24.10.2018
UEFA Europa League

Teil 3: 2000 - 2017

Eintracht Frankfurt hat schon einige Kapitel in der langen Europacup-Geschichte geschrieben. Die frischesten Spuren der Adlerträger in einem Text zusammengefasst.

Mehr als elf lange Jahre hatte die Eintracht zusehen müssen, wenn im Fernsehen europäische Wettbewerbe in den Wohnzimmern flimmerten. Eine harte Zeit für den UEFA-Cup-Gewinner von 1980 und für seine reiselustige Anhängerschar. Doch in der Saison 2006/07 war es wieder einmal so weit: Der Adler hatte das Finale des DFB-Pokals erreicht, verlor in Berlin zwar gegen den FC Bayern unglücklich mit 0:1, doch da sich die Münchner über die Bundesliga als Meister für die UEFA Champions League qualifiziert hatten, durften die Final-Verlierer aus Frankfurt nach der damaligen Regelung im UEFA-Cup starten, obwohl das Team von Trainer Friedhelm Funkel als Aufsteiger "nur" Rang 14 belegt hatte.

Um die Gruppenphase zu erreichen, musste eine Qualifikationsrunde überstanden werden. Der Gegner hieß Bröndby IF. Bröndby? Da war doch was. Als dieser Verein noch als Bröndby Kopenhagen bekannt war, hatte sich die Eintracht 1990 in dem Kopenhagener Vorort eine 0:5-Schlappe abgeholt. Jetzt gelang die späte Revanche. Bereits im Hinspiel wurden in der Commerzbank-Arena die Weichen fürs Weiterkommen gestellt. Es war der Tag des Michael Thurk. Dem Ex-Mainzer gelangen drei Tore und als Benny Köhler in der Schlussminute auch noch traf, konnten die Fans beruhigt schlafen gehen. Die Dänen haderten derweil mit dem englischen Schiedsrichter Robert Styles, der in der 41. Minute Kildertoft (Handspiel im Strafraum) sowie Howard (Tätlichkeit an Thurk) des Feldes verwiesen hatte. Im Rückspiel wurden letzte Zweifel am Gesamtsieger rasch zerstreut: Abwehrspieler Aleksandar Vasoski köpfte die Eintracht bereits nach sieben Minuten in Front. Auch in der 52. Minute traf der "Vasi" per Kopf, am Ende hieß es 2:2.

Schweres Los in Gruppe H

Die Eintracht wurde der Gruppe H zugelost, die Gegner waren US Palermo, Celta Vigo, Newcastle United und Fenerbahce Istanbul. Jedes Team hatte zwei Heim- und zwei Auswärtsspiele, die besten drei würden die Zwischenrunde erreichen. Die Chancen der Adlerträger wurden als nicht besonders hoch angesehen. Zunächst kamen die Italiener an den Main, eine starke Truppe mit zwei Weltmeistern in ihren Reihen. Aber die Frankfurter sind immer für Überraschungen gut, zumal sie in der Bundesliga bis zu diesem 19. Oktober noch ungeschlagen waren. Sie hatten das Kunststück fertig gebracht, ein Spiel zu gewinnen und sieben Unentschieden einzufahren. Die Sizilianer waren zwar überlegen, aber in der 45. Minute gelang Albert Streit das 1:0. Aus 17 Metern genau in den Winkel, ein Traumtor! Die Gäste griffen im zweiten Durchgang gegen kämpferisch starke Frankfurter weiter an und hatten Erfolg. Brienza (49.) und Zaccardo (88.) brachten die Eintracht noch um ihren verdienten Lohn. Es war eine bittere Niederlage.

Zwei Wochen später bei Celta Vigo durfte nicht verloren werden. Das 1:0 der Spanier (11., Perera) war wie ein Weckruf für den zunächst unkonzentrierten Bundesligisten. Alexander Huber, am Gegentor nicht ganz schuldlos, gelang in der 17. Minute der Ausgleich. Es war sein einziger Treffer für die Eintracht, im Winter wurde er an Eintracht Braunschweig ausgeliehen. Im Nordwesten Spaniens blieb es beim 1:1, auch weil Alexander Meier in der 59. Minute mit Gelb-Rot vom Platz musste. Danach kam Newcastle United an den Main. Die Arena war ausverkauft, nun musste doch mal ein Dreier her! Chancenverhältnis 9:1, 6:0 Ecken, Endergebnis 0:0. "Frankfurt versiebt beste Chancen", titelte der "Kicker". 

"Finale" in Istanbul

Trotzdem hatte die Eintracht vor dem letzten Spiel noch eine Chance auf die nächste Runde. Ein Sieg bei Fenerbahce Istanbul würde reichen. Zugegeben: Ein nicht sehr wahrscheinliches Ergebnis. Zumal die 50.000 das ausverkaufte Sükrü Saracoglu Stadion schon beim Warmmachen in ein Tollhaus verwandelten. Sie schlugen an die blechernen Werbebanden, sorgten für ein Konzert an der akustischen Schmerzgrenze. Friedhelm Funkel hatte sein Team aber gut vorbereitet, jeder wusste, was ihn im asiatischen Teil Istanbuls erwarten würde: "Sie sollen raus und Kerle sein."

"Fener" war spielbestimmend, aber die Tore schoss zunächst die Eintracht. Genauer: Naohiro Takahara traf per Kopf zweimal. Zunächst nach einer Flanke von Markus Weissenberger (8.), dann bei einem Konter nach Zuspiel von Albert Streit (51.). Die Adlerträger kämpften, rackerten und ackerten. Aber so langsam ließen die Kräfte nach. Die Türken kamen durch Sambi (63.) und Semih (82.) noch zum Ausgleich. "Wir haben unser Bestes gegeben", meinte Benny Köhler nach dem Abpfiff. Während sich die Frankfurter erhobenen Hauptes von der internationalen Bühne verabschieden mussten, ging die Reise durch Europa für Newcastle, Vigo und Istanbul weiter.

Über Baku nach Bordeaux

Der nächste europäische Auftritt der Eintracht sollte noch spektakulärer und erfolgreicher werden. UEFA Europa League hieß nun der ehemalige UEFA-Cup. Alleine die Qualifikation war eine kleine Sensation. Denn keiner hatte damit gerechnet, dass der Bundesliga-Aufsteiger die Saison 2012/13 auf Rang sechs abschließen würde. Die Euphorie in und um Frankfurt herum war entsprechend überall greifbar. Um die Gruppenphase zu erreichen, musste die Eintracht bis ans Kaspische Meer reisen, nach Baku, der Hauptstadt von Aserbaidschan. Viereinhalb Stunden im Flieger hin, viereinhalb Stunden zurück. Quarabag Agdam hieß der Gegner. Ein unbeschriebenes Blatt. Mit zwei strammen Schüssen (6., 75.) sorgte der "Fußballgott" schon im Hinspiel für klare Verhältnisse.

Das 2:0 war eine gute Ausgangsbasis fürs Rückspiel. "Ich denke, es gibt keinen anderen Club, der in der Phase ein ausverkauftes Haus hat", freute sich Armin Veh über die tolle Kulisse im Stadtwald. Die Zuschauer feierten einen 2:1-Erfolg. Erneut Alex Meier (10.) sowie Takashi Inui (75.) trafen für die Eintracht, der Brasilianer Reynaldo (58.) hatte zwischenzeitlich für den Ausgleich gesorgt. Die Gruppenauslosung brachte weitere Freude. Girondins Bordeux, Apoel Nikosia sowie Maccabi Tel Aviv hießen die Gegner. Da sollte nach jeweils Hin- und Rückspiel Rang zwei und damit der Einzug ins Sechzehntelfinale möglich sein. Und touristisch waren alle Gegner ebenfalls eine Reise wert.

Drei Spiele, neun Punkte

Am ersten Spieltag stellten sich die Franzosen, der vermeintlich schwerste Gegner, am Main vor. Volle Hütte, gerandiose Stimmung und ein Spielverlauf, wie er hätte kaum besser sein können. Vaclav Kadlec brachte sein Team bereits in der vierten Minute in Führung, Marco Russ (16.) erhöhte auf 2:0 und Constant Djakpa setzte mit einem direkten Freistoß ins Toreck den Schlusspunkt (52.). Die Eintracht hatte die Tabellenführung in der Gruppe F übernommen. Zwei Wochen später, am 3. Oktober 2013, stand das Gastspiel auf Zypern an, Tausende begleiteten die Eintracht ins östliche Mittelmeer. Erneut gab es einen 3:0-Erfolg zu feiern. Zunächst fälschte Alexandru eine Flanke von Sebi Jung ins eigene Tor ab (27.), in Durchgang zwei machten Srdjan Lakic (59.) und erneut Jung (88.) alles klar, Apoel Nikosia hatte keine Chance.

Auch Maccabi Tel Aviv sollte drei Wochen später die europäische Lust der Frankfurter spüren. In der Commerzbank-Arena trafen Miroslav Kadlec (12.) und Alexander Meier (53.) beim 2:0. Die Tabelle ließ die Fans von der nächsten Runde träumen: Frankfurt (9 Punkte) führte souverän vor Tel Aviv (4), Bordeaux (3) und Nikosia (1). Selbst der meist zurückhaltende Vorstandschef Heribert Bruchhagen meinte: "Es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn wir nicht über Weihnachten im Wettbewerb bleiben."

Heimspiel in Bordeaux

Doch in Tel Aviv trat der Bundesligist im Schongang auf, lag zur Pause mit 0:3 zurück. Srdjan Lakic per Kopf (63.) und Alex Meier per Handelfmeter (67.) ließen zwar noch einmal hoffen, aber in der Nachspielzeit machte Zahavi (Handelfmeter) für die Israelis alles klar. Die große Feier musste verschoben werden.

Bis zum "Heimspiel in Bordeaux". Unfassbar, was sich an diesem 28. November dort abspielte! Insgesamt 19.000 Zuschauer waren ins Stadion Chaban-Delmas gekommen, mehr als 12.000 waren Eintracht-Anhänger, fast alle in Orange gekleidet. Es wurde ein friedlich-fröhliches Freudenfest und die Eintracht gewann dank des Treffers von Martin Lanig (83.) mit 1:0. Nach dem Abpfiff eilte auch Armin Veh in die Fankurve, schwenkte eine große Eintracht-Fahne und hatte Tränen in den Augen. Selbst die UEFA war erstaunt und lobte die Frankfurter Anhänger.

Das abschließende Gruppenspiel gegen Nikosia wurde zum Schaulaufen. Armin Veh brachte acht neue Spieler. Und die bedankten sich mit einem weiteren Sieg. Stephan Schröck (68.) und erneut Constant Djakpa mit einem Freistoß (77.) trafen zum 2:0 ins gegnerische Netz. Souverän wurde die Eintracht mit 15 Punkten Gruppensieger, auch Maccabi (11) erreichte die nächste Runde. Alle anderen Bundesligisten schieden übrigens aus.

Endstation FC Porto

Nun wartete mit dem FC Porto ein ganz dicker Brocken auf die Eintracht, die zuerst bei dem Absteiger aus der Champions League antreten musste, diesmal begleitet von gut 7.000 Anhängern. Der Favorit tat sich zwar im "Stadion des Drachen" in der Anfangsphase schwer gegen defensive Gäste, aber Quaresma (44.) und Varela (68.) stellten die Weichen für die Portugiesen auf Sieg. Doch der Underdog kämpfte sich zurück. Joselu (72.) und Marco Russ mit gütiger Mithilfe von Alex Sandro (77.) schafften den nicht mehr erwarteten Ausgleich. Plötzlich war die Chance aufs Achtelfinale wieder da.

Die Entscheidung nahte: Die Eintracht ohne Sebastian Rode (Knieprobleme) und Marco Russ (gesperrt) präsentierte sich hellwach, versteckte sich in der erneut ausverkauften Commerzbank Arena nicht. Riesiger Jubel, als Stefan Aigner zum 1:0 einnetzte (37.). Alex Meier erhöhte gar auf 2:0 (52.). Der Favorit wankte - und schlug zurück. Mangala traf doppelt (58., 71.), jeweils per Kopf. Verlängerung? Nein, Tooor Alex Meier (76.)! Spätestens jetzt waren die Hände feucht. Dramatik pur in der Schlussphase. Und dann passiert das Unfassbare: Ghilas traf kurz vor Schluss zum 3:3 (86.). Porto zog dank der Auswärtstor-Regel weiter, die Eintracht lag am Boden. Doch die Fans feierten frenetisch ihre Spieler, die trotz des bitteren Endes in dieser Saison gezeigt hatten: Eintracht Frankfurt ist reif für Europa.