12.11.2018
Bundesliga

Wir sind’s doch nur

Während auf Zypern das Beste nach einer Stunde gegeben war, ging es gegen Schalke nach 60 Minuten erst richtig los. Dank einem Knack- als Wendepunkt.

16. Dezember, Commerzbank-Arena Frankfurt. Eintracht Frankfurt geht durch Luka Jovic in Führung, später sorgt Sébastien Haller für das vermeintliche Ruhekissen, das aber nicht dick genug ist, weil die Gäste durch Treffer in der 82. und 95. Minute noch zum Ausgleich kommen. Wer glaubt, hier handele es sich um eine selbsterfüllende Prophezeiung hinsichtlich des baldigen Heimspiels gegen Bayer 04 Leverkusen, liegt (hoffentlich) falsch. Denn jenes Szenario hat sich in dieser Form vor knapp einem Jahr gegen den FC Schalke 04 zugetragen und zeitweise die einträchtige Weihnachtsstimmung ein klein wenig ins Wanken gebracht.

Nicht so am gestrigen Sonntag. Während Breel Embolo 2017 noch besagten Anschlusstreffer erzielt hatte, blieb der schnelle Stürmer diesmal glücklos, als er nach einer Stunde allein auf Kevin Trapp zusteuerte und unter Bedrängnis im letzten Moment am Nationaltorhüter scheiterte (60.). In derselben Sequenz trieb der bereits im Vorfeld mit einer Einsatzgarantie belegte Ante Rebic das Leder unwiderstehlich durch die gegnerische Hälfte und bediente Sturmpartner Jovic, der eiskalt zum 1:0 einnetzte (61.). Nur wenige Sekunden zwischen Wohl und Wehe, die im Nachgang Adi Hütter wie Domenico Tedesco aus einem Munde als „Knackpunkt“ betitelten.

Spieglein, Spieglein

Die Cheftrainer beider Seiten waren sich auch über den extrem intensiven und gleichermaßen ausgeglichenen ersten Spielabschnitt einig. Was unmittelbar mit einer nicht unähnlichen Spielausrichtung und natürlich deren Umsetzung zusammenhing. Die beiden Europapokalteilnehmer vertrauten einmal mehr auf ein Gebilde mit drei Innenverteidigern, zwei Flügelläufern, zwei Stürmern und einem Dreiermittelfeld, wobei sowohl Vizeweltmeister Rebic als auch Mark Uth gewissermaßen als stürmender Spielmacher agierte. Weil die Hausherren in vielen Phasen noch einen Tick aktiver und höher gegen den Ball arbeiteten, spiegelte das wuchtige Frankfurter Dreigestirn dadurch die erste Schalker Aufbaulinie Mann gegen Mann. Da die Gäste erwartungsgemäß ein nicht weniger aufmerksames Abwehrverhalten an den Tag legten, entwickelte auch in den Augen Hütters „eine chancenarme erste Halbzeit.“ Und folglich eine torlose, wenn auch der zweifelsohne besseren Sorte.

Denn bei allem sportlichen Ehrgeiz wirkten die Kontrahenten wie zwei nach der Geburt getrennte Zwillingsgeschwister. Sowohl Schwächen als auch Stärken des anderen kennend, sich nichts schenkend und doch mit dem nötigen Respekt begegnend, was nicht zuletzt auch Schiedsrichter Benjamin Cortus in seiner großzügigen Linie bestätigte.

…und dann kam Jovic

Daran änderte sich auch nach dem Seitenwechsel nichts, wenngleich sowohl die Hessen als auch die Königsblauen bald noch energischer auf die Führung drängten, was ganz im Sinne der über 50.000 Zuschauer war. Dass der zunehmende Ritt auf der Rasierklinge am Ende mit Ausnahme eines tiefen Cuts von Jonathan de Guzman ohne Kratzer endete, war auch der schwer erlernbaren Gabe des Gastgebers, das Momentum auf seine Seite zu ziehen, geschuldet. Dies galt nicht nur für den Führungstreffer, sondern auch für die Augenblicke vor dem 3:0, als der eingewechselte Yevhen Konoplyanka die Latte traf (78.), ehe Haller nach einem Eckstoß mit einer Willensaktion den Endstand besiegelte (81.).

Was wiederum den Verdacht bestätigt, dass viele Versuche zumindest die Erfolgswahrscheinlichkeit erhöhen. So verbuchte Eintracht Frankfurt nicht nur zehn Eckbälle, sondern auch 13 Flanken. Eine derer flitzte scharf in den Sechzehner, verhalf Landsmann Jovic zum 2:0 (73.), dessen Art und Weise Chefcoach Hütter ein Kompliment abrang: „Luka hat mal wieder gezeigt, dass er vor dem Tor eine Granate ist.“ Zumal sich der Balkan-Bomber mit seiner neunten Saisonbude nicht nur an die Spitze der Torschützenliste ballerte, sondern damit nebenbei mehr Kisten auf dem Konto hat als der gesamte FC Schalke 04 zusammen. Als erster Anwärter auf die Kanone folgt unter anderem: Sturmtank Haller mit acht Hütten.

Eine Wucht

Angesichts solcher Zahlen bekamen die Worte Hütters kurz nach dessen Amtsantritt nochmal einen anderen Klang, als der Österreicher keinen Hehl aus seiner Angriffslust machte, aber zugleich einschränkte, sich gegen (spiel-)stärker eingestufte Konkurrenten auch bisweilen auf eine abwartendere Haltung verlegen zu müssen. Schlicht: die goldene Mitte zu finden. Nach diesen einmal mehr denkwürdigen Abend stellt sich mit wenigen Ausnahmen die gegenteilige Frage, wer sich während der neun ungeschlagenen Begegnungen zuletzt eigentlich nicht nach der Eintracht gerichtet hat. Am Ende gar der Vizemeister, dessen Coach Tedesco neidlos anerkannte: „Man hat gesehen, welche Wucht die Eintracht hat“. Konfrontiert mit Platz vier sprechen die nimmersatten Adlerträger wiederum wohltuend demütig von einer Momentaufnahme.

Das Träumen überlassen sie anderen, allen voran den Fans, die sich in der Schlussphase mit Lobgesängen reihenweise überboten. War erst von „bester Mannschaft Deutschlands“ die Rede, rüttelte der Anhang am Ende gefühlt an der Weltherrschaft. Weder das eine noch das andere ist, selbst tabellarisch, natürlich von überschaubarer Belegbarkeit. Dennoch steckt je nach Blickwinkel in jeder Fantasie ein Fünkchen Wahrheit. Zwar führt bekanntermaßen Borussia Dortmund die Bundesliga an und im Europapokal ist die Eintracht nicht als einziger Vertreter verlustpunktfrei. Wettbewerbsübergreifend jedoch liegt Frankfurt im Betrachtungszeitraum der vergangenen zehn Pflichtspiele im internationalen Vergleich auf Platz vier hinter Manchester City, dem FC Porto und Paris Saint-Germain. Dahinter lauert Dortmund mit fünf Treffern Rückstand. So gesehen hat sich Eintracht Frankfurt vor der Länderspielpause zur erfolgreichsten deutschen Mannschaft in Europa gemausert. Dafür gibt’s zwar keinen Titel, schön liest es sich aber allemal.