17.02.2021
Team

„Ein Traum“

Zehn Jahre Bruno Hübner: Von Aufstiegen, Endspielen, Europareisen und reichlich Überzeugungskraft. Der Sportdirektor erinnert sich an jedes Detail.

Bruno, eine Ära neigt sich dem Ende. Wie bist du vor bald zehn Jahren bei der Eintracht gelandet?
Daran kann ich mich noch gut erinnern. Ich war mit dem MSV Duisburg auf dem Weg zum Pokalfinale nach Berlin und habe auf dem Handydisplay eine Frankfurter Nummer gesehen. Ich hatte gedacht, es ging um das Endspiel am nächsten Tag – geh‘ ich mal ran. Am anderen Ende der Leitung war Heribert Bruchhagen. Wir haben uns ausgetauscht und am Ende hat er mich gefragt, ob ich mir vorstellen könne, zur Eintracht zu wechseln. Das kam für mich sehr abrupt, weil wir mit dem MSV im Pokalfinale standen, ich kurz zuvor meinen Vertrag verlängert hatte und dann diese Chance erhalte.

Am 26. Mai 2011 in Frankfurt als Manager vorgestellt: Bruno Hübner, neben ihm der damalige Vorstandsvorsitzende Heribert Bruchhagen.

In Duisburg wie in Frankfurt hast du dich als jemand bewährt, der mit überschaubaren Mitteln viel schaffen kann.
Auch das war Thema bei den Gesprächen mit Heribert Bruchhagen, Präsident Peter Fischer und dem Aufsichtsratsvorsitzenden Wilhelm Bender, die mir das zur Verfügung stehende Budget aufgezeigt haben. Wir hatten kein Trainerteam und die Mannschaft war noch nicht so aufgestellt, um aufsteigen zu können. Als erstes bin ich an Armin Veh herangetreten, der erstmal nicht ans Handy gegangen ist und zuvor bereits Bundesligisten abgesagt hatte. Bei seiner Verpflichtung war viel Überzeugungskraft nötig. Ich bin froh, im Nachhinein die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

Unvergessen die Antrittspressekonferenz, als Armin dein Hemd getragen hat...
Ja, im Vorfeld bin ich zu ihm gefahren, um ihm die Situation zu erläutern. Nachdem er eine Nacht darüber geschlafen hatte, war er der Meinung, dass es schwer würde, mit diesen Möglichkeiten und dieser Mannschaft den Aufstieg zu schaffen. Wir haben aber nicht lockergelassen und ihn motiviert, uns in Frankfurt zu besuchen. Bevor er es sich anders überlegen konnte, haben wir ihn gleich verhaftet und die Pressekonferenz einberufen. Er hatte leider kein Hemd, das habe ich natürlich gerne zur Verfügung gestellt, auch wenn es etwas zu eng war (lacht). Es war nach außen ein starkes Zeichen, einen Meistertrainer für die Zweite Liga gewinnen zu können, was auch zu einer Aufbruchstimmung geführt hat.

Es fällt mir schwerer, einzelne Spieler hervorzuheben, weil der Trainer immer das Nadelöhr bildet. In dieser Hinsicht ist es uns gelungen, eine gewisse Kontinuität herzustellen.

Sportdirektor Bruno Hübner

Wie wichtig war der sofortige Wiederaufstieg?
Enorm wichtig! Wenn ein ambitionierter Erstligist wie wir ab- und nicht sofort wieder aufsteigt, kann es schnell in die andere Richtung gehen, wie man an anderen Traditionsvereinen sieht. An dieser Stelle möchte ich nochmal hervorheben, wie wichtig dabei unsere fantastischen Fans waren, die uns auch in der Zweiten Liga treu geblieben sind. Ich weiß noch, wie unsere Anhänger nach dem Aufstieg in Aachen auf den Platz gerannt sind, ich versucht habe, sie aufzuhalten und keine zwei Minuten später quer in der Luft lag. Diesen Schwung konnten wir in die Bundesliga mitnehmen, obwohl wir gleich in der ersten Pokalrunde in Aue ausgeschieden waren. Was dann aber folgte, war einfach fantastisch: Platz sechs, die Qualifikation für die Europa League und die internationalen Reisen. Die Bilder, als in Bordeaux alle in orange gekleidet waren, vergisst keiner so schnell. Bezeichnend dafür ist auch, dass die Qualifikationsspiele bereits ausverkauft waren, obwohl die Gegner noch nicht festgestanden haben.

Was haben solche Erfahrungen mit dir persönlich gemacht?
Als gebürtiger Hesse habe ich schon immer wahrgenommen, welche Wucht hinter diesem Klub steht. Aber als unmittelbar beteiligter Verantwortlicher erfährt man das nochmal intensiver. Das konnten mir auch alle Trainer bestätigen, die bei keinem anderen Verein eine vergleichbare Leidenschaft erlebt hatten, die sich über die ganze Stadt und Region erstreckt.

Ich wünsche dem Verein alles, alles erdenklich Gute und dass wir in den kommenden drei Monaten alles daransetzen, etwas Großes zu leisten. Dahingehend habe ich ein gutes Gefühl, weil ich auf all meinen Stationen mit etwas Außergewöhnlichem aufgehört habe.

Sportdirektor Bruno Hübner

Hast du als Spieler schon gewusst, dass du später Funktionär werden möchtest?
Eigentlich nicht, ich bin in die Aufgabe hineingewachsen. Ich musste ja verletzungsbedingt früh mit 24 Jahren meine Karriere beenden. Es gab die Überlegung, zum Bürokaufmann umzuschulen. Aber die Leidenschaft für den Fußball war dafür viel zu groß, sodass ich nicht von heute auf morgen loslassen wollte. Wolfgang Steubing wollte mich damals zu Rot-Weiss Frankfurt holen, aber ich habe mich bewusst für den Schritt zum SV Wehen Wiesbaden in die Bezirksliga entschieden und parallel eine Ausbildung zum Industriekaufmann gemacht. Mit Wehen über mehrere Jahre bis in die Zweite Liga aufzusteigen, war Wahnsinn. In dieser Phase durfte ich immer mehr Verantwortung hinsichtlich der Kadergestaltung übernehmen.

Erkläre doch mal, was hinter der Aufgabe als Sportdirektor alles steckt?
Gerade zu meiner Anfangszeit musste ich sehr viele Aufgaben gleichzeitig wahrnehmen, weil wir längst nicht so breit aufgestellt waren wie heute. Zu meinen Stärken würde ich zählen, Spieler davon zu überzeugen, zu einem Verein zu kommen. Das hat sich beispielsweise zu Anfang gezeigt, als Spieler aus der Bundesliga zu uns gewechselt sind. Dabei ist Glaubwürdigkeit ganz wichtig, um den Spielern die gemeinsame Ausrichtung näherzubringen.

Welche drei Entscheidungen würdest du zu deinen entscheidendsten für die Entwicklung der Eintracht zählen?
Bei aller Bescheidenheit würde ich behaupten, dass die Anzahl der richtigen Entscheidungen überwiegt. Angefangen damit, Armin Veh zu uns geholt und mit Leistungsträgern, die teilweise kritisch gesehen wurden, wie Alex Meier, Pirmin Schwegler, Benjamin Köhler und Sebastian Rode, eine schlagkräftige Einheit geformt zu haben, auch mit den Fans. Als zweites sehe ich, dass wir Niko Kovac gegen viele, teilweise verständliche, Widerstände für uns gewinnen konnten, obwohl er noch keine Profivereinsmannschaft betreut hatte. Ich bin während unseren Gesprächen zu der Überzeugung gelangt, dass es ihm gelingen kann, das ganze Umfeld zu mobilisieren und zu stabilisieren. Er hat Tag und Nacht akribisch für den Verein gearbeitet. Entscheidend war, dass wir auch, als die Ergebnisse ausgeblieben sind, an ihm festgehalten haben. Generell muss ich sagen, dass es sich bei allen Trainern, die wir zur Eintracht geholt haben, um Toptrainer handelt. Dazu zähle ich auch Thomas Schaaf, der mit bescheidenen Mitteln einen einstelligen Tabellenplatz erreicht und Spektakel geliefert hat. Nicht zuletzt ist natürlich Adi Hütter zu nennen, der sich wie alle voll mit dem Verein identifiziert und das Bestmögliche herausholt. Und die Entwicklung ist noch nicht zu Ende! Es fällt mir schwerer, einzelne Spieler hervorzuheben, weil der Trainer immer das Nadelöhr bildet. In dieser Hinsicht ist es uns gelungen, eine gewisse Kontinuität herzustellen.

Hättest du erwartet, dass du nach zehn Jahren auf eine solche Erfolgsgeschichte zurückblicken kannst?
Zu Beginn hatte Eintracht Frankfurt eine andere Wahrnehmung als heute: Erstens gab es keinen Sportdirektor und wenn es einen gab, saß er auf einem Schleudersitz. Ich habe mir gedacht, wenn ich meinen ersten Vertrag erfülle, habe ich alles richtig gemacht. Dass es am Ende zehn Jahre mit diesen Erfolgen werden, ist ein Traum. In diesem Zusammenhang möchte ich allen mitgeben, dass es wichtig ist, solche Momente auch zu genießen, weil der Fußball ein rasend schnelles Geschäft ist. Dazu gehört einmal mehr das Zusammenspiel mit den Fans, wenn ich etwa die Szene nehme, als sie Martin Hinteregger nach dem vergebenen Elfmeter in Chelsea sofort aufgemuntert haben.

Wie geht es nach deinem Vertragsende für dich weiter?
Ich möchte im Sommer erstmal kürzertreten und die Stimmung bei der Eintracht zwar weiter aufsaugen, aber auf eine andere, entspannte Weise. Außerdem möchte ich mir das eine oder andere Spiel meiner Söhne anschauen können, natürlich am liebsten mit Zuschauern. Vor allem aber wünsche ich dem Verein alles, alles erdenklich Gute und dass wir in den kommenden drei Monaten alles daransetzen, etwas Großes zu leisten. Dahingehend habe ich ein gutes Gefühl, weil ich auf all meinen Stationen mit etwas Außergewöhnlichem aufgehört habe.

Weil du deine Söhne ansprichst: War es nie eine Überlegung, dass sie für die Eintracht spielen könnten?
Zu meiner Zeit in Wehen habe ich den Eindruck bekommen, dass Außenstehende behauptet haben, meine Söhne würden nur spielen, weil der Vater Sportdirektor ist. Das ist ein Stück weit auch menschlich, aber wird der Sache nicht gerecht. Deswegen haben wir unter uns vereinbart, künftig nicht im selben Verein tätig zu sein, weil eventuell auch Kollegen in der Kabine ein ungutes Gefühl hätten und sich nicht öffnen würden. Ich kann dennoch nicht ausschließen, dass die Drei nach ihrer Karriere nochmal gemeinsam am Ball sein werden.