichen Punkten der erfolgreichste Bundesligist in diesem Jahr zu bleiben. Alle übrigen Kontrahenten kommen auf maximal 19 Zähler.

Martin Hinteregger vertrat Evan Ndicka innerhalb des Systems.

Losgelöst davon hielt Hütter fest: „Wir haben verloren, weil wir nicht gut gespielt haben. Deshalb tut die Niederlage besonders weh.“ Der Fußballlehrer mochte in der Analyse auch nur bedingt auf „die Emotionen, die auf und neben dem Platz vorherrschten“ und noch weniger auf Einzelbewertungen eingehen. „Für mich ist es zu billig zu sagen, dass wir in der Defensive das Spiel verloren haben. Wir haben es gemeinsam verloren“, betonte der 51-Jährige mit Blick auf die wegen der Sperre von Evan Ndicka zwangsläufigen Umstellungen in der Hintermannschaft. Zwar fielen beide Gegentreffer nach der Pause über jene Seite, wo normalerweise der Franzose verteidigt, was für alle Beteiligten aber nicht der entscheidende Punkt war. „Wir sind ihnen in die Falle gegangen, weil wir in den falschen Momenten ins Zentrum gespielt haben, woraus zwei Konter entstanden sind“, zeigte Hütter die kollektiven Fehlerketten auf, was auch Djibril Sow, seinerseits nach einer Gelbsperre ins Team zurückrotiert, monierte: „Wir hatten unnötige Ballverluste im letzten Drittel.“

Eben jenes Drittel, das die Adlerträger qua ihrer Favoritenrolle und spielerischen Klasse wesentlich häufiger suchten als die Hausherren, wie die durchschnittlichen Positionsprofile aller Akteure beweisen: Bei den Norddeutschen fand sich einzig Sturmspitze Milot Rashica jenseits der eigenen Hälfte wieder, während Makoto Hasebe als letzter Mann zumeist am hinteren Ende des Mittelkreises zu finden war. „Werder hat sehr tief und gut gestanden hinten, daher haben wir uns sehr schwergetan. Wir hatten viel Ballbesitz, aber die letzte Konsequenz hat gefehlt“, erklärte der Japaner, der diesmal in der zentralen Innenverteidigung agierte, während Sebastian Rode neben Sow die Doppelsechs bildete. Diese Konstellation hatte es zwar länger nicht gegeben, war aber in der Vergangenheit dennoch nicht unüblich. Letztmals Seite an Seite in der Startelf stand das Tandem nämlich beim 2:0-Auswärtssieg in Augsburg, als nebenbei bis auf Aymen Barkok für Daichi Kamada die identische Besetzung aufgelaufen war. Es war der Startschuss der bis Freitag nicht zu brechenden Erfolgswelle.

Es ist je nach Auslegung als Anerkennung zu verstehen, dass sich die Werderaner in die Außenseiterrolle fügten. „Sie hatten eine einzige Idee: Tief zu stehen und umzuschalten, was leider gegen uns speziell in der zweiten Halbzeit genügt hat“, befand Hütter. Oder mit Sows Worten gesagt: „Die letzte Aggressivität hat gefehlt, außerdem haben wir uns von außen beeinflussen lassen.“ „Gegen Bremen sind die Partien immer umkämpft und emotional. Manchmal wird zu viel geredet, auf und neben dem Platz“, bezog auch Hasebe die überaus emotionalen Umstände mit ein, sprach aber auch mit seiner ganzen Erfahrung aus über 37 Lebensjahren: „So ist Fußball.“

Novum für Adi Hütter: Eine Gelbe Karte als Trainer.

Aber nicht das neue einträchtige Selbstverständnis. Denn „wir haben in den vergangenen Wochen immer die Souveränität gehabt, auch Rückstände noch zu drehen“, so Hütter, der in der Schlussphase wie vor einer Woche sein Münchner Trainerkollege Hans-Dieter Flick Gelb gesehen hatte. „Über gewisse Dinge habe ich mich geärgert und dafür die Gelbe Karte gesehen. Darauf bin ich nicht stolz. Es ist meine erste und hoffentlich für lange Zeit letzte“, nahm sich der Österreicher im Nachgang nicht aus, wenn er einräumte, „uns in der zweiten Halbzeit vom Bremer Auftreten anstecken lassen [zu] haben.“ Mental, aber auch taktisch. Der Fluch des Erfolgs wäre etwa an Amin Younes festzumachen, der zuletzt in mehrerer Hinsicht viele Blicke auf sich gezogen hatte. Die Konsequenz: Der Kreativgeist war nach 90 Minuten der am häufigsten gepresste Akteur: 54 Mal sah sich der Dribbelkünstler unter erhöhten Druck gesetzt.

Unter verschärfter Bewachung: Amin Younes.

Umgekehrt auffällig, dass der Gastgeber nach 45,9 Prozent seiner Gegenstöße im rechten Angriffsdrittel auftauchte. Weil es vor dem Seitenwechsel, als Frankfurt noch führte, gar 50,8 Prozent waren, griffen die Mutmaßungen, eine vermeintliche Schwachstelle erkannt zu haben, sicher zu kurz. Zumal die Diskussionen sicher noch leiser wären, hätte es am Ende doch mit einem Teilerfolg geklappt. Die Möglichkeiten waren in der Schlussviertelstunde durchaus gegeben, doch sowohl Kostic als auch Silva scheiterten mit ihren harten Geschossen am glänzend parierenden Jiri Pavlenka.

So stehen dem sogenannten Bonussieg gegen die Bayern, als ein 2:2 ebenso realistisch gewesen wäre, nun drei Punktverluste gegenüber. Aber wie hatte Adi Hütter doch zum Jahresende festgehalten: Lieber häufiger gewinnen und dafür statt eines Remis die eine oder Pleite mehr in Kauf nehmen. Nun ist es mal wieder so weit. Eine Niederlage. Die dritte in dieser Saison. Am 23. Spieltag. Die erste seit dem 11. Dezember. Also bitte.