11.06.2020
DFB-Pokal

Innere Lehre

Mit dem Seitenwechsel in München kehren die Emotionen zurück – und damit auch der Glaube in die eigenen Möglichkeiten. Erkenntnisse aus der Pokalniederlage vom Mittwoch.

Seit wenigen Wochen trägt Adi Hütter ein von den Ultras Frankfurt entworfenes und zugunsten der von der Coronakrise Betroffenen verkauftes Gummiarmband. „Eintracht Frankfurt heißt kämpfen und siegen“ ist darauf zu lesen. Auch wenn es am Mittwochabend nur das erste Attribut eintrat, hatte das schwarz-weiße Accessoire doch einen gewissen Symbolcharakter, immerhin schloss sich für den österreichischen Fußballlehrer ein Kreis. Seit 100 Spielen verantwortet Hütter die Eintracht nun seit Amtsantritt im Sommer 2018. Der Einstand hätte mit dem 0:5 im DFL-Supercup eben gegen den Deutschen Meister nicht unglücklicher verlaufen können. Hütter erreicht diese Marke noch vor Ende seiner zweiten kompletten Saison, andere brauchen dafür fast drei Jahre.

Sicher greift es viel zu kurz, die rasante Entwicklung seitdem an dem damaligen Ergebnis und Auftritt festzumachen, zumal der Zeitpunkt und das sportliche Prestige nicht mit dem wiederum drei Monate zuvor vollbrachten Meisterstück in Berlin vergleichbar war. Dass bei der Eintracht Motivation losgelöst von der Formation zu betrachten ist, verdeutlicht die Tatsache, dass in der gestrigen Startelf mit David Abraham nur ein Adlerträger aufgetaucht war, der bereits beim Wunder in Berlin von Beginn an auf dem Rasen gestanden hatte. Und miterlebte, wie seinerzeit der Video Assistant Referee zugunsten der Hessen das Zünglein an der Waage spielte. In diesem Zusammenhang wiederholte sich gewissermaßen in der Allianz Arena ein klein bisschen Geschichte, wenn auch zum berechtigten Nachteil der Frankfurter Pokalfighter, die nun bereits wieder bei so vielen Saisonspielen stehen wie am Ende der vergangenen Spielzeit: exakt 50! Auf so viele Partien kommt kein anderer Verein innerhalb der Top-Fünf-Ligen Europas.

Dass bei diesem Pensum so viele und gewaltige Ausschläge zwar nicht zwangsläufig naheliegen, aber nicht auszuschließen sind, ist den Adlern seit längerem bewusst. „Die Schwankungen sind in dieser Saison offensichtlich, aber auch schwer zu erklären. Wenn wir es wüssten, würden wir es abstellen“, stieß Kevin Trapp ins gleiche Horn wie zuletzt auch Sebastian Rode. Was der Torhüter, der seine Vorderleute vor der Pause mehrfach im Spiel gehalten hatte, im Umkehrschluss aber auch zur Zuversicht bewegt: „Insgesamt war es eine gute Leistung, von der wir uns zwar nichts kaufen können, aber auf der wir aufbauen können. Wenn wir Aggressivität, Leidenschaft und Emotionen in unser Spiel bringen, können wir gegen jede Mannschaft bestehen.“ Chefcoach Hütter sieht es genauso: „Wir waren nach der Pause die bessere Mannschaft. Kompliment, wie wir aufgetreten sind, wir hatten phasenweise sogar mehr Ballbesitz. Wir sind enttäuscht, aber sehr stolz, denn das hätten uns nicht viele zugetraut.“ Oder wie TV-Experte Thomas Broich in der Analyse in der ARD erkannte: „Die Eintracht hat durch ihr mutigeres Auftreten die Passquote des Gegners auf 82 Prozent gedrückt, das ist für die Verhältnisse der Bayern ein katastrophaler Wert.“

Die Beobachtungen des angehenden U15-Trainers am Riederwald zwangen FCB-Coach Hans-Dieter Flick nach einer Stunde sogar zu der unerwarteten Reaktion, beide Flügelstürmer durch einen Außenverteidiger und zentralen Mittelfeldspieler zu ersetzen. Auf der anderen Seite bewies Hütter nicht zum ersten Mal in den vergangenen Wochen ein glückliches Händchen, als er mit Initiator Daichi Kamada und Vollstrecker Danny da Costa die maßgeblich am Ausgleich beteiligten Akteure einwechselte. „Das 1:1 von Danny freut mich besonders für ihn. Es war eine schwierige Situation für ihn, nach allen Spielen in der Vorsaison hatte er seinen Stammplatz ein bisschen verloren. Er hat aber nie aufgegeben, sich im Training immer angeboten“, hängte der 50-Jährige anschließend den Anteil der Spieler höher als seine eigenen Maßnahmen.

Dass da Costa wie dem emsigen Dominik Kohr letztlich das Wiedersehen mit deren Ex-Klub Bayer Leverkusen im Finale am 4. Juli verwehrt bleibt, hat gleichwohl nicht automatisch den Effekt einer früheren Sommerpause. Auch wenn am kommenden Mittwoch die UEFA über die möglichen Terminierungen der Europa League berät, möchten die Adlerträger so früh wie möglich einen Haken hinter den Klassenerhalt und damit eine einmal mehr gewiss nicht langweilige Saison machen. Weshalb Trapp unmissverständlich fordert, „die nächsten vier Spiele zu gewinnen. Wir sind mit allen vier Mannschaften auf Augenhöhe.“ So auch mit Hertha BSC – in Berlin am Samstag.