01.11.2020
Bundesliga

069 einmal anders

Sechs Spiele, neun Punkte und das Warten auf das erste Spiel ohne Gegentor seit fünf Monaten. Die Zwischenbilanz betrachten sie in Frankfurt als solide – und Saisonprognosen für verfrüht.

Die Lage der Liga

Mehr Tradition trifft in wenigen anderen Bundesligabegegnungen aufeinander. Nicht nur, dass Eintracht Frankfurt und Werder Bremen sich am Samstagnachmittag zum 101. Mal im deutschen Oberhaus duellierten, zusammengerechnet kommen der Achte und Dritte der Ewigen Tabelle nun auf 3642 Spiele in der nationalen Beletage. Am Ende stand das empirisch erwiesen häufigste Resultat 1:1. Und auch sonst scheint sich nach sechs Spieltagen in der Bundesliga vieles wie gehabt: Die vier Champions League-Teilnehmer bilden nach Samstagabend die Top Vier, während den Rest der oberen Tabellenhälfte von Position fünf, Augsburg, bis neun, Frankfurt, nur ein Punkt trennt.

Nicht nur deshalb sah Sportdirektor Bruno Hübner im Nachgang der zähen Auseinandersetzung den Zeitpunkt „für eine Saisonprognose noch zu früh.“ Was alle Beteiligten gleichwohl nicht zu Zurückhaltung verleitete. „Wir hatten einen soliden Saisonstart, wobei wir trotzdem manche Chancen vertan und Punkte liegen gelassen haben wie gegen Bielefeld, Köln und Bremen“, bezog sich Sebastian Rode, mit 11,9 Kilometern laufstärkster Frankfurter, auf die drei 1:1-Unentschieden dieser Spielzeit, aus denen die Adler jeweils gerne mehr Profit geschlagen hätten.

Eher sauer als süß

Angesichts der zweideutig möglichen Betrachtungsweise – auf der einen Seite erst eine Niederlage, auf der anderen vier Partien nicht gewonnen – überwiegt am Wochenende auch in der Presselandschaft die Ansicht verpasster Gelegenheiten. Von einem „Verschenkte[n] Heimsieg“ schreibt der Wiesbadener Kurier, „Eintracht tritt auf der Stelle“, meint die hessenschau, und die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung sieht „viel Verbesserungspotential“.

Mit acht Schüssen gewohnt eifrig: André Silva.

Letzteres hatte nicht weniger Adi Hütter nach der ersten halben Stunde erkannt, „weil wir nicht schnell und aggressiv genug gespielt haben. Wir haben zu ideenlos, kompliziert und behäbig gespielt und haben die zweiten Bälle nicht behauptet, außerdem zu langsam von der einen auf die andere Seite gespielt“, bemängelte der Cheftrainer. Dass ein Vergleich zu Halloween letztlich hinkt, verdienten sich die Fußballer schließlich mit einer kontinuierlichen Leistungssteigerung und der Tatsache, erst recht nach dem Rückstand einen weiteren Gang zugelegt zu haben. Und gerade deshalb zeigte sich Aymen Barkok im Anschluss „schon etwas sauer. Ich finde, wir haben es in der zweiten Halbzeit sehr gut gemacht, uns aber leider nicht mit drei Punkten belohnt.“

Zwei Balleroberungen im Fokus

Das Eigengewächs hatte nach seiner Einwechslung wesentlichen Anteil am Endstand (65.), als er auf der rechten Außenbahn einen Pressingmoment provozierte, wie er selbst nochmal beschrieb: „Vor dem Ausgleich bin ich energisch am Mann geblieben und habe auf einen Fehler spekuliert. Danach habe ich auf Daichi gespielt, der das perfekte Auge für André Silva gehabt hat.“ Für den mit acht Versuchen einmal mehr schusseifrigen Portugiesen war es das zwölfte Tor seit der Ligaunterbrechung in der vergangenen Rückrunde, mehr hat einzig Robert Lewandowski auf dem Konto (19).

Auf der anderen Seite resultierte auch der Gegenstoß zum 0:1 aus einer Balleroberung, die nur kurz vor Diskussionsstoff sorgte, weil Bas Dost nach einem Zweikampf am Mittelkreis zu Boden gegangen war, woraufhin die Gäste durch Josh Sargent in Führung gingen (51.). „Ich glaube, dass das Gegentor aus dem Nichts kommt. Zuvor lehnt sich mein Gegenspieler auf mich und ich falle auf den Rasen. Der Schiedsrichter kann so oder so entscheiden, in diesem Fall war es gegen mich. Aber nachdem ich die Szene nochmal gesehen habe, muss man keinen Freistoß geben“, konnte der unmittelbar nach dem Schlusspfiff merklich angefressene Sturmtank mit der Entscheidung leben, was er auch auf den Ausgang bezog: „Wir müssen das Ergebnis so annehmen, es geht weiter.“

Kreativgeister auf den Außenbahnen

Voran ging es schließlich auch nach einer Stunde, als Chefcoach Hütter erwähnten Barkok und Amin Younes anstelle von Almamy Toure und Steven Zuber – der Schweizer verbuchte mit sieben wie Makoto Hasebe und David Abraham meisten Balleroberungen – auf die Außenbahnen des 3-4-1-2-Systems beorderte. „Sie haben für frischen Wind gesorgt. Aymen habe ich auf die rechte Seite gestellt, weil er nochmal ein anderes Element auf dieser Position einbringt als die anderen Außenbahnspieler. Das war heute wichtig, weil Bremen tief gestanden ist“, erläuterte der Fußballlehrer die Überlegungen hinter der gefruchteten Maßnahme, die Flanken mit zwei Kreativgeistern zu besetzen. Zuvor war bereits Dominik Kohr nach der Pause für Stefan Ilsanker in die Partie gekommen, was Hütter wie folgt erklärte: „Weil er bereits Gelb hatte und mir das Risiko eines Platzverweises zu hoch war.“

Dass die Hessen das Risiko ansonsten nicht scheuen, bekräftigte Hütter in einem anderen Zusammenhang. Angesprochen auf die nun seit dem 3:0 auswärts in Bremen am 3. Juni 14 Spiele währende Serie ohne weiße Weste sagte der Österreicher: „Unser Spielstil birgt öfters ein höheres Risiko. Wenn man über 90 Minuten so spielt, ist nicht immer alles zu verteidigen. Die Alternative wäre, mit neun Spielern am eigenen Sechzehner zu stehen, aber das ist nicht unser Anspruch.“ Einen Querverweis zum Kontrahenten von der Weser verbot sich Hütter dennoch. Mit Blick auf 72 Prozent eigenen Ballbesitz und eine Passquote von 87 Prozent respektierte der 50-Jährige den Auftritt Bremens, das sich „darauf konzentriert, taktisch diszipliniert aufzutreten. Das haben sie über 90 Minuten durchgezogen und sich den Punkt somit verdient.“

Sicherlich wird es wichtig sein, in Stuttgart zu punkten, um uns dann auf die wichtigen Spiele nach der Länderspielpause richtig einzustimmen.

Sportdirektor Bruno Hübner

Finale Schlüsse möchten die Frankfurter nun in den kommenden Tagen ziehen oder wie Rode aufzeigt: „Im Nachhinein ist es immer einfacher zu erklären, warum wir erst mit Verzögerung ins Spiel gekommen sind.“ Ähnlich formuliert es Younes: „Wir müssen das Spiel jetzt erstmal analysieren und schauen, was wir besser und wo wir zielstrebiger sein müssen.“  Dafür bieten sich in der kommenden Woche von Dienstag bis Freitag insgesamt fünf Trainingseinheiten, ehe am Samstag, 15.30 Uhr, das Gastspiel beim VfB Stuttgart ansteht. Sportdirektor Hübner skizziert den mittelfristigen Fahrplan: „Sicherlich wird es wichtig sein, in Stuttgart zu punkten, um uns dann auf die wichtigen Spiele nach der Länderspielpause richtig einzustimmen.“