23.05.2025
Eintracht

Zehn Monate Mut und Schweiß

Wiederkehrende Widerstände, teils verletzte Kapitäne, unverhoffte Debütanten, Torjäger zur rechten Zeit, stürmische Bodyguards und unterm Strich ein einmaliges Abschneiden. Das war 2024/25.

Am 17. Mai, 17.35 Uhr, war es amtlich: Eintracht Frankfurt ist stolzer Teilnehmer der UEFA Champions League 2025/26. Europäischer Spitzenfußball, höchstmöglicher internationaler Wettbewerb. Und das im Herzen von Europa. Also im Grunde wie vor zehn Monaten, als sich die Hessen im Deutsche Bank Park Schritt für Schritt ans, rückblickend, Meisterwerk machten. Zumindest die, die nicht an den Kontinentalkämpfen teilnahmen. Ob Copa América oder die UEFA EURO, Letztere mit fünf Partien im Frankfurter Stadtwald. Wer’s romantisch mag, darf es besseren Wissens als sich schließenden Kreis betrachten. Doch wenn es nur so einfach wäre: Während in der EM-Stadt München auch nächste Saison die Champions-League-Hymne erklingt, geht dieser Kelch an Leipzig und Stuttgart vorbei. Es muss also etwas mehr dahinterstecken. Also ernsthaft der Reihe nach.

Juli: Neue Gesichter, neue Erfahrungen

Das Trainerteam 2024/25 (v. l.): Jan Zimmermann, Jan Fießer, Dino Toppmöller, Xaver Zembrod, Stefan Buck, Nélson Morgado.

Die ersten Wochen der Sommervorbereitung haben es direkt in sich. Zum Trainingsauftakt präsentierte die Eintracht mit Xaver Zembrod und Jan Fießer zwei neue Co-Trainer, stellte zudem Can Uzun, Oscar Højlund und Rasmus Kristensen vor. Danach folgte die Frankfurt Americas Tour, eine auf und neben dem Platz zusammenschweißende Belastungsprobe für alle Beteiligten. „Grundsätzlich ging es darum, dass die Jungs an ihre Grenzen gehen. Es war eine anstrengende Reise mit gewissen Strapazen, Zeitunterschied, Jetlag, Hitze. Das haben die Jungs unglaublich gut angenommen“, resümierte Cheftrainer Dino Toppmöller nach dem Trainingslager in den Vereinigten Staaten.

August: Erste Standortbestimmungen

Das erste von 49 Pflichtspielen in dieser Saison: Die Eintracht gewinn im DFB-Pokal in Braunschweig.

Am Tag vor der Generalprobe beim Valencia CF schließt sich Willian Pacho dem FC Paris Saint-Germain an, sechs Tages später wird Kevin Trapp neuer Mannschaftskapitän, Robin Koch und Mario Götze seine ersten Stellvertreter. Dann beginnt das Pflichtspieljahr, der Auftakt gelingt mit einem 4:1 in der Ersten DFB-Pokalhauptrunde bei Eintracht Braunschweig. Auch die entstandene Lücke in der linken Innenverteidigung ist gefüllt, Arthur Theate kommt vom Stade Rennais FC. In der Bundesliga lassen die Adler einer 0:2-Niederlage bei Borussia Dortmund einen 3:1-Heimsieg über die TSG Hoffenheim folgen. Kurz vor Schließung des Transferfensters schließt sich Mo Dahoud der SGE an.

September: Debüt Santos, Prophet Koch

Die Adler bejubeln einen Sieg des Willens und das gelungene Debüt von Kaua Santos in Wolfsburg.

Nach der ersten Länderspielpause ringen die Hessen den VfL Wolfsburg mit 2:1 nieder. „Es war nicht unser bestes Spiel, aber so ein Sieg ist auch wichtig für die Entwicklung der Mannschaft. Weil wir in einer langen Saison nicht immer überragend spielen werden, aber trotzdem imstande sein können, Siege einzufahren“, erklärte Koch. Zur zweiten Halbzeit kommt Kaua Santos zu seinem Bundesligadebüt, weil sich Kevin Trapp verletzt hat. Während national zwei weitere Dreier folgen, wirkt die Europa League als kurzfristiger Dämpfer, weil Frankfurt gegen Pilsen einen 3:1-Vorsprung aus der Hand gibt und am Ende 3:3 spielt.

Oktober: Feuertaufen gegen Besiktas und Gladbach

Oliver Frankenbach (Mitte) erlebt in seinem letzten Spiel als Finanzvorstand einen denkwürdigen Fußballabend gegen Borussia Mönchengladbach.

Der junge Frankfurter Weg spiegelt sich neben dem Platz in mehreren Vertragsverlängerungen wider: Hugo Larsson und Kaua Santos bis 2030. Auf dem Rasen bestehen die Adlerträger ihre erste Feuertaufe und mit 3:1 bei Besiktas im Hexenkessel von Istanbul. Auch das Last-Minute-3:3 gegen Bayern München lässt aufhorchen. Beim damals amtierenden Doublegewinner Bayer 04 Leverkusen schnuppert die Eintracht lange am Punktgewinn, als der Ärger über einen verwehrten Foulelfmeter überwiegt. Das nächste Kapitel Frankfurter Widerstandsfähigkeit schreibt das Team in der zweiten Pokalrunde gegen Mönchengladbach – 2:1 in über 80-minütiger Unterzahl. „Wir kennen keine Müdigkeit, es ist Kopfsache“, erklärt Hugo Ekitiké. Der Monatswechsel ist auch geprägt vom Abschied Oliver Frankenbachs nach über 25 Jahren unterm Adlerdach. Die Nachfolge als Finanzvorstand tritt Julien Zamberk an.

November: Fünf aus fünf

Der höchste Saisonsieg: Eintracht Frankfurt gewinnt 7:2 gegen den VfL Bochum.

Leidtragender des neuen Selbstverständnisses ist daraufhin der VfL Bochum, der im Deutsche Bank Park 2:7 verliert. Damit einher geht der erstmalige Sprung auf Platz drei. Bis zum Ende der Saison sollte Frankfurt nie mehr aus den Top Vier fallen … Überhaupt halten sich die Hessen im November tadellos, fahren wettbewerbsübergreifend fünf Siege in fünf Spielen ein. Und Omar Marmoush fügt seinen Scorer-Qualitäten eine weitere Note hinzu, trifft in drei Spielen hintereinander per direktem Freistoß. Wermutstropfen: Aurèle Amenda verletzt sich bei seinem Debüt für die Schweizer A-Nationalmannschaft am Syndesmoseband und fällt für mehrere Monate aus.

Dezember: Lehrgeld in Leipzig und Lyon

Auswärts in Heidenheim hält sich die Truppe mit 4:0 weiter schadlos. Der Flow ist da, bedeutet aber keinen Automatismus. In Leipzig verabschiedet sich die SGE aus dem DFB-Pokal und kassiert auch in Lyon die erste Niederlage in der Ligaphase. „Da waren wir nicht so gut und mussten etwas Lehrgeld zahlen“, konstatiert Sportvorstand Markus Krösche auf der Pressekonferenz am Donnerstag.

In der Liga springt in den verbleibenden drei Spielen vor Weihnachten ein Punkt heraus. Dennoch steht vor der Winterpause Rang drei zu Buche. Währenddessen verlängert mit Nnamdi Collins ein weiterer Hoffnungs- und mittlerweile Leistungsträger frühzeitig und darüber hinaus verkündet der Klub die Verpflichtung des ehemaligen Kapitäns Pirmin Schwegler.

Der neue Leiter Profifußball nimmt zum Jahreswechsel seine Arbeit auf. Lichtblick außerdem: Oscar Højlund meldet sich nach seinem Ende August erlittenen Mittelfußbruch zurück.

Januar: Kaltstart und Marmoush-Abschied

Der kurze Winterschlaf hat den Adlern offensichtlich gutgetan: Drei Dreier gegen St. Pauli, Freiburg und Dortmund innerhalb von acht Tagen Mitte Januar. Das 2:0 gegen die Borussia und das erste Bundesligator von Højlund sieht Omar Marmoush, dessen Wechsel zu Manchester City auf der Zielgeraden ist, in Zivil. Nach dem Abpfiff feiert der damalige Topscorer gemeinsam mit Kollegen und Fans vor der Nordwestkurve und verabschiedet sich den Tränen nahe. „Omar hat es geschafft, in kurzer Zeit mit seinem Charakter und seiner Spielweise große Beliebtheit und Authentizität zu verkörpern und nicht zuletzt im Guten den Klub verlässt. Diesen Spieler auf diese Weise zu verabschieden, ist einmalig“, brachte es Vorstandssprecher Axel Hellmann an späterer Stelle auf der Mitgliederversammlung auf den Punkt.

Derweil bleibt die Eintracht-Flotte auch international auf Kurs. Zum Abschluss der Europa-League-Ligaphase verliert Frankfurt zwar mit 0:2 bei der AS Roma, zieht aber als Rangfünfter direkt ins Achtelfinale ein. Da noch nicht spielberechtigt ist Winterzugang Elye Wahi.

Februar: Koch fehlt, Brown verlängert

Außerdem neu für den Angriff verpflichtet die Eintracht nicht nur im übertragenen Sinne Last Minute Michy Batshuayi. Auch dessen belgischer Landsmann Arthur Theate ist seit Anfang Februar fest verpflichtet und nicht mehr ausgeliehen. Auf der Mitgliederversammlung stimmt die große Mehrheit der angestrebten Kapitalmaßnahme und der erst im Sommer aus Nürnberg gekommene Nathaniel Brown verlängert vorzeitig bis 2030.

Ohne die europäischen Play-offs genießt die Eintracht einen vollen Monat ohne Englische Woche. Voller Fokus Bundesliga, mehr Training. Aber nicht zwangsläufig noch mehr Punkte. Gerade die 1:1-Unentschieden gegen Wolfsburg und in Mönchengladbach schmerzen mit Blick auf die Herausforderungen gegen München (0:4) und am 1. März Leverkusen (1:4); zumal Robin Koch wegen einer gegen die Wölfe erlittenen Schulterverletzung außer Gefecht ist.

März: Götzes goldene Treffer

Mit einem Topteam der Liga bekommt es Rot-Schwarz-Weiß ebenfalls in der Europa League zu tun. Ajax Amsterdam grüßt im Frühjahr von der Spitze der Eredivisie. Eintracht Frankfurt beweist, als es darauf ankommt, K.-o.-Qualitäten und setzt sich mit 2:1 und 4:1 durch. Im Rückspiel macht der in der Rückrunde immer häufiger gefragte Jean-Mattéo Bahoya mit seinem ersten Eintracht-Tor nicht weniger auf sich aufmerksam wie Mario Götze mit seinem 40-Meter-Treffer zum Endstand. Der Spielmacher krönt außerdem das überzeugende Heimspiel gegen Stuttgart mit dem goldenen Tor zum 1:0-Endstand. Kristensen und Theate firmieren seither mit dem Prädikat Bodyguards, ohne die diese knappsten aller Siege nicht möglich wären. Dem gegenüber stehen je zwei Siege und Niederlagen in der Liga. Mitte März muss Kevin Trapp wegen Schienbeinproblemen bis auf Weiteres zurückstecken.

Mit dem Abgang von Omar Marmoush geht die taktische Umstellung auf ein 4-2-3-1 einher. Mario Götze entwickelt sich auf der Zehn noch mehr zum Fixpunkt – und zum Mann für entscheidende Tore wie gegen Stuttgart.

Die schönste Botschaft aber kommt aus den Gremien. Vereinspräsident und Aufsichtsratsvorsitzender Mathias Beck meldet sich nach schwerer Lungenentzündung zurück im Tagesgeschäft: „Ich freue mich riesig, dass ich sukzessive wieder in die Geschäfte einsteigen kann. Vor allem bin ich aber unglaublich dankbar für die Arbeit des Präsidiums sowie der Kolleginnen und Kollegen auf der Geschäftsstelle, die mir in den vergangenen Wochen den Rücken freigehalten haben, um mich auf meine Gesundheit konzentrieren zu können.“

April: Crunchtime um Europa

Doppelpacker beim 4:0 gegen Leipzig: Ansgar Knauff.

Sieben Spieltage vor Schluss halten die Hessen das sportliche Schicksal national wie international in den eigenen Händen. Im Viertelfinale der Europa League reicht es gegen Tottenham nach 1:1 und 0:1 nicht fürs Weiterkommen, zu allem Übel verletzt sich Kaua Santos im Rückspiel gegen die Spurs am Kreuzband und auch Mario Götze fällt für den Rest der Runde aus. In der deutschen Beletage halten sich die Resultate bei je einem Sieg, Unentschieden und einer Niederlage die Waage – bis die Eintracht im Verfolgerduell Leipzig mit 4:0 nach Hause schickt. Der Brustlöser zur rechten Zeit. Signalwirkung hat auch die feste Verpflichtung von Rasmus Kristensen.

Mai: Dritten Matchball verwandelt

Der beinharte Däne steht im Mai im Fokus, die SGE unterm Brennglas. Kristensen trifft in den verbleibenden drei Spielen immer, die Eintracht beim 1:1 in Mainz und dem 2:2 gegen St. Pauli ein Mal zu selten, um sich rechnerisch sicher erstmals über die Liga für die UEFA Champions League zu qualifizieren. Nägel mit Köpfen machen die Verantwortlichen trotzdem, verlängern mit Timothy Chandler um ein weiteres Jahr und zwei Tage vor dem Herzschlagfinale in Freiburg mit Dino Toppmöller bis 2028.

Am 17. Mai haben das erste Wort die anderen: Freiburg im direkten Duell und Dortmund gegen Kiel gehen jeweils 1:0 in Führung. Doch Frankfurt, seit November immer Dritter, einzig im März für zwei Spieltage Vierter, weigert sich, es nur einen Platz darunter zu machen, dreht die Partie unmittelbar vor und kurz nach der Pause in einen 3:1-Erfolg. Die Punkte 58 und 60 und Rang drei sind unter Dach und Fach.

Krösche nach dem Abpfiff: „Am Ende war es natürlich Eintracht-like, aber verdient. Es war ein intensives Jahr. Wir haben eine junge Mannschaft, die zusammengewachsen ist. Wir kommen aus einem schwierigen Jahr in diese Saison, verlieren Omar Marmoush im Winter. Die Mannschaft hat Charakter und eine unfassbare Widerstandsfähigkeit.“

Toppmöller schlägt in dieselbe Kerbe: „Vielleicht auch aufgrund Teilen der vergangenen Saison hatten wir von Beginn an viele Zweifler, die nicht an uns geglaubt haben – und wir haben stets die richtige Antwort gegeben. Ich bin unfassbar stolz auf diese junge Mannschaft. Was sie geleistet hat, ist herausragend.“

By the way: Nie zuvor hat eine Eintracht-Mannschaft die Bundesliga auf Platz drei beendet und gleichzeitig ein internationales Viertelfinale erreicht. Einmalig.