18.06.2020
Bundesliga

Beweisführung abgeschlossen

Adi Hütter rechnet es vor: „13 Punkte aus sechs Spielen sind Fakt.“ Wie so vieles andere auch.

Nur mal zum Vergleich: In der Vorsaison blieb die Eintracht in den letzten sechs Bundesligaspielen sieglos. 2017/18 und 2016/17 sprang auf der Zielgeraden aus einem halben Dutzend Partien jeweils ein Dreier heraus. Historische Analysen, die auch dazu beitrugen, dass sich Cheftrainer Hütter vor nicht mal zwei Wochen noch Fragen zum Abstiegskampf stellen musste. Dem schnellen Spielrhythmus sei Dank: Nach dem 4:1 bei der Hertha und noch mehr nach dem 2:1 gegen den FC Schalke 04 zwei Spieltage vor Schluss soll er auf einmal die Chancen auf Europa bewerten. Eine Schnelllebigkeit, auf die der 50-Jährige erst auf der Pressekonferenz am Dienstag verwiesen hatte.

Auf dem europäischen Treppchen

Im gleichen Atemzug bemerkte der Österreicher indirekt, dass die Einbrüche der vergangenen Jahren teilweise auch mit der gewollten Doppel- und Dreifachbelastung zu tun hatten. „Wir haben in den vergangenen zwei Jahren viele Spiele absolviert.“ Genau genommen seit seinem Amtsantritt im Sommer 2018 bis zum heutigen Tag satte 102. In Europas Top-Fünf-Ligen können dahingehend nur der FC Sevilla (102), der Chelsea FC (105) und Manchester City (107) mithalten. „Ich möchte daher nach 52 Spielen alleine in dieser Saison eine Lanze für die Mannschaft brechen.“ Auch weil den in schwierigen sportlichen Phasen bekräftigen Vertrauensbeweisen Taten folgten und die Spieler diese wieder zuverlässig mit Leistung und Erfolg zurückzahlen.

Ob Dominik Kohr, Danny da Costa, Evan Ndicka, Daichi Kamada oder André Silva: Alle zuletzt öffentlich gelobt, alle regelmäßig im Einsatz. Von Filip Kostic ganz zu schweigen, der mit fünf Torschussvorlagen, von denen eine zum 2:0 führte, der fleißigste Chancenlieferant gegen Schalke war. Nicht zuletzt für Kamada, der nicht nur mit fünf Abschlüssen die meisten aller Akteure verbuchte, sondern mit 13 Zweikämpfen die meisten aller Adlerträger gewann und außerdem mit 11,1 Kilometern die größte Laufstrecke aller Frankfurter absolvierte. Dass es dabei nicht immer nur die Masse macht, musste nicht allein der Japaner nach seiner fünften Gelben Karte erfahren, sondern vor allem auch Can Bozdogan aufseiten der Knappen. Der 19-Jährige aus der eigenen Jugend haute sich in alles rein, führte mit 27 die mit Abstand meisten Duelle, wovon er über die Hälfte für sich entschied, aber die entscheidenden zwei verlor und sein zweites Bundesligaspiel mit der Gelb-Roten Karte frühzeitig beendete. Damit ist er der jüngste Schalker, der jemals in der Bundesliga vom Platz flog. Vergleiche mit Königsblau bleiben damit weiter ein Garant für kuriose und rekordverdächtige Platzverweise. Gelson Fernandes stand im DFB-Pokal Halbfinale 2018 nur 33 Sekunden auf dem Platz, im Hinrundenspiel hatte Alexander Nübel Rot gesehen.

Junges Königsblut

Apropos junge Schalker: Die Gelsenkirchener hatten mit 22,8 Jahren die jüngste Startelf seit zehn Jahren und die zweitjüngste Anfangsformation seit vier Jahrzehnten aufgeboten. Auf der anderen Seite erwiesen sich die Frankfurter Routiniers einmal mehr sowohl mit als auch gegen den Ball als unentbehrlich. Makoto Hasebe wirkte wiederholt als Ballmagnet und war so oft wie kein anderer Akteur an der Kugel: 109 Mal. 69 Prozent gewonnener Zweikämpfe waren zudem die stärkste Quote bei den Hessen. David Abraham sorgte nicht nur vor dem gegnerischen Gehäuse für das wichtige 2:0, sondern verhinderte auch auf der eigenen Torlinie den Einschlag. Der erste Treffer des Capitanos seit November war zugleich das 15. Kopfballtor der Eintracht in der laufenden Bundesligasaison – Bestwert! Überhaupt erzielten die Adlerträger nun in den vergangenen sieben Partien sieben Tore nach einem ruhenden Ball. Und das zum zweiten Mal in Folge sogar ohne Europas stürmischsten Verteidiger Martin Hinteregger. „Dass Evan gespielt hat und Martin nicht, war keine Entscheidung gegen Martin. Er hat viele Spiele gemacht und ist nicht topfit. Evan war in Berlin sehr gut, heute auch“, begründete Hütter den Vorzug des Franzosen, der mit 33 Stundenkilometern Spitzengeschwindigkeit seine physische Verfassung untermauerte.

Ein Punkt, an dem sich alle Beteiligten angesichts aktuell nur einem Verletzten, Gelson Fernandes, in den vergangenen Wochen erfreuen. Die Folge daraus waren reihenweise Aufholjagden bis Sturmläufe in der zweiten Halbzeit, allein in der Rückrunde fielen 23 von 28 Buden nach dem Seitenwechsel. Gleichwohl ist Hütter nicht so blauäugig, sich allein darauf verlassen zu wollen und kritisierte entsprechend im Vorlauf die oftmals unter den eigenen Ansprüchen liegenden Auftritte in den ersten 45 Minuten. Was seine Schützlinge gegen Schalke prompt ins Gegenteil verkehren sollten, wie Timothy Chandler und Hinteregger unisono bestätigten: „Wir haben 60, 65 Minuten super gespielt und hätten höher führen können, denn wir hatten gute Chancen“, meinte Timmy, während Hinti befand, „bis zum 2:1 überragend gespielt“ zu haben.

Doch wie etwa Hütter nach dem DFB-Pokal Halbfinale gegen den FC Bayern München am Mittwoch zuvor angemerkt hatte: „Zwei klasse Halbzeiten schaffen selbst die Bayern nicht immer.“ Insofern gibt sich Frankfurt – fürs erste – damit zufrieden, in den zweiten Halbzeiten wie der Rückrunde rechtzeitig zulegen zu können und zwei Spieltage vor Schluss wenigstens tabellarisch zur ersten Hälfte zu zählen. „Jetzt müssen wir unsere Hausaufgaben machen und auf Patzer der Konkurrenz hoffen, um noch auf Platz sieben zu kommen“, gibt Sebastian Rode nach seinem 100. Bundesligaeinsatz für Eintracht Frankfurt vor. Die Partien in Köln und gegen Absteiger Paderborn stehen noch aus. Etwas beweisen müssen sich die Frankfurter Jungs wenn überhaupt noch sich selbst.