13.03.2021
Historie

„Eine wilde Zeit mit coolen Typen“

Der Leipziger Torsten Kracht über seine Zeit als Adlerträger, den Fußball in seiner Heimat, seine spannende Karriere nach der Karriere und das Topspiel am Sonntag.

Torsten, wo erwischen wir dich gerade und wie geht es dir?
Ich bin in meiner Heimat Leipzig unterwegs. Hier lebe ich mit meiner Familie unweit der Innenstadt. Uns geht es gut, wir sind alle gesund und beruflich bin ich trotz der Pandemie kaum eingeschränkt. Natürlich hoffe ich aber, dass wir bald Schritte in Richtung Normalität machen.

Du sprichst deine berufliche Situation an. Wie ging es für dich weiter, nachdem du 2004 deine Profikarriere in Leipzig beendet hast?
Ich hatte Angebote, unter anderem als Nachwuchstrainer zu arbeiten. Ich habe mich aber dann entschieden, erstmal gar nichts mehr im Fußball zu machen und bin bei einem guten Freund im Unternehmen aus dem Immobiliensektor als Assistent der Geschäftsführung eingestiegen. Learning by Doing war mein Motto, ich habe keine Ausbildung in diesem Bereich. Das habe ich wohl ganz gut gemacht, denn später war ich Teil der Geschäftsführung. Wir haben dann fusioniert, ich bin in den Vorstand gerückt und wir sind mit dem neuen Unternehmen 2019 an die Börse gegangen. Vor 15 Jahren hätte ich nicht mal davon geträumt, dass ich bei einem SDAX-Konzern eine führende Rolle einnehme. Zum neuen Jahr bin ich zu einem Leipziger Projektentwickler gewechselt und arbeite wieder mehr regional.

Du hast das Learning by Doing angesprochen. Wie genau hat das funktioniert?
Schwimme oder gehe unter (lacht). Es kommt auf Dinge an, die auch im Profisport wichtig sind. Teamgeist, Disziplin und Ehrgeiz beispielsweise. Und wenn man nicht ganz blöd ist, kann man die fachlichen Dinge aufholen. Gute Leute an meiner Seite haben mir geholfen. Am Ende zählen natürlich auch für mich die knallharten Regeln der Wirtschaft. Aber ich habe mich durchgebissen, wie früher auf dem Platz. Das ist jetzt meine Karriere nach der Karriere. Es macht mir sehr viel Spaß, weil du jeden Tag siehst, was du mit deinem Team bewirkt hast. Wenn ich durch Leipzig fahre, sehe ich hier Häuser, da Wohnungen und dort Quartiers, die wir gebaut und entwickelt haben.

Ich freue mich auf den Tag, an dem wir wieder Fußball pur bei uns mit Bier und Bratwurst erleben dürfen.

Torsten Kracht

Und wie zu Beginn deiner Karriere lebst du wieder in Leipzig.
Ich bin ein Stadtkind und werde das immer bleiben. Wir wohnen hier in einem Einfamilienhaus und fühlen uns sehr wohl in Leipzig.

Zudem hast du dich entschieden, nach vielen Jahren in deiner Heimat wieder im Fußball zu wirken und quasi zu deinen Wurzeln zurückzukehren. Beim Regionalligisten 1. FC Lok Leipzig bist du seit wenigen Wochen als ehrenamtlicher Sportvorstand tätig. Bei Lok hast du fast die gesamte Jugend durchlaufen, deine ersten Seniorenjahre verbracht und mit dem Verein erfolgreich im Europapokal gespielt. Wie kam es zu dieser Rückkehr?
Vielleicht hatte ich im vergangenen Jahr zu viel Zeit (lacht). Durch meinen Unternehmenswechsel hatte ich eine Verbotsfrist, und mit dem Fußball, gerade in Leipzig, habe ich mich natürlich immer beschäftigt. Almedin Civa, unseren Trainer und Sportlichen Leiter, kannte ich schon als Spieler. Wir haben gemeinsam in meiner letzten Saison beim VfB Leipzig gespielt. Er ist einer der warmherzigsten und loyalsten Menschen, die ich im Fußball kenne. Ich habe erst im Hintergrund mit meinem Netzwerk geholfen. Dann habe ich mich breitschlagen lassen, das Ehrenamt zu übernehmen. Ich kümmere mich um die sportlichen Themen und die Nachwuchsintegration. Insgesamt ist das sehr zeitintensiv, weil ich es natürlich richtig machen und etwas bewegen möchte. Das ist möglich, weil wir eine gute Basis und eine gute Nachwuchsarbeit haben. Es macht sehr viel Spaß, weil viele junge Leute dabei sind, die ebenso dafür brennen. Lok ist der Verein, der es mir noch zu DDR-Zeiten ermöglicht hat, professionell zu spielen und dem ich alles zu verdanken habe. So kann ich etwas zurückgeben.

Der Spielbetrieb in der Regionalliga Nordost ruht gerade. Ihr und damit auch unser Leihspieler Nils Stendera können keine Pflichtspiele absolvieren. Wie sieht die Perspektive aus?
Wir haben fünf Bundesländer in der Liga, die wir unter einen Hut bekommen müssen. Nicht überall ist der Spielbetrieb möglich. Die andere Seite ist natürlich, dass Spiele ohne Zuschauer für uns bei fehlender politischer Unterstützung finanzieller Selbstmord sind. Wir leben von Zuschauern und den daraus resultierenden Einnahmen. 2500 bis 3000 kommen sicherlich, in guten Zeiten auch mal 4000 bis 5000. Ich hoffe, natürlich, dass Verband und Politik bald Rahmenbedingungen schaffen, damit wir wieder in gesundheitlich verträglichem Maß uns der Normalität nähern können. Ich freue mich auf den Tag, an dem wir wieder Fußball pur bei uns mit Bier und Bratwurst erleben dürfen [nach dem Interview meldete der Nordostdeutsche Fußballverband, dass er „einen Wiederbeginn des Spielbetriebs am Wochenende 3./4. April für realistisch“ halte. Der Trainings- und auch Wettkampfbetrieb der Regionalligisten ist derzeit in drei Bundesländern erlaubt; Anm. d. Red.].

Wie siehst du insgesamt die Situation im Leipziger Fußball, gerade auch im Hinblick auf den Gegner der Eintracht am Sonntag?
Hier in Leipzig die Champions-League-Hymne zu hören, ist grandios für die Stadt. Die positive Entwicklung des Klubs hilft Leipzig insgesamt. Aber natürlich freue ich mich auch wie gesagt, wenn Fußball pur bei uns wieder möglich ist.

18. November 2000, Olympiastadion München: Die Eintracht mit Alexander Schur (l.) und Torsten Kracht (r.) haben gerade den FC Bayern auswärts 2:1 in die Knie gezwungen.

Kommen wir zur Eintracht. Hier hast du zwei verrückte Jahre erlebt, als du von 1999 bis 2001 da warst. Wie sind deine Erinnerungen?
Es war eine chaotische Zeit. Die Ziele waren immer hoch. Das ging aber nach hinten los, wir haben um den Klassenerhalt gekämpft und in meinem zweiten Jahr sind wir sogar abgestiegen. Die Fans waren und sind irre, im positiven Sinn. Am Riederwald kam der Schimmel von der Wand, dort waren die Bedingungen schlimmer als bei uns zu DDR-Zeiten (lacht). Insgesamt war es eine wilde Zeit mit coolen Typen wie Jan Aage Fjörtoft, Uwe Bindewald und Alex Schur. Schöne Grüße an Binde und Schui, die sind ja heute noch bei euch.

Mittlerweile sind die Zeiten nicht mehr so wild.
Es ist im Fußball wie in der Wirtschaft. Gute, kontinuierliche Arbeit zahlt sich aus. Das merkt ihr jetzt in Frankfurt. Viele machen einen hervorragenden Job, es gab sensationelle Transfers, ihr habt einen top Trainer, es wird ehrlich gearbeitet. In den vergangenen Jahren hat es die Eintracht mit am besten in der Bundesliga gemacht. Ich bin überzeugt, dass sie die Qualifikation für die Champions League schafft. Auch wenn es dafür natürlich eine Portion Glück benötigt.

Wie geht die Partie am Sonntag aus?
Wenn ich wetten müsste, wüsste ich nicht, was ich machen sollte. Das Ergebnis kann in alle Richtungen ausfallen. Ich erwarte auf jeden Fall ein intensives und spannendes Spiel.