Als Sébastien Haller kurz vor Schluss für Luka Jovic querlegt, hatten nur wenige Zentimeter gefehlt und die Eintracht hätte anstatt des schlussendlichen 2:2 sogar alle drei Punkte bei Werder Bremen entführt. Dass dies des Guten zu viel gewesen wäre, darin waren sich hinterher auch auf Frankfurter Seite alle einig. „Wir müssen die Kirche im Dorf lassen“, brachte es der für den angeschlagenen David Abraham eingewechselte Marco Russ auf seine Weise auf den Punkt. Und Cheftrainer Adi Hütter war wie nach dem Heimsieg über den SC Freiburg „mit dem Ergebnis zufrieden, mit der Leistung nicht.“ Dass ausgerechnet Toptorjäger Jovic diesmal ein Erfolgserlebnis verwehrt geblieben ist, passte genauso zum ambivalenten Gesamteindruck wie die Tatsache, dass die Hessen mit dem buchstäblichen Punkt-Gewinn für mindestens eine Nacht auf Rang vier vorrückten.
Was Kevin Trapp etwas ungläubig als „fast sensationell“ bewertete, auf der anderen Seite aber auch die offensichtlichen „organisatorischen und taktischen Fehler“ benannte, „die wir bereits nach dem Spiel gegen Freiburg angesprochen haben.“ Zum Leidwesen des Schlussmannes, der in seinem 100. Bundesligaspiel für die Eintracht öfter im Mittelpunkt stand, als dem Jubilar lieb sein konnte. Insgesamt 18 Schüsse gab Werder ab, davon die Hälfte direkt auf den Kasten. Dass nur zwei Abschlüsse ins Schwarze trafen, war nicht zuletzt dem hellwachen Nationalkeeper zu verdanken, der einmal mit dem Pfosten im Bunde war.
Vermisster Wadenbeißer
Insbesondere Max Kruse dürfte Samstag auf Sonntag schlecht geträumt haben, immerhin war der Bremer Kapitän reihenweise am Frankfurter Schlussmann gescheitert. Dass Kruse überhaupt eine Handvoll Einschussgelegenheiten besaß, war auch der Tatsache geschuldet, dass der Freigeist ohne feste Position von den Adlern selten zu greifen war. „Max Kruse war sehr flexibel unterwegs, hat wahlweise die Mittelfeld- und Abwehrräume besetzt hat, um sich Bälle abzuholen. Darüber hinaus hat er im Spielaufbau Druck auf mich ausgeübt“, räumte auch der im Spielaufbau oftmals isolierte Makoto Hasebe ein. Wodurch die Spielgestaltung meist erst im vordersten Drittel begann, wo diesmal Luka Jovic anstelle Ante Rebics die hängende Spitze des Dreiersturms bildete. Ein ausgemachter Spielmacher fehlte aber am Samstagabend ebenso wie ein reiner Abräumer, wie ihn der gesperrte Gelson Fernandes verkörpert. Auch wenn das befürchtete Schneegestöber ausblieb, hätte der schweizerische Staubsauger der Frankfurter Balance womöglich gutgetan, einem bissigen Kettenhund für Kruse inklusive.
Weshalb das statistische Übergewicht von 52 Prozent Ballbesitz und einer Passquote von 73 Prozent ein Muster ohne Wert blieb – der nächste Zwiespalt, den der Pokalsieger zumeist zu eigenen Gunsten ins Gegenteil umzukehren weiß. Routinier Russ erinnerte der Ausgang etwas an das Last-Minute-Unentschieden beim 1. FC Nürnberg. Tatsächlich hatten auch bei den Franken die meisten Werte pro Eintracht gesprochen, obwohl die Partie als eine der schwächeren der fulminanten Herbstmonate in Erinnerung blieb.
Neue Reize
Der großen Reflexionsstärke von Coach Hütter und seinem Gefolge ist es zu verdanken, dass selbst während der damaligen Siegesserie keine falsche Zufriedenheit aufkam. Auch nach dem 3:1 über Freiburg setzte der Fußballlehrer neue Reize: Zum einen ließ er Rebic wie erwähnt in vorderster Front beginnen. Der Vizeweltmeister dankte es dem Österreicher mit einem unermüdlichen Anlaufverhalten bis zur gegnerischen Grundlinie sowie seinem sehenswerten siebten Saisontreffer. Außerdem erhielt Simon Falette aufgrund überzeugender Trainingsleistungen den Vorzug vor Evan Ndicka. Der Nationalspieler Guineas enttäuschte genauso wenig, absolvierte mit 10,79 Kilometer die viertgrößte Strecke seiner Mannschaft – als Innenverteidiger!
Verlass war nicht zuletzt einmal mehr auf die Angriffsreihe. Neben Rebic netzte auch Topscorer Haller mit seinem elften Saisontreffer vom Elfmeterpunkt. Was Russ wie vor einer Woche Hütter berechtigterweise eher als Qualitätsmerkmal denn Glückssträhne einordnet. Immerhin aber genauso zu bedenken gibt: „Allein darauf dürfen wir uns aber zukünftig nicht verlassen.“ Die Eintracht gilt mit nun 39 Buden als treffsicherste Truppe hinter Borussia Dortmund. Der Tabellenführer gastiert am kommenden Samstag im Stadtwald. Entsprechend fordert Rückhalt Trapp, „uns in den kommenden Wochen zu steigern, weil uns dann Gegner gegenüberstehen, die Fahrlässigkeiten besser ausnutzen.“ Kontrahenten aus den Top Fünf wie Mönchengladbach, Leipzig und zweimal der Ukrainische Meister Shakhtar Donetsk. Der Grat bleibt ein schmaler.