21.03.2021
Bundesliga

Die Gunst der Stunde

Platz vier gefestigt und mit dem 1. FC Union Berlin einen Verfolger distanziert. Das Torfestival gegen die Köpenicker bringt neue Erkenntnisse und ebnet weiter den Weg zu neuen Bestmarken. 

„Man sieht, wie wichtig Siege sind. Mit drei Punkten kommst du deinem Ziel immer näher. Es war ein Spiel für Europa, wir haben jetzt eine größere Distanz auf Union“, resümierte Sportvorstand Fredi Bobic am Samstagnachmittag nach dem Abpfiff des Bundesligaspiels gegen den 1. FC Union Berlin, das die Eintracht nach einer kurzweiligen ersten und etwas zähen zweiten Halbzeit mit 5:2 (4:2) gewonnen hatte. Fünf Tore in einem Spiel – das war der Eintracht zuvor in dieser Saison nur in Bielefeld gelungen. Und nach drei Partien ohne Sieg ist der Knoten wieder geplatzt. 

Es war die Partie mit der spektakulärsten Halbzeit dieser Saison. Wie bereits beim 3:3 im Hinspiel fiel das Führungstor kurz nach dem Anpfiff, die Eintracht fügte Union erst den zweiten Gegentreffer in der ersten Viertelstunde zu. Vom zwischenzeitlichen 1:1, das auch laut Bobic „sehr fragwürdig“ war, ließen sich die Hessen nicht beirren und schlugen nach dem kuriosen Eigentor von Robert Andrich innerhalb weniger Minuten gleich zweimal zu. Eine weitere Blaupause zur Partie in der Hinrunde: André Silva und Max Kruse trafen erneut jeweils doppelt. Dabei machte der Portugiese seinem Ruf als Berlin-Schreck alle Ehre, sowohl gegen Union Berlin als auch gegen Hertha BSC kam Silva je viermal zum Einsatz und erzielte dabei gegen beide Hauptstadtklubs jeweils fünf Tore. Mit einem turbulenten und torreichen 4:2 ging es in die Kabine, nach der Pause agierte die Eintracht „zu passiv“ (O-Ton Djibril Sow) und ließ die Gäste mehrmals zum Abschluss kommen. Nachdem die Hausherren in Halbzeit eins noch 59,6 Prozent Ballbesitz für sich verzeichnen konnten, waren es im zweiten Durchgang nur noch 49,4 Prozent. Das müsse einen Lerneffekt haben, weiß auch Sebastian Rode: „Wir müssen ein Spiel, in dem wir 4:2 führen, auch souveräner zu Ende spielen.“

Ein Sieg der Effizienz

Trotz einiger sehr guter Chancen für die Eisernen nach dem Seitenwechsel blieb es bei den zwei Gegentoren aus Halbzeit eins, auch weil Kevin Trapp erneut einen Sahnetag erwischte und mehrmals parierte. Den Schlusspunkt der Partie setzte schließlich der eingewechselte Timothy Chandler, nach Vorarbeit der ebenfalls eingewechselten Offensivkräfte Ajdin Hrustic und Steven Zuber erzielte der 30-Jährige sein erstes Tor seit Mai 2020, als er ebenfalls erst kurz auf dem Platz war und den 3:3-Endstand gegen den SC Freiburg erzielte. Es war die Krönung des Offensivspektakels aus dem ersten Durchgang, Chandler und Zuber feierten den Treffer entsprechend ausgelassen. Die Adlerträger bleiben damit weiterhin im Deutsche Bank Park ungeschlagen in dieser Saison und sind auf dem Weg, die beste Saison seit Einführung der Drei-Punkte-Regel zu spielen (Bestmarke 54 Zähler, 2018/19). 

Fünfmal dürfen die Adlerträger gegen Union Berlin jubeln. So oft wie in dieser Saison nur in Bielefeld.

„Am Ende ist der Sieg ein bisschen zu hoch ausgefallen, weil Union auch ein gutes Spiel gemacht hat“, sagte Sebastian Rode nach dem Abpfiff. Den Eindruck des Mittelfeldakteurs bestätigen auch die Spieldaten: Trotz eines Torschussverhältnisses von 25:9 zugunsten der Berliner siegte die Eintracht im Duell um die internationalen Plätze mit 5:2 – ein Paradebeispiel für den Begriff Effizienz, besonders in Person von André Silva. Der Portugiese kam im ersten Durchgang lediglich auf 17 Ballkontakte – war aber an drei der vier Tore beteiligt. „Wenn du fünf Tore gegen Union schießt, musst du aber natürlich auch einiges richtig gemacht haben. Wenn wir gut drauf sind und ins Rollen kommen, sind wir schwer zu schlagen“, weiß auch Djibril Sow. Hin- und Rückspiel zusammengerechnet, erzielte die Eintracht in dieser Saison acht Tore gegen die Köpenicker, die 2020/21 bisher vor allem mit ihrer Defensivstärke brillierten. „Fünf Tore hätte ich mir vorher gegen die drittbeste Defensive der Liga nicht erträumt“, zeigte sich Adi Hütter positiv überrascht. Von den nun 32 Gegentreffern kassierte Union also exakt ein Viertel in den beiden Duellen mit den Hessen. Dabei blieb der FCU in der aktuellen Spielzeit bereits siebenmal ohne Gegentor, der Eintracht gelang das erst dreimal. Kein anderer Bundesligist spielte in der aktuellen Spielzeit seltener zu Null als die Hessen.

Auf Rekordspuren

Auf die Frankfurter Offensive ist dagegen weiterhin Verlass. Es war bereits die 21. Partie in Serie, in der die Eintracht ein Tor erzielte. Damit stellte die Mannschaft von Cheftrainer Adi Hütter den Vereinsrekord von 1992 ein. Großen Anteil daran hat André Silva, dessen 21 Saisontreffer schon jetzt die zweitbeste Ausbeute eines Adlerträgers in der Bundesliga sind. Einzig Bernd Hölzenbein traf in der Saison 1976/77 bisher unerreichte 26 Mal und damit fünfmal häufiger. Acht Partien bleiben Silva noch, um gleichzuziehen oder sogar als alleiniger Rekordhalter in die Vereinsgeschichte einzugehen. Auch Offensivpartner Filip Kostic überzeugte erneut auf ganzer Linie. Neben seinem Treffer und einer Vorlage waren die 36 Sprints des Serben und seine Maximalgeschwindigkeit von 33,57 Stundenkilometern Spitzenwerte des Spiels. Neben den Offensivakteuren glänzten am Samstag mit Djibril Sow und Sebastian Rode auch zwei Mittelfeldspieler. Sow klärte nicht nur zweimal in allerhöchster Not auf der Linie („ich war heute zweiter Torwart“), sondern war mit 12,78 zurückgelegten Kilometern der laufstärkste Spieler auf dem Platz. Rode brachte 94,5 Prozent seiner Pässe an den Mann und gewann 66,7 Prozent seiner Zweikämpfe. Das verdiente ein Sonderlob vom Coach für die beiden Sechser: „Djibril Sow war sicherlich sehr wichtig mit Sebastian Rode im Mittelfeld, seine Leistung hat mir sehr gut gefallen.“

Starke Leistung - und jetzt geht's zur Nationalmannschaft: Kevin Trapp.

Gegen Dortmund nach der Länderspielpause wird Cheftrainer Adi Hütter erneut zu Umstellungen gezwungen sein. Makoto Hasebe ist der siebte Adlerträger, der eine Gelbsperre absitzen muss. „Leider bin ich gegen Dortmund gesperrt, aber wir haben einen super Kader und sehr viel Qualität in der Mannschaft“, weiß der Japaner. Hütter bezeichnet nicht nur aufgrund des Verfolgerduells den April als den „Monat der Wahrheit. Ich hoffe, dass wir dann wieder alle Mann an Bord haben. Auch Martin Hinteregger. Wenn sein Einsatz für Österreich ein Risiko darstellt, wird er nicht spielen“, erklärte der Frankfurter Chefcoach im Hinblick auf die anstehenden Länderspiele. Hinteregger stand in den vergangenen beiden Partien aufgrund einer Zerrung der Faszie des linken Oberschenkels nicht zur Verfügung. „Hinti fehlt uns hinten mit seiner Zweikampfstärke, auch wenn Hase es gut gemacht hat. Hinti hat eine enorme Präsenz, köpft fast alle Bälle hinten raus und gewinnt fast alle seine Zweikämpfe“, fasst Djibril Sow die Relevanz des Österreichers für die Frankfurter Mannschaft zusammen.

Für die Spieler, die nicht mit ihrer Nationalmannschaft unterwegs sind, gilt in den kommenden Tagen, die Energiespeicher wieder aufzuladen; von Dienstag bis Freitag wird trainiert, bevor ein freies Wochenende folgt. Wegen Personalmangel steht kein Testspiel an. Die Nationalspieler sollen unterdessen gesund und fit wieder nach Frankfurt zurückkehren, denn die nächsten Partien in der Bundesliga haben es in sich. „Nach der Länderspielpause treffen wir auf Topgegner, dementsprechend werden die nächsten Wochen sehr spannend. Wir freuen uns auf die Spiele, darauf haben wir hingearbeitet“, zeigt sich Fredi Bobic ob der anstehenden Aufgaben mit großer Vorfreude. Den Anfang macht bekanntermaßen die Partie in Dortmund, wenn der Tabellenvierte zum -fünften reist. Die Vorzeichen haben sich durch den Sieg der Eintracht und das Remis des BVB in Köln leicht zugunsten der Hessen geändert. „Die Lage ist nach dem heutigen Spieltag ein wenig entspannter. Der Druck liegt bei Dortmund, auch wenn wir wissen, dass wir mit einem Auswärtssieg einen riesigen Schritt machen können. Wir fahren mit dem Ziel dorthin, zu punkten“, gibt Djibril Sow die Marschroute vor. Nach dem Erfolgserlebnis gegen Union Berlin geht es für die Adlerträger nun erstmal mit Rückenwind in die Länderspielpause.