03.01.2021
Bundesliga

Erkennbarer Fortschritt

Seit Wochen gepriesen, in immer längeren Phasen bewiesen: Die spielerische Weiterentwicklung, die sich immer öfter auch in Resultaten niederschlägt.

Nicht zu besiegen

Ein außergewöhnlicher Auftakt in außergewöhnlichen Zeiten, so viel steht fest. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass das 2:1 gegen Bayer 04 Leverkusen den nun dritten Heimsieg hintereinander gegen die Rheinländer bedeutete. Handelsüblich ist dieser Tage und Monate nämlich kaum etwas. „Die Situation ist nicht ohne und für alle sehr neu“, bedachte Adi Hütter noch auf der Pressekonferenz vor dem 14. Spieltag. Der Fußballlehrer aus Österreich muss es wissen – in Anbetracht des Jahreswechsels, der sportlich in der Regel geprägt von der Vierschanzentournee ist. Während an diesem Wochenende in Innsbruck die dritte Etappe anläuft, setzten die Adlerträger ihrerseits zum leistungsbezogenen Weitsprung an und schickten nicht nur in der Wahrnehmung Hütters „eine Spitzenmannschaft“ auf die Bretter. Und das in aller Augen: „Absolut verdient“, werteten Hütter, „hochverdient“ Sportdirektor Bruno Hübner und „verdient“ Gäste-Coach Peter Bosz den Ausgang der ersten 90 Minuten 2021.

Die Adlerträger starten mit großer Aufbruchstimmung ins neue Jahr.

Einzuplanen waren die Zähler nicht, immerhin war mit der Werkself nicht nur der zuvor Tabellenzweite, sondern zugleich das nach fünf Auswärtssiegen in Serie stärkste Auswärtsteam dieser Saison in den Deutsche Bank Park gereist. Was die Hessen gleichwohl beeinflussen konnten, war das eigene Auftreten. „Wir hatten auf der einen Seite tolle Passstafetten und haben auf der anderen Seite auch richtig gut verteidigt. Die Balance hat gestimmt“, erfreute sich Cheftrainer Hütter im Nachgang ebenso der zurückgekehrten Konstanz wie Landsmann Martin Hinteregger: „Gegen eine richtig starke Offensive haben wir hervorragend verteidigt, das war der Schlüssel.“

Eine Frage der Zeit

Der Abwehrchef legte in diesem Zusammenhang Wert darauf, dass derlei Ausgewogenheit nicht auf Knopfdruck zustande komme: „Der Sieg in Augsburg war zwar ein Brustlöser, aber die stetige Steigerung im Saisonverlauf insgesamt war ausschlaggebend.“ In die gleiche Kerbe schlug auch Hütter, der trotz der Remisserie in der laufenden Hinrunde stets die Ruhe bewahrt hat und rückblickend feststellen durfte: „Man muss einer Mannschaft auch manchmal Zeit geben, um sich zu entwickeln und als Trainer irgendwann erkennen, was das Beste ist. Aktuell habe ich ein gutes Gefühl mit dieser Grundordnung“, meinte der 50-Jährige bezogen auf das zuletzt leicht modifizierte System mit einer Sturmspitze und zwei hängenden Zehnern anstatt wie zuvor umgekehrt.

Zwei Zehner für drei Punkte: Daichi Kamada und Amin Younes.

Was wiederum nicht losgelöst vom spielenden und kämpfenden Personal zu betrachten ist. Denn gerade im offensiven Mittelfeld hat das Trainerteam in dieser Spielzeit mit Aymen Barkok, Ajdin Hrustic, Daichi Kamada und Amin Younes mehr Möglichkeiten als je zuvor. Speziell letzterer dient neben dem seit Wochen aufblühenden Djibril Sow als Sinnbild für die von Geduld und Bedacht geprägte Arbeitsweise. Und das nur vordergründig, weil beide vor dem Ausgleich ihre Füße im Spiel hatten, Sow als Vorlagengeber, Younes als Vollstrecker – ausgerechnet gegen Bosz, seinen einjährigen Weggefährten bei Ajax Amsterdam.

Fitness first

„Amin hat dem Spiel seinen Stempel aufgedrückt, war immer anspielbar, giftig gegen den Ball und ein absoluter Schlüsselspieler“, darf sich Hütter in seiner Handhabe, die Leihgabe aus Neapel in kleinen Schritten zurück auf den Platz zu führen, bestätigt sehen. Immerhin habe der Wirbelwind zuvor zwei Jahre wegen verletzungsbedingt nur unregelmäßig gespielt. „Jetzt befindet er sich auf einem ganz anderen Niveau, wie die gesamte Mannschaft, die körperlich in einem sehr guten Zustand ist“, lobte Hütter und zog die Parallele zum ein Jahr zuvor verpflichteten Sow: „Djibi hatte nach seiner Verletzung in der ersten Vorbereitung Probleme, in Tritt zu kommen, hat sich aber mit Ruhe und beinhartem Training zurückgekämpft. Er hat nie gemotzt, sondern an sich gearbeitet. Jetzt ist er da, wo ich ihn mir wünsche.“

Der Schweizer sieht es ähnlich: „Ich fühle mich gut und habe an mir gearbeitet.“ Die Konsequenz: Er agierte gegen Bayer nicht nur gewohnt lauffreudig, 12,8 Kilometer sind für den Motor fast schon Tradition, sondern auch auffällig unaufgeregt: 80 Prozent angekommener Pässe war die stärkste Quote aller Adlerträger. Der Achter möchte dabei die Unterstützung von Nebenmann Makoto Hasebe gar nicht leugnen: „Mit Makoto zu spielen, ist sehr einfach. Er hat gefühlt schon 1000 Bundesligaspiele gemacht. Er hilft mir als jungem Spieler sehr.“ Der Routinier schwang sich eine Ebene vor der Innenverteidigung wie selbstverständlich zum Ballverteiler auf, 62 Ballkontakte, 46 Pässe, 34 erfolgreiche Zuspiele und 24 in die gegnerische Hälfte waren allesamt teaminterner Topwert. Zwei Tage zuvor noch hatte der Chefcoach abgewogen, ob es nicht zur riskant sei, gegen den Favoriten „in den sechsten Gang zu schalten.“ In Abwesenheit des gelbgesperrten Sebastian Rode erwies sich die Alpen-Asien-Mischung somit als ideale Stufe zwischen Spiel- und Kampfstärke. „Wir haben uns für Makoto auf der Sechs entschieden, weil er taktisch clever ist und sich im Spielaufbau auch nach hinten fallen lassen kann“, begründete Hütter die nicht unbedingt nächstliegende Variante.

Die schlussendlich im Wortsinn zentralen Einfluss auf den siebten wettgemachten Rückstand in dieser Spielzeit hatte. Dass dabei vorne Edmond Tapsoba ins eigene Gehäuse und hinten Hinteregger das eigene Gestänge traf, mag auch mit Glück zu tun haben, „aber das haben wir uns verdient“ bekräftigte der Innenverteidiger und begründete: „Wir haben Leverkusen ansonsten weit weg vom eigenen Strafraum gehalten.“ Selbst sieben Eckbälle, ein ausgewiesenes Qualitätsmerkmal der Werkself, verursachten einzig in der Schlussphase etwas Gefahr.

„Wir tun uns leichter gegen Teams, die mitspielen. Aber tief stehende Kontrahenten sind auch kein Problem mehr, weil wir spielerisch zugelegt und uns gesteigert haben“, blickt Hinti deshalb den bevorstehenden Aufgaben optimistisch entgegen. Diese Selbsteinschätzung können die Frankfurter Jungs gleich an den zwei kommenden Spieltagen bestätigen, wenn mit Mainz und Schalke die derzeitigen Schlusslichter der Bundesliga nicht gerade die Favoritenrolle für sich beanspruchen werden. Zumal dazwischen das DFB-Pokalspiel bei Bayer liegt. Fliegen wäre dann auch in Hochzeiten des Wintersports in keiner Seite Sinne.